Читать книгу Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp - Страница 56
Der Bauer- der Patriarch auf dem Hof
ОглавлениеSo ganz ohne Erbschaft ging es nicht ab. Manch einer, dessen ältester Bruder den Hof des Vaters übernahm, sah sich nach einem Mädel um, das mangels männlichen Nachwuchses die Landwirtschaft des Vaters erben würde. Durch Hochzeitmachen vergrößerte so mancher Landwirt seinen eigenen Grund und Boten:
„Weiber bringen mehr, als sie mitnehmen.“
Man war trotz dieser wirtschaftlichen Gesichtspunkte noch wählerisch dazu. Eine Frau musste zupacken können und durfte sich nicht stundenlang mit Schönheitspflege beschäftigen:
„Zwei Dingen nimmer trau:
Dem Gras im Februar
und einer geschminkten Frau.“
Ein Bauer regierte auf seinem Hof wie ein Patriarch. Er hielt nichts von der Gleichberechtigung, was einige derbe Sprüche wiedergeben:
„Das Weibersterben
ist kein Verderben,
aber’s Rosseverrecken,
das bringt Schrecken.“
„Weibertod und Pferdeleben
einem Hause Reichtum geben.“
„Wenn dem Bauern das Vieh steht
und die Frauen sterben,
kommt die Wirtschaft vorwärts.“
Man muss bei diesen Sprüchen, die so kaltschnäuzig klingen, bedenken, dass vor zweihundert und mehr Jahren die Sterblichkeitsquote gerade junger Frauen sehr hoch war. Viele starben im Kindbett, und kein Arzt konnte sie damals retten. Man nahm das ebenso gottergeben hin wie die enorm hohe Säuglingssterblichkeit.
Der Bauer aber blieb nie lange Witwer, sondern sah sich in der Nachbarschaft nach einer geeigneten Frau um, die ihm die Hauswirtschaft führen und die Kinder erziehen konnte. Wenn sie ihm überdies noch etwas Heiratsgut in die Ehe mitbrachte, war er’s zufrieden.
Anders dagegen war es mit dem Vieh. Bis zum Beispiel eine Kuh das erste Kalb werfen kann, verzehrt sie soviel, wie an Leistungsfutter zur Erzeugung von etwa 7000 Kilogramm Milch erforderlich ist. Es kostet also etwas, bis eine Kuh ihre erste wirtschaftliche Leistung vollbringen kann, abgesehen davon, dass die Milchergiebigkeit erst beim vierten Kalb die volle Höhe erreicht hat. Bis dahin aber kostet das Tier mehr als es einbringt, wenn man davon absieht, dass nicht alle Kälber aufgezogen werden, sondern manches auch der Fleischversorgung dient.
Man sah deshalb allezeit darauf, dass die Kühe nach den ersten niedrigen Ertragsjahren noch lange eine hohe Leistung vollbringen konnten, weshalb eine Bauernregel rät:
„Soll sich lohnen deine Mühe,
halt’ dir viele alte Kühe!“
Für die Bauernburschen stand jedenfalls vor einigen hundert Jahren fest, wenn sie ins heiratsfähige Alter kamen:
„Ein Bauer bekommt leichter eine Frau als eine Kuh.“
Anscheinend wurde solch bäuerisches Denken nicht krumm genommen:
„Wer den Dreschflegel ergreift,
muss die Geige vergessen.“
„Bauernköpfe – harte Knöpfe.“
Als Kind schon mussten die Jungen und Mädchen in der Landwirtschaft mitarbeiten, damit man vielleicht einen Knecht oder eine Magd sparen konnte. Oft kam dabei die Schulbildung zu kurz, und erst als es Pflicht wurde, die Kinder zur Schule zu schicken, gab der Bauer nach:
„Ein Maul voll Gras fürs Vieh ist dem Bauer lieber als eine Schulstunde für seine Kinder.“
Und wenn der Städter verächtlich die Nase rümpfte: „Von Bauern kommen Bauern her „, dann konterte er vielleicht: „Besser verbauert als versauert.“
Die Bauern von heute sind anders gebildet als ihre Vorfahren. Wer Landwirt werden will, besucht meist eine gute Schule, an die sich noch ein oder zwei Jahre Landwirtschaftsschule anschließen. Drei Jahre Lehre als Landwirt und, wenn zum Hof des Vaters ein paar Hektar Wald gehören, eine weitere Lehre als Forstwirt kommen dazu. Und dann kennen sie sich – als Meister ihres Faches – mit den modernen landwirtschaftlichen Maschinen und Methoden aus.