Читать книгу Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp - Страница 45
Sitten und Bräuche der Volksgemeinschaft im Wandel eines Jahres
ОглавлениеGehen wir die vier Jahreszeiten durch, so stoßen wir immer wieder auf Ruhe- und Haltepunkte, die Volksfeste, deren Verlauf sich in altgewohnten Formen bewegt.
Der Jahreswechsel ist nicht nur ein Markstein im Leben des einzelnen, sondern auch im Leben der Dorf- und Volksgemeinschaft. Nach dem Abendgottesdienst, in dem Gott der Dank für die Wohltaten des abgelaufenen Jahres gespendet wird, begibt sich der größere Teil der Jünglinge und Männer in die Wirtschaft. Wenn die Kirchenglocken das neue Jahr einläuten, wünscht man sich gegenseitig Glück und Gesundheit im neuen Jahr. Die jungen Burschen haben schon rechtzeitig vorher die Dorfwirtschaft verlassen, um ihrer Braut „das neue Jahr anzuschießen“. Auf die drei Schüsse folgt ein Spruch, der folgendermaßen lautet: „Ich wünsche euch ein glücklich neues Jahr, neues Glück und neues Leben, darauf soll es Feuer geben.“
Die Kinder wünschen ihren Eltern und ihren Paten am nächsten Morgen das neue Jahr an mit folgenden Worten: „Guten Morgen im neuen Jahr! Euch wünsche ich ein glückseliges neues Jahr, lang zu leben und glücklich zu sterben und den Himmel zu erwerben.“
Es gibt aber auch den Neujahrsspruch: „Ein glückselig neues Jahr, eine Brezel wie ein Scheunentor, ein Lebkuchen wie eine Ofenplatt, dann essen wir uns alle satt.“
Die Paten schenken ihren Patenkindern eine große Brezel oder einen Kranzkuchen. Die Leute, die sich auf der Straße begegnen, rufen sich zu: „Prost Neujahr!“ oder „Viel Glück im neuen Jahr!“
In manchen Gegenden hat sich der Brauch des „Dreikönigssingens“ oder des „Sternsingens“ bis heute noch erhalten. Ein wichtiger Tag im Leben des Bauern ist der 2. Februar, Mariä Lichtmess. Dieser Tag ist für ihn das Ende der Winterarbeit. Ein alter Bauernspruch lautet: „Mariä Lichtmess, das Spinnen vergess!“
Maria Lichtmess war in katholischen Gegenden früher ein allgemeiner Feiertag, an dem die Kerzen geweiht wurden. Zu gleicher Zeit segnete der Priester den Hals der Gläubigen, weil am 3. Februar der Tag des Heiligen Blasius ist, dessen Fürsprache gegen Halskrankheiten schützen soll.
Im Februar beginnt auch die Fastenzeit. Ihr voran gehen Maskenfeste, Maskenumzüge am Fastnachtssonntag. Die Kinder laufen an den Fastnachtstagen verkleidet, „verboozt“, auf der Straße herum. Der größte Trubel herrscht am Fastnachtsdienstag in den Wirtschaften. Am Aschermittwoch wird in vielen Dörfern die „Fastnacht begraben“. Die Burschen ziehen mit einer Strohpuppe, der Fastnacht, durch das Dorf, abwechselnd Trauerlieder oder lustige Litaneien singend. Dann wird auf einem freien Platz vor dem Dorfe eine Leichenrede gehalten und die Puppe unter großem Hallo verbrannt. In ähnlicher Weise wird auch mancherorts die „Kirmes begraben“. Während der Fastenzeit herrscht im Dorf große Stille.
Neues Leben bringt erst der Palmsonntag, wenn in der Kirche „Palmen“ (Buchsbaum) geweiht werden. Manche Bauern stecken noch heute einen geweihten Palmzweig in die Scheune, in den Stall oder auf jedes seiner Ackerstücke. Als Vorbote des Osterhasen erscheint dann auch der „Palmhase“, der den Kindern in ein vorbereitetes Nest seine im Kaffee gefärbten Eier legt.
Vom Gründonnerstag ab läuten die Kirchenglocken nicht mehr, es sei denn, es ist im Dorf jemand gestorben. Die Glocken „sind in Rom“ und kehren erst am Ostersonntag wieder zurück. Die Gläubigen müssen daher auf andere Weise vom Beginn des Gottesdienstes in Kenntnis gesetzt werden. Dies besorgen die „Klepperbuben“. Mit Holzklappern laufen sie durchs Dorf und rufen: „Wer in die Kirche geht, der läuft jetzt.“ Wenn das Kleppern am Ostersamstag zu Ende ist, gehen die Klepperbuben von Haus zu Haus, sammeln Eier und Geld ein und verteilen die Gaben unter sich. Dann kleppern sie noch einmal am Ostersonntag morgen s in der Frühe und rufen dazu im Sprechchor: „Auf – auf! Zum heiligen Grab!“
In der Nacht vom Ostersamstag auf Ostersonntag kommt der Osterhase und bringt den Kindern die Ostereier.
Nun ist die Fastenzeit zu Ende und frohe Feste können wieder beginnen. In der Walpurgisnacht, der Hexennacht, der Nacht zum 1. Mai, ist der Dorfjugend reichlich Gelegenheit geboten, sich übermäßig auszulassen. Türen werden ausgehängt, Pflüge, ja selbst ganze Kleinwagen auf die Dächer gesetzt, Puppen in den Hausflur gestellt und ähnlicher Hexensabbat getrieben. In einigen Ortschaften errichten die Burschen ihren Liebsten in der Walpurgisnacht Maibäume, in anderen Orten wiederum schmücken sie die Dorfbrunnen mit Birkenreisern.
Pfingsten ist das beliebteste Fest. In einigen wenigen Dörfern schmücken die Burschen den Pfingstquak. Dies ist ein hölzerner großer Zylinder, der von außen mit frischem Laubwerk geziert wird. Mit diesem Pfingstquak zieht die junge Welt von Tür zu Tür und sammelt Eier und Speck. In anderen Gegenden, ehe dort eine Wasserleitung bestand, reinigten die Mädchen in der Nascht auf Pfingstsonntag den Dorfbrunnen, und die Burschen errichteten den Pfingstbaum, den sie mit bunten Bändern schmückten.
Die altdeutschen Sonnwendfeiern haben sich in unseren Johannisfeuern erhalten. Selbst in den Städten sind Sonnwendfeiern wieder aufgelebt und haben beim Volk viel Anklang gefunden. In einigen Orten ist auch noch das Radbrennen Brauch. Nach den Tagen fröhlichen Schabernacks und ausgelassener Festesfreude kommen Tage der ernsten Besinnung: Allerseelentag und Totensonntag. Alt und jung zieht an diesen Tagen zu den Friedhöfen, um in ganz besonderer Weise der Toten zu gedenken. Früher gab es auch noch Trauerkundgebungen an diesen Tagen mit dem Gedenken an die im Weltkrieg Gefallenen und in fremder Erde Ruhenden.
Noch einmal kommt die Volksfreude zum Durchbruch an den Kirmestagen. In der Regel ist der Tag der Kirchweihe der Kirmestag. Auf dem Lande wird die Kirmes sehr ausgiebig gefeiert. Es war früher vornehmlich ein Fest in der Familie für die Verwandten aus den Nachbardörfern. Es wird ein großes „Imbs“ gehalten mit Rindfleischsuppe, Rindfleisch und Meerrettich. Später gibt’s Kaffee und reichlich Kranzkuchen. Die kleineren Kinder haben ihre Freude an den „Reitereien“, am Kirmeskarussell und an den Zuckerbuden auf dem Kirmesplatz. Die Jugendlichen gehen zum Tanz. In der gleichen Weise wird der Martinitag gefeiert, der für manche katholische Gemeinden der allgemeine Kirchweihtag ist. Der Bauer schlachtet sein erstes Schwein und veranstaltet ein großes Schlachtessen, zu dem auch der Dorfschulmeister eingeladen wird.
An Kirmestagen wird auch in manchen Ortschaften der Hammel („Hammelskerb“) oder ein Kranz herausgetanzt. In einigen Dörfern führt man auch den Quak herum und begräbt am Kirmesdienstag die Kirmes.
Am 5. Dezember kommt der Nikolaus. Er zieht von Haus zu Haus und verteilt an die braven Mädchen gebackene Puppen und an die braven Knaben Hasen, dazu Äpfel und Nüsse. Oft zeigt sich auch in der Begleitung des Nikolaus die sogenannte „Himmelsgeiß“. Sie wird dargestellt von zwei Personen, die sich in ein Leintuch hüllen und als Hörner eine Heugabel zeigen.
Wenn Weihnachten naht und der Abendhimmel golden strahlt, sagen die Mütter zu ihren Kindern: „Das Christkindchen backt Plätzchen.“ Die Kinder singen in der Vorweihnachtszeit: „Christkind komm in unser Haus, leer’ dein goldnes Säckelche aus, stell dein Eselche auf die Mist, dass es Heu und Hafer frisst.“
Am Weihnachtsabend bringt das Christkindchen den Kindern Spielzeug und wie der Nikolaus gebackene Puppen, Hasen, Nüsse und Äpfel. („Äpfel, Nüss’ und Mandelkern essen brave Kinder gern…“) Auch die Erwachsenen beschenken sich gegenseitig, dem Zug der Zeit folgend, fast durchweg mit nützlichen Gegenständen, die auch bei den Kindern mehr und mehr den Platz unnötiger Gaben einnehmen.
In abgelegenen Orten trifft man ab und zu noch den Glauben, in der Weihnachtszeit ginge der Werwolf um, und der Teufel säße auf den Schornsteinen. Zwischen Weihnachten und Neujahr liegen die heiligen Nächte. In ihnen krächzt der Unglücksrabe, und das wilde Heer braust durch die Lüfte.