Читать книгу Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp - Страница 61

„Er liebt mich, liebt mich nicht …“

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Wer erinnert sich nicht gerne zurück an das neckische „Liebesspiel“ unserer Kindheit? Wir Jungen warteten immer sehnsüchtig auf das Aufblühen der Margeriten, der Orakelblumen unserer Vorfahren. Wir nannten sie auch „Liebesblume“ und „Mädchenauge“. In der großen Schulpause liefen wir Jungen immer schnell auf die nahe Wiese, wo Hunderte von Margeriten blühten. Die Mädchen liefen eiligst hinterher. Darunter war auch „ess Guddsje“, meine erste Jugendliebe. Sie stellte sich immer etwas abseits von uns, da keiner ihren Orakelspruch hören sollte, obwohl jeder wusste, wen sie im Visier hatte. Ach, war ich f roh, wenn beim Abrupfen der weißen Strahlenblütenblätter mein geheimer Wunsch erfüllt wurde! So rupfte ich dann ganz zart die Blütenblätter ab: „Sie liebt mich, liebt mich nicht.“ Manchmal wurde der Orakelspruch etwas abgewandelt: „Sie liebt mich, von Herzen, mit Schmerzen, ein wenig oder gar nicht.“ Dann schaute ich mit strahlendem Gesicht zum „Guddsje“ hin. Natürlich hatte auch sie beim Abzählen der Blütenblätter Glück. Rainer, mein bester Klassenkamerad, hatte beim Abrupfen der Blütenblätter oft Pech: Seine Angebetete liebte ihn nicht. Einmal vergoss er bittere Tränen. Meine Urgroßmutter verwendete noch die Wurzeln und Blätter der Margerite zum Würzen von Suppen. Aus den Blättern bereitete sie im Mai Salate.

Ende Mai hatte auch der Löwenzahn ausgeblüht. Die goldgelbe Pracht der kleinen Sonnen war verglüht. Jetzt schimmerte ihr Licht in silbernen Laternchen. Wir suchten die Lichtlein auf der Wiese und pusteten sie mit dicken Backen freudestrahlend aus. Wir schauten die fliegenden Schirmchen nach, dem wogenden weißen Flaum, der langsam in der Ferne verschwand.

Am Abend saßen wir auf der Treppe, ein Glas mit Seifenlauge und bunte Strohhalme in der Hand und zauberten kleine, buntschillernde Seifenblasen. Wir pusteten kräftig und dann entströmten sie dem Strohhalm: Lustige, hauchzarte kleine „Luftballons“. Der leichte Sommerwind trug sie fort, schaukelte sie ein wenig hin und her, und bald zerplatzten die hautdünnen Bläschen, in denen sich die untergehende Sonne in den Regenbogenfarben spiegelte. Sie zerplatzten wie Träume in hundert kleinste Spritzer.

Noch schöner aber war es für uns Kinder, wenn wir an warmen Sommerabenden in der Zeit der Sommersonnenwende die Johannisglühwürmchen über der Wiese flirten sahen. Die neckischen Weibchen saßen auf Grashalmen und machten die umherfliegenden Männchen auf sich aufmerksam, indem sie ihre Hinterteile mit den Lämpchen auffällig hin und her schwenkten. Wir glaubten wohl daran, dass Glühwürmchen in der Johannisnascht Glück bringen, wie unsere Großeltern sagten.

Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren

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