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Kontroverstheologie und Ringen um einen Kompromiss

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Mit dem Thesenanschlag Luthers setzte die theologische Diskussion über seine Auffassungen ein. Bereits auf der Mühldorfer Synode vom Mai 1523 war der Gedanke eines Nationalkonzils aufgekommen, um die Religionsfrage zu klären und die Gravamina abzustellen. Kardinallegat Campeggio lehnte eine „Synode deutscher Nation“ ab, weil er die Gefahr des Abfalls ganz Deutschlands von der katholischen Kirche fürchtete. Die trotzdem für den November 1524 nach Speyer einberufene Versammlung deutscher Vertreter verhinderte Karl V. auf Intervention aus Rom. Da eine Klärung der religiösen Situation über ein Nationalkonzil zunächst unmöglich geworden war, beschritt Campeggio den Weg über Partikularversammlungen. Auf dem Reichstag in Speyer 1529 wurde die Religionsfrage intensiv diskutiert und der Kaiser aufgefordert, beim Papst die Berufung eines „freien Generalkonzils deutscher Nation“ zu beantragen. Die evangelischen Reichsstände legten gegen die Wiedereinsetzung des Wormser Edikts eine protestatio ein, wovon sich die Bezeichnung Protestanten herleitet.

Entscheidende Bedeutung für die Bekenntnisbildung gewann der Augsburger Reichstag von 1530. Johannes Eck hatte für den Kaiser in 404 Artikeln einen Katalog der Irrtümer der Lutheraner, Zwinglianer und Schwärmer zusammengestellt. Darauf formulierte Melanchthon die evangelische Gegenposition und stimmte diese mit Martin Luther ab. Die Confessio Augustana legt in 28 Artikeln das protestantische Glaubensverständnis dar. Als Zeichen der kirchlichen Einheit postuliert sie die Übereinstimmung in zentralen Punkten der Lehre des Evangeliums, während bei den kirchlichen Riten wie der Sakramentenspendung Vielfalt walten könne. Zunächst schienen die Ausgleichsverhandlungen, die vom guten Willen Campeggios wie Melanchthons getragen wurden, aussichtsreich. Die dogmatischen Unterschiede wurden aber verharmlost. Die Schweizer und vier oberdeutsche Städte (Straßburg, Konstanz, Lindau, Memmingen) (Confessio Tetrapolitana) legten abweichende Bekenntnisschriften vor.

Katholische Theologen unter der Leitung Ecks erarbeiteten im Auftrag Karls V. in Augsburg als Antwort die Confutatio. Das mehrfach überarbeitete Gutachten wurde zu einer von den katholischen Reichsständen mitgetragenen Stellungnahme des Kaisers. Sie argumentiert auf dem Boden der Hl. Schrift und enthält Kritik an kirchlichen Missständen. Als die Protestanten ihre Annahme ablehnten, war der Versuch gescheitert, mit einer kaiserlichen Entscheidung die Glaubensfrage zu klären.

Auf katholischer Seite bemühten sich Theologen wie Dr. Johannes Eck, die kirchliche Lehre in apologetischen Werken zu verteidigen. Sie mussten berechtigte Anliegen der Reformatoren aufnehmen, abweichende Lehren aufzeigen und eine eigenständige Darstellung der katholischen Lehre erarbeiten. Ecks Enchiridion locorum communium adversus Lutteranos (1525) enthält Schrift- und Väterbeweise zu den Einwänden der Reformatoren. Im Zentrum dieser mit 121 Auflagen und Übersetzungen am weitesten verbreiteten katholischen Auseinandersetzung mit Luther steht die Lehre von der Kirche. Die meisten kontroverstheologischen Schriften blieben dagegen in bloßer Apologie stecken.

Von den Universitäten wandten sich Köln und Löwen als erste gegen die Thesen Martin Luthers. Auch Angehörige des Dominikaner- und Franziskanerordens beschäftigten sich mit den theologischen Positionen der Reformation. Einer der populärsten Gegner Luthers war der Straßburger Franziskaner Thomas Murner (1475 –1537).

Viele Gelehrte, die sich in den Dienst der überlieferten Glaubenslehre stellten, waren keine Theologen, sondern Humanisten oder praktische Seelsorger. Am Hof Herzog Georgs von Sachsen wirkte unter anderen der fränkische Humanist Johannes Cochlaeus (1479 –1552), der sich in über 200 Werken mit der Theologie des Reformators auseinandersetzte. Mit seiner Luther-Biographie, die freilich von Verzeichnungen nicht frei war, prägte er das katholische Bild des Reformators bis ins 19. Jahrhundert. Die kontroverstheologische Auseinandersetzung, die sich an eine breitere Öffentlichkeit wandte, war auf beiden Seiten nicht frei von Polemik.

Berthold Pürstinger (1465 –1543) hatte auf sein Bistum Chiemsee bereits resigniert, als er in seiner Tewtsche[n] Theologey (München 1528) die katholische Eucharistielehre vertrat. Diese deutsche Dogmatik bildet das erste größere katholische Werk der Reformationszeit, das auf der Grundlage der Bibel und im Anschluss an Thomas von Aquin verfasst wurde. Johannes Fabri (1478 –1541) und Friedrich Nausea (1491/96 –1552) wirkten als theologische Schriftsteller wie als Bischöfe von Wien für innerkirchliche Reformen und die Debatte mit der Reformation. Nausea entwickelte sein von Predigt und Katechese geprägtes Bischofsideal in einem für Papst Paul III. bestimmten Werk (1543). Dabei regte er die Gewährung des Laienkelchs und die Aufhebung des Zölibats an.

Laienkelch

Der Genuss des bei der hl. Messe zum Blut Christi konsekrierten Weines ist nach römisch-katholischer Tradition seit dem Hochmittelalter dem zelebrierenden Priester vorbehalten. Neben hygienischen Gründen wurde der Glaubenssatz, dass der ganze Christus in jeder Gestalt gegenwärtig sei, zur Begründung herangezogen. Das Konzil von Konstanz verbot die Spendung des Kelches an Laien, worauf diese zu einem Merkmal der hussitischen Bewegung wurde.

Einige Theologen rangen um vermittelnde Positionen. Der Franziskanerobservant Kaspar Schatzgeyer (1463 –1527) entwickelte die katholische Lehre hinsichtlich Kirche und Meßopfer in Anlehnung an die Hl. Schrift so, dass er auch die Anliegen der Reformatoren aufnahm. In der verbreiteten Polemik konnte seine besonnene Argumentation nichts erreichen.

Doppelte Gerechtigkeit

Diese theologische Vermittlungsposition wird prägnant zusammengefaßt in der Formulierung des Bischofs von Belluno, Giulio Contarini (1542 –1575): „Vor der Rechtfertigung nützen die Werke nichts, um sie zu erlangen, sondern der Mensch ist allein durch seinen Glauben gerechtfertigt. Dann setzt der Gerechtfertigte gute Taten, und diese sind Zeichen seines Glaubens.“ (Alberigo, Geschichte der Konzilien, S. 361.)

Johannes Gropper (1503 –1559) vertrat wie Gasparo Contarini die Lehre von der doppelten Gerechtigkeit, doch wurde sein Enchiridion christianae institutionis (Köln 1538) deshalb auf den Index gesetzt. Zu den führenden Köpfen der „Exspektanten“ (Partei der Mitte) gehörte daneben der letzte katholische Bischof von Naumburg-Zeitz, Julius von Pflug (1499 – 1564). Er bemühte sich um die katechetische Unterweisung der Gläubigen und ihre Rückgewinnung für die katholische Kirche. Auch der Mainzer Weihbischof Michael Helding (1506 –1561) setzte sich beim Augsburger Reichstag 1547/48 für ein Entgegenkommen gegenüber den Protestanten ein.

Diese Theologen vertraten ihre Vermittlungsposition auch auf Reichstagen und bei Religionsgesprächen. Das für den 1. August 1539 in Nürnberg geplante Religionsgespräch wurde zunächst nach Speyer und schließlich nach Hagenau (1540) verlegt. Während Rom durch Nuntius Giovanni Morone vertreten war, hielten sich die Häupter des Schmalkaldischen Bundes, einer Verteidigungsgemeinschaft von Fürsten und Städten der Augsburger Konfession (seit 1531), fern. In Hagenau wurde nur über den Modus für künftige Religionsverhandlungen entschieden. Die Gespräche wurden im April 1541 beim Regensburger Reichstag fortgesetzt. Rom wurde hier durch Kardinal Contarini vertreten, der den religiösen Ausgangspunkt der Lehre Luthers, gestützt auf Paulus und Augustinus, für katholisch hielt. In Regensburg konnte eine Einigungsformel über Urstandsgnade und freien Willen des Menschen, über Ursache der Sünde, Erbsünde und Rechtfertigung gefunden werden. Im weiteren Verlauf der Verhandlungen brachen jedoch die Gegensätze hinsichtlich der Kirche und ihres Amtes auf, die sich als trennend erwiesen. Reichsstände beider Konfessionen, Rom und Martin Luther lehnten die Kompromissformel zur Rechtfertigung ab. Die Unionspolitik des Kaisers war damit gescheitert.

Rechtfertigung

Der Begriff umschreibt die Versetzung des Sünders in den Gnadenstand durch Gott, den Zustand der Gerechtigkeit durch den Besitz der heilig machenden Gnade. Martin Luther gelangte zu der Überzeugung, daß die Rechtfertigung des Menschen vor Gott allein durch den rechtfertigenden Glauben geschieht. Das Konzil von Trient betonte dagegen die Mitwirkung des gläubigen Christen an der Rechtfertigung, wobei das Heil allein von Gott kommt. Dadurch soll die ethische Anstrengung der Gläubigen unterstützt werden.

Die andauernde osmanische Expansion ließ zunächst die konfessionellen Gegensätze in den Hintergrund treten, deren Aufhebung Karl V. bis zum Ende eines Generalkonzils, einer Nationalversammlung oder eines Reichstags verschob. Gleichzeitig versprach er in Regensburg, Landgraf Philipp von Hessen (1509 –1567) nicht wegen der Religion zu bekämpfen, womit erstmals die Möglichkeit eines Religionskrieges ausgesprochen wurde. Contarini ermahnte die Bischöfe dringend zur Erfüllung ihrer Hirtenpflichten besonders hinsichtlich der Katechese.

Kaiser Karl V. wollte durch ein von allen Seiten beschicktes Konzil die konfessionelle Einheit wiederherstellen. Er hatte in der Schlacht von Mühlberg (1547) die Schmalkaldener besiegt, doch brachte ihn die päpstliche Verlegung des Konzils nach Bologna um die erhofften Früchte. Papst Paul III. fürchtete eine habsburgisch-spanische Universalmonarchie und die Umklammerung des Kirchenstaates. Da die Protestanten für den Konzilsbesuch nun nicht mehr zu gewinnen waren, versuchte der Kaiser, für die Religionsfrage im innerdeutschen Rahmen einen Ausgleich zu finden. Dies war die zentrale Aufgabe des am 1. September 1547 in Augsburg eröffneten „geharnischten Reichstags“, in dessen Umfeld der Kaiser seine militärische Stärke demonstrierte.

Karl V. beauftragte Julius von Pflug mit der Erarbeitung einer Kompromisslösung in den kontroversen theologischen Fragen, die für das Reich gültig sein sollte. Pflug entwarf die Formula sacrorum emendandorum, die er mit anderen Theologen zu einer vergleichenden Bekenntnisformel überarbeitete. Als Notgesetz plädierte er für die Aufhebung des Zölibats und die Gewährung des Laienkelchs. Der Kaiser wollte die katholischen wie die protestantischen Stände für diese Vorschläge gewinnen, doch lehnten Bayern und die geistlichen Fürsten sie ab. Schließlich wurde das Augsburger Interim publiziert, im Reichstagsabschied aber nur den Protestanten auferlegt. Die katholischen Stände brauchten danach keine Änderungen vornehmen. Deshalb gewannen die evangelischen Stände den Eindruck, es handele sich nur um zeitweilige Zugeständnisse, bis sie zur alten Kirchengemeinschaft zurückkehren müssten.

Augsburger Interim (15. Mai 1548)

Die Bekenntnisformel enthält in 26 Kapiteln über Rechtfertigung, Kirche, Sakramente, Heiligenverehrung und Ritualien die Glaubenslehre der katholischen Kirche, greift aber die Anliegen der Protestanten nach Inhalt und Sprache auf. Die Rechtfertigung erfolgt danach durch das Verdienst des Leidens Christi. Die protestantischen Reichsstände erhielten vorläufig die Konzession von Priesterehe und Laienkelch, die endgültige Entscheidung sollte dem Konzil vorbehalten sein. Mit dem Passauer Vertrag (1552) und dem Augsburger Religionsfrieden (1555) wurde das Interim aufgehoben.

Für die katholischen Stände erließ Karl V. am 9. Juli 1548 die Formula reformationis zur Erneuerung des geistlichen Standes. Sie umfasst Bestimmungen über die Ausbildung und Prüfung der Kandidaten für die Priester-und Bischofsweihe. Die Bischöfe sollten durch ihre geistliche Lebensführung verdeutlichen, dass sie in stärkerem Maße Hirten als Fürsten seien. Das Studium der Bibel und die Verpflichtung zur Predigt wurden stark akzentuiert. Der Inhalt der Sakramente sollte den Gläubigen durch Ansprachen vermittelt werden, die Texte bei der Spendung von Taufe und Ehe durften in der Volkssprache gesprochen werden. Zur Festigung des kirchlichen Lebens wurde die Abhaltung von Diözesan- und Provinzialsynoden und Visitationen angeordnet. In vielen Diözesen wurde daraufhin auf Synoden dieser Text verkünde, doch der andauernde Priestermangel behinderte die Umsetzung.

Katholische Reform und Gegenreformation

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