Читать книгу Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp - Страница 22
Das Brauchtum des Maisingens
ОглавлениеIch erinnere mich an meine frühe Kindheit, als ich mit meiner Mutter alljährlich am 1. Mai den weiten Weg von Steinbach nach Werschweiler ging, um dort den uralten Brauch des Maisingens mitzuerleben, der noch heute im Dorf gepflegt wird. Mit diesem alten Brauch wird der Frühling eingeläutet und herzlich begrüßt. Schon vier bis fünf Wochen vor dem großen Tag beginnen die ältesten Schulmädchen mit den Vorbereitungen. Mittels „Mund-zu Mundpropaganda“ werden die jüngeren Mädchen zum Einstudieren von Liedern eingeladen. Zwei- bis dreimal pro Woche werden fleißig Frühlingslieder und Maienlieder eingeübt. Von „Jetzt fängt das schöne Frühjahr an …“ über „Komm lieber Mai und mache …“ und „Alle Vögel sind schon da …“ bis „Der Mai ist gekommen …“ müssen alle Lieder von der ersten bis zur letzten Strophe eingeübt werden.
Zwei Tage vor dem eigentlichen Maisingen am 1. Mai ziehen die ältesten Mädchen mit einer Säge, einem Handkarren und viel guter Laune begleitet, in den nahen Wald. Dort wird ein schöner Birkenbaum – nicht zu groß und nicht zu klein – ausgesucht und gefällt. Auch werden viele Birkenzweige und andere schon belaubte Zweige mit nach Hause gebracht. Diese müssen eingeweicht und am nächsten Tag „abgezogen“ werden. Ein Tag vor dem Singen sammeln die Mädchen des Dorfes eifrig bunte Frühlingsblumen. Mit diesen Blumen und den Zweigen winden die älteren Mädchen kleine Blumenkränze. Jedes Mädchen erhält sein eigenes „maßgeschneidertes“ Kränzchen. Am gleichen Tag wird beim zweitältesten Mädchen der Birkenbaum mit bunten Bändern und Blumen aus Krepppapier geschmückt. Die letzte Nacht vor dem 1. Mai, die Walpurgisnacht („Hexennacht“), verbringen die „Organisatoren“ bei den Kränzchen und dem Maibaum. Große Aufregung und Spannung herrscht am folgenden Morgen. Schon um acht Uhr treffen sich alle Sängerinnen und erhalten als Kopfschmuck die Blumenkränzchen.
An der Spitze des Zuges ist der buntgeschmückte Maibaum. Dahinter gehen viele singende, mit Blumen geschmückte Mädchen, die von Haus zu Haus ziehen, um mit Frühlingsliedern die Leute zu erfreuen. In Eimern, Schüsseln und Körben werden Eier, Margarine, Speck und Geld gesammelt. Gegen Mittag ist der anstrengende Umzug beendet. Alle haben eine große Portion Rührei, Spiegelei oder Speckeier verdient, die beim ältesten Mädchen gegessen werden. Mit dem Gedanken, im nächsten Jahr bestimmt wieder dabei zu sein, endet nach dem schmackhaften Mahl das alljährliche „Maisingen“ der Werschweiler Mädchen.