Читать книгу Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp - Страница 46
Wie meine Großmutter noch die „schäle Migge“ vertrieb
ОглавлениеStechmücken und Bremsen wahren bei unseren Vorfahren auch „verpennt“ (unbeliebt, verhasst). Ursprünglich bedeutete „pennen“ in der Gaunersprache „in einer Spelunke übernachten, schlafen“, und „pennen“ im Volksmund heißt „zu ungewöhnlicher Zeit schlafen“: „Der pennt die ganze Zeit.“ Ein „Penner“ war auch ein Obdachloser, der auf der Straße eben „pennte“. Und die Stechmücken sollten sich „verpennen“ (verziehen). Vor den stechenden und blutsaugenden Weibchen war keiner von uns sicher, wenn man sich bei schwüler Witterung im Freien aufhielt. Vom Schweiß des Menschen werden sie besonders angelockt. Hatte man „sießes Blud“ ( süßes Blut), so lockte man die Plagegeister besonders an. Im Gegensatz zu den nicht stechenden Mücken und Fliegen hießen die Stechmücken auch „schäle Migge“ (scheele Mücken). Und was tat der Bauer an schwülwarmen Sommertagen, wenn er mit seinen Pferden draußen auf dem Acker war und diese vor Bremsen schützen wollte? Er steckte Farnkräuter in das Kummet, das sollte die Stechmücken vom Pferdekopf abhalten. Und das stimmte! Meine Großmutter kannte eine Vielzahl von Pflanzen, deren ätherische Ausdünstungen Stechmücken abwehren. Lavendel war für sie das beste Mittel, die Plagegeister vom Menschen und von der Wohnung abzuhalten. Man betupfte sich an gefährdeten Körperstellen mit Lavendelöl oder rieb sich mit den aromatischen Blüten ein. Die abwehrende Wirkung hielt bis zu acht Stunden an. Großmutter stellte aber auch Lavendel in einer Blumenvase in die „gudd Stubb“, um die „schäle Migge“ dort abzustecken. Die Lavendelsäckchen in den Kleiderschränken unserer Vorfahren hatten zudem noch einen anderen Zweck: Der wohltuende Duft erfüllte den ganzen Raum und führte zu einem geruhsamen Schlaf, hielt aber auch die Motten von den Kleidern ab. Auch ein Lavendelsäckchen unterm Kopfkissen im Bett führte zu einem erholsamen Schlaf.
Auch Ameisen mögen Lavendel nicht und machen einen weiten Bogen um das Kraut. Die ätherischen Öle der Zitronenmelisse haben eine ähnlich gute abschreckende Wirkung auf Stechmücken. Schließlich gab es damals auch noch in jedem Bauerngarten das Mutterkraut, im Volksmund auch „Mottenkraut“ genannt. Ein Strauß davon in der Vase in der „gudd Stubb“ vertrieb die „schäle Migge“ und die Motten.
Auf unserem Hof stand früher ein Walnussbaum. Unter dem Nussbaum stand eine Ruhebank, auf der sich Großmutter und Großvater nach getaner Feld- und Gartenarbeit am Abend ausruhten, sicher vor stechenden Plagegeistern. Der herbbittere Geruch der Walnussblätter hielt die Stechmücken ab. Ähnliches sagte man vom Holunderstrauch, der dicht an der Giebelwand stand. Aber der „Hollerstock“ war für meine Großmutter auch die „lebendige Hausapotheke“. Aus ihren Blüten bereitete sie Erkältungstee, aus ihren reifen Beeren Marmelade.
Geschwollene und schmerzende Mückenstiche rieb man früher mit Johanniskrautöl ein oder man betupfte sie mit dem ausgepressten Saft der Ringelblume. Auf Wespen- und Bienenstiche drückte man den Saft des Spitzwegerichs und legte eine Zwiebel – oder Kartoffelscheibe darauf.