Читать книгу Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp - Страница 44
Gegenstände mit schützenden Eigenschaften im und am Bauernhaus sowie heilige Tiere und Pflanzen
ОглавлениеDas Tier, ob domestiziert oder wild, ob nun fern vom Haus oder mehr oder weniger ständig darin wohnend, fungiert im Alltagsablauf unserer bäuerlichen Vorfahren als Träger von Zeichen, als Todes- oder Freudenbote. Der Bauer teilte die magisch bedeutsame Tierwelt in die glückbringenden Tiere und andererseits in die unheilbringenden Tiere ein.
Katze, Kröte und Kauz gelten in den volkstümlichen Vorstellungen als Unglücksbringer. Zu allen Zeiten glaubte man, dass vor allem die schwarze Katze vom Bösen besessen sei. Sie war das Tier des Teufels, das Tier, das bei den Sabbaten zugegen ist. Auch ist das Erscheinen einer Katze unter gewissen Umständen ein unheilbringendes Vorzeichen. Die Hauskatze ist in gewisser Weise der gebannte Zauber, der gezähmte Dämon. Ein Aufnahme- und Reinigungsritus erlaubt, sie ins Haus und in den Familienkreis aufzunehmen. Wie dem auch sei, die Katze symbolisierte in den meisten Gegenden die Seele des Hauses. Ihr Tod, vor allem wenn er sich im Innern des Hauses ereignet, wird als Vorzeichen großen Unglücks für die Familie betrachtet. Die ambivalente Natur der Katze spiegelt sich auch in dem zwiespältigen Schicksal, das ihr bestimmt ist. Selbst wenn sie ins Haus hineindarf – sie ist häufig das einzige Tier, dem dies erlaubt wird – bleibt sie dennoch eines der Tiere, die beim Hausbau und bei rituellen Festen geopfert wird. Noch im späten Mittelalter wurden Katzen oft in das Johannisfeuer geworfen. Mit Hunden ging man meist glimpflicher um. Nur der schwarze Hund flößt echte Furcht ein. Man empfahl, einen solchen Hund zu töten und mit seinem Blut die Mauern des Hauses zu besprengen, aus dem man die Dämonen vertreiben wollte.
Der Hahn, Symbol der Wiederauferstehung und der Wachsamkeit, von dessen morgendlichem Krähen man glaubte, dass es die Dämonen und die Geister der Nacht vertreibe, fand man häufig als Wetterhahn nicht nur auf Kirchtürmen, sondern auch auf Bauernhäusern.
Ein Unglücksbringer ersten Ranges ist die Kröte. Sie ist das verfluchte Tier schlechthin, das Tier der Schatten, das Tier des Teufels, der sich den Menschen häufig in dieser Gestalt präsentiert. Es gab den Brauch, eine Kröte unter der Schwelle des Hauses einzumauern. Die Kröte war auch ein wichtiger Bestandteil der unheilvollen Absude und Tränke der Hexen, zum anderen aber auch bedeutsam für die Behandlung von Rheuma oder Geschwüren. Man band sie lebend auf das erkrankte Körperteil; zur Fieberbekämpfung schloss man sie in einem kleinen Säckchen ein, das man um den Hals trug.
Die schwarzen Vögel, Rabe und Elster, hatten unter den magischen Tierbräuchen zu leiden. Ihre Opferung – sie wurden im allgemeinen mit einem Bein an einer Kordel in der Mitte des Hofes aufgehängt – entspricht dem tödlichen Drama, das sie mit ihrem Erscheinen in der Nähe des Hauses angeblich ankündigen.
Der Storch und die Schwalbe dagegen – die man auch Gotteshuhn nannte – galten überall als Symbole für Wohlergehen, Glück und Erfolg von Haus und Hof. Ihre regelmäßige Rückkehr zur schönen Jahreszeit, ihre Treue zum Nest mögen der Grund für diese Vorstellungen sein. Sie waren die vom Volk verehrten Tiere schlechthin, man schützte sie und half ihnen, sich auf dem Bauernhaus niederzulassen. Besonders dem Storch sagte man nach, dass er um jeden Preis die Tugend der Hausfrau schütze, wenn es sein muss, auch gegen ihren Willen. Storch und Schwalben symbolisieren auch die soziale Eintracht, die Dauerhaftigkeit der Beziehung des Paares.
Das Ei genoss bei unseren bäuerlichen Vorfahren im religiösen Brauchtum ganz besondere Verehrung. Es steht im magischen Arsenal der traditionellen bäuerlichen Welt an vorderster Stelle. Es ist ein Werkzeug des Hexers, der sich seiner bedient, um die Ernten zu zerstören: findet man zerschlagene Eier an den Rändern eines verwüsteten Feldes, so darf man Hexenwerk darin sehen. Aber das Ei stellt seine Macht auch in den Dienst des Guten: Je nach Gegend, glaubt man von den Eiern, die am Gründonnerstag oder am Himmelfahrtstag gelegt worden sind, dass sie niemals faulen und mit zuverlässiger Gewissheit Gewitter, Feuersbrunst, Krankheiten und Zauberei abwenden. Damit sie diese schützende Rolle übernehmen konnten, legte man sie aufs Fenstersims, in einen Türwinkel oder man fügte sie gar ins Mauerwerk ein.
Das Hufeisen gehörte wie der Spiegel oder die Nägel zu den magischen Hilfsmitteln, die das Haus vor den Übergriffen des Bösen schützen sollten.
Pflanzen hatten seit jeher eine schützende oder heilende Kraft. Die Haus- oder Dachwurz, auch Donnerwurz genannt, und all die kleinen, ihr verwandten Fettgewächse, wie etwa auch der Mauerpfeffer, bewahren seit undenklichen Zeiten die Gebäude und besonders die so gefährdeten Strohdächer vor Gewitter. Die Distel, die Sonnenpflanze schlechthin, eine magische und dekorative Pflanze, nagelte man in Berggegenden häufig an die Haustüren. Die Ährenbüschel wiederum, die zu kreuzen gebunden über den Scheunentoren, über dem Rauchfang oder gar über dem Ehebett als Glücksbringer und Unterpfand für künftige Ernten hängen, sind eine echte Opfergabe an die Mächte der Natur.
In vielen Gegenden genossen die in der Johannisnacht (24. Juni) gesammelten Pflanzen eine besondere Verehrung. Aufgrund ihrer ausgeprägten magischen Kraft werden Farn, Nussbaumblätter und vor allem Johanniskräuter deshalb zu Kränzen geflochten, gebündelt und über den Türen und Fenstern des Hauses aufgehängt, sowie in Scheunen und Ställen. Die katharische Kraft des Johannisfeuers, über das die ganze Dorfbevölkerung in der Johannisnacht sprang, erstreckte sich übrigens auch auf die Herdentiere; in manchen Gegenden rieb man den Schafen oder den gehörnten Tieren mit der Asche des Scheiterhaufens die Seiten ein. Die Wirksamkeit des zur Sommersonnenwende verbrannten Holzes ist auch dem zur Wintersonnenwende verbrannten eigen. Als Mittel gegen Gewitter pflegte man auch Johanniskräuter ins Feuer zu werfen und sie an Scheunen aufzuhängen.
Seltsamerweise soll der Maibaum, den man in den Mist stellt, die Schlangen vertreiben können. Man sagte: „Er hindert die Schlangen, den Kühen die Milch abzusaugen.“
Es gab auch eine Reihe von Gegenständen, die man mit großem Respekt behandelte. Auf den ersten Blick unerklärbar erscheint die Gleichsetzung der Steinaxt oder der Pfeilspitze mit Donner und Blitz. Doch trug bei den Germanen schon Thor, der Donnergott, Sohn Odins, diese Axt. Man glaubte lange Zeit hindurch, dass der Donner durch den Zusammenprall zweier kugelförmiger Steine aus konzentriertem Staub entstehe, und dass die so seltsam geformten Steine als Überbleibsel dieses „Unfalls“ auf die Erde herabfielen.
Ebenso wie das prähistorische Werkzeug als Gegenstand gedeutet wird, der die verschiedensten magischen Eigenschaften besitzt, unterlegt man in manchen Fällen auch den Werkzeugen und Geräten des täglichen Lebens apotropäische Eigenschaften. So stellte man vielerorts, wenn ein Gewitter drohte, eine Sense mit der Schneide gen Himmel gerichtet auf die Schwelle des Hauses, um es vor dem Blitz zu schützen; in manchen Gegenden nahm man dafür eine Axt. Man muss in diesem Fall hervorheben, dass diese Werkzeuge, abgesehen davon, dass sie aus Eisen, dem magischen Metall, sind, einen speziellen Symbolcharakter haben. Die Sense ist das Zeichen des Todes und die Axt das Utensil des Donnergottes.
Der Holzschuh war seit eh und je eng mit der Fruchtbarkeitsvorstellung verbunden, deswegen befestigte man ihn auch am Hochzeitsbaum. Jene Holzschuhe, die man so häufig aufgehängt an den Hauseingängen findet, sind vielleicht die Hochzeitsschuhe, die das Paar sorgsam bis zur Geburt des ersten Kindes aufbewahrt und sogar weitervererbt.
Das Rad ist seit den frühesten Zeiten der Menschheit ein Sonnensymbol. Es war auch früher Bestandteil vieler bäuerlicher Bräuche. Das Wagenrad wurde früher häufig an Bauernhäusern als zusätzliche Hofeinfassung benutzt. Manchmal waren es regelrechte Zäune aus Wagenrädern, die den Hof eingrenzten.
Ein sehr geachteter Beruf war früher der Hufschmied, und so ist es auch wohl zu verstehen, dass das Hufeisen ein Glückssymbol darstellte. Es zierte die Wände der Bauernhäuser – auch Schutzzeichen, die in die Mauern eingemeißelt wurden.