Читать книгу Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp - Страница 10
Als Großmutter noch den „Laxem“ rührte
ОглавлениеDie Septemberkirmes war früher in meinem Heimatort die „Quetschekerb“: Drei Tage lang gab es „Quetschekuche“ (Zwetschgenkuchen). Und war die „Quetschekerb“ vorbei, dann rüstete man sich überall auf das „Quetschemuskoche“, das „Laxemriehre“. Es war schon eine Heidenarbeit für meinen Großvater, einige Zentner Zwetschgen „abzumachen“ oder vom Baum zu schütteln. Wir hatten eine „Wildnis“ auf dem „Wääleberg“ (Wääle = Heidelbeeren), die voller alten Zwetschgenbäume stand. Dort musste ich natürlich auch als kleiner Bub helfen.
Aber eine weitaus größere Arbeit war das „Auskäären“ (entsteinen) und das „Einschäle“. Da musste alles helfen, was Hände hatte. Da saßen am Abend bis tief in die Nacht hinein alle „Weibsleit“ im Hause auf den „Stühlchen“ und entsteinten die blauen Früchte. Großmutter war die „Chefin“. Aber da halfen auch die Tante und die „bas“ (Cousine), die „Goth“ (Patentante) und die Nachbarin. Da gingen die Hände sowie die Mäuler geschmiert und schnell. Da wurde getratscht und „lawadscht“, geplaudert und „gemait“. So ein paar Zentner Zwetschgen wollten entsteint, Körbe voller Birnen geschält sein. Denn was ist „Latschriehre“ („Laxemrühren“) ohne Witz und Scherz! Mein Großvater gab gerne einen Krug „Süßen“ oder „Bitzler“ aus, neuen „Biere- oder Traubenwein“ zum Besten. Da schaffte es sich noch einmal so leicht, wenn ein bisschen Humor die sonst langweilige Arbeit würzte.
Kaum waren die letzten Körbe van der Reihe, richtete Großmutter schon den Kupfer- oder Emailkessel her, sorgte für gutes Brennmaterial und einen guten „Rührer“. Da herrschte dann Hochbetrieb in der „Worschdkich“ (Wurstküche) oder in der „Wäschkich“ (Waschküche). Die Luft war geschwängert vom Dunst und Musgeruch. Da brotzelte es Tag und Nacht. 24 bis 48 Stunden dauerte die Arbeit des Einkochens. Da musste die brodelnde Masse dauernd gerührt werden, damit das Mus nicht anbrannte. Hier zeigte sich die gute Nachbarschaft, die alte Dorfgemeinschaft allzeit hilfsbereit. Etwas Gutes zu essen und zu trinken gab es, Bohnen- oder Zichorienkaffee und Zwetschgenkuchen gehörte dazu.
In fein gesäuberte und gesüßte „steinerne Hawe“ (Töpfe) wurde der Laxem nun eingetopft und sorgsam verschlossen. Jede Hausfrau hatte eine „Spezialität“ beim Einkochen. Meine Großmutter nahm recht viel Gewürze, Nelken und Ingwer, meine „Tilchegoth“ Mathilde vermengte die Zwetschgen mit Nüssen oder Holunder, die „Annagoth“ mit recht vielen Mostbirnen.
Wir Kinder bekamen am nächsten Morgen eine große „Laxemschmeer“ mit zur Schule. Nach der Pause hatten die meisten einen saftigen braunen „Schnorres“ (Schnurrbart). Die größte Freude der Kinder aber war dann das Auslecken der geleerten Latwergkessel. Da pappten Gesicht und Hände von der süßen „Schmeer“ (Mus, Marmelade).
Laxem heißt auch „Latwerg“ oder „Latwerich“. „Latwerg“ ist eigentlich ein eingedickter Heilsaft, der „geleckt“ wurde. So wurde der „Huf-Lattich“ als Brustsirup eingedickt und „geleckt“.