Читать книгу Quengelzone - DIE ZEIT - Страница 8

»Hausgemacht«

Оглавление

VON MARCUS ROHWETTER

DIE ZEIT, 12.07.2012 Nr. 29

Als Quengelzone bezeichnen Konsumforscher jenen mit Schokoriegeln und Überraschungseiern bestückten Wartebereich an der Supermarktkasse, in dem kleine Kinder ihren Eltern das Leben zur Hölle machen sollen. Quengelzone klingt niedlicher als Nötigung.

Die Einkaufswelt ist voll von Beschönigungen, Worthülsen und falschen Bildern, die oft bloß den Verstand betäuben und Geldbörsen öffnen. Etwa der große Klassiker »hausgemacht«, ein ebenso schönes wie leeres Wort. Hausgemacht ist beim Metzger die Wurst, beim Bäcker der Kuchen. Und, logisch, an fast jeder Eisdiele: ein Dutzend Sorten. Hausgemacht.

Klingt nach Geheimtipp, und schon entsteht im Kopf ein Bild: Leckere Speisen nach uraltem Rezept, an einem Ort mit karierten Tischdecken per Hand zubereitet von gütigen Omis, die es als ihre Lebensaufgabe betrachten, uns einzigartigen Genuss zu verschaffen. Hausgemachtes zu kaufen ist der kleine Aufstand des bewussten Konsumenten gegen die Industrialisierung der Nahrungskette.

Hausgemacht. Ja, klar. Unter freiem Himmel wird wohl niemand was anrühren. Aber in welchem Haus? In einem Haus in Fernost? Oder im eigenen? Wenn ja: Wissen Sie, wie es dort aussieht? Bei einer Industrieanlage darf man immerhin annehmen, dass ab und an eine Putzkolonne vorbeischaut, aber bei Hempels in der Küche? Stellen Sie sich mal einen WG-Kühlschrank vor. Hausgemacht muss nicht mal besser schmecken. Ich habe mal versucht, daheim Marmelade zu kochen, aber die konnte ich keinem anbieten. So viele einweckende Großmütter kann man gar nicht herbeihalluzinieren. Dann doch lieber Industrieware.

Hausgemacht, das wissen wir aus Wirtschaft und Politik, kann auch eine Krise sein. Also etwas sehr, sehr Schlechtes. Fragen Sie mal die FDP.

Quengelzone

Подняться наверх