Читать книгу Quengelzone - DIE ZEIT - Страница 13

»Ohne Chemie«

Оглавление

VON MARCUS ROHWETTER

DIE ZEIT, 06.12.2012 Nr. 50

Zum Standardrepertoire der Lebensmittelindustrie gehört der Hinweis, Produkte seien »ohne Chemie« hergestellt. Das klingt bei flüchtigem Drüberlesen sogar angenehm. Wer genauer drüber nachdenkt, bemerkt allerdings, dass es sich um eine klassische Null-Aussage handelt. Man darf sich darunter vorstellen, was immer man will.

Ich denke beim Wort Chemie auch schnell an Pinselreiniger, Unkrautvertilger oder Autolacke. Die Botschaft, etwas sei »ohne Chemie«, ist dennoch ein wunderbares Beispiel dafür, wie leicht sich Verbraucher intellektuell sedieren lassen. Gut, ich habe im Chemieunterricht in der Schule vielleicht nicht ganz aufgepasst, deshalb bleibt mir jetzt nur noch der Besuch bei Wikipedia. Dort wird Chemie definiert als »eine Naturwissenschaft, die sich mit dem Aufbau, den Eigenschaften und der Umwandlung von Stoffen beschäftigt«.

Bedeutet: Chemie ist überall. Ohne Chemie gäbe es kein Bier, keinen Käse, keinen Salat und keine Weinbergschnecken. Salz ist Chemie (NaCl nämlich, aber das klingt schon wieder gefährlich), und sogar H₂O, also Wasser, ist eine chemische Verbindung aus Wasserstoff und Sauerstoff.

Apropos: Wussten Sie, dass praktisch jedes Lebensmittel und somit auch Babynahrung Dihydrogenmonoxid enthält, das – in reiner Form eingeatmet – oft tödlich wirkt? Ein Klassiker der Naturwissenschaft, googeln Sie mal. Aber egal: »Ohne Chemie« gäbe es nichts. Auch keine chemiefreien Lebensmittel. Wer es dennoch anders sieht, verhält sich wie ein verängstigtes Kind. Das schließt ja auch die Augen, um die Welt verschwinden zu lassen.

Quengelzone

Подняться наверх