Читать книгу Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp - Страница 32
Als die Frösche noch quakten
ОглавлениеErinnerungen werden wach, wenn wir an das „Märchen vom Froschkönig“ denken. Im richtigen Leben können Frösche und Kröten sich nicht wie im Märchen in Prinzen verwandeln, um die Sympathie des Menschen zu gewinnen. Im Mittelalter wurden sie als Teufelswesen verdammt und zu geheimnisvollen Salben und Tinkturen verarbeitet. Vor allem die Kröte galt in den volkstümlichen Vorstellungen unserer Vorfahren als Unglücksbote. Sie war das verfluchte Tier schlechthin, das Tier der Schatten, das Tier des Satans, der sich den Menschen häufig in dieser „hässlichen“ Gestalt präsentierte. Das Bild von der „hässlichen Kröte“, vor der man sich „ekelte“, ist zum Teil bis in unsere heutige Zeit erhalten geblieben.
Die Kröte war zum einen wichtiger Bestandteil der unheilvollen Absude und Tränke der Hexen, zum anderen aber auch – und das seit frühesten Zeiten bis Anfang des 20. Jahrhunderts – bedeutsam für die Behandlung von Rheuma oder Geschwüren. Man band sie lebend auf den erkrankten Körperteil. Zur Fieberbekämpfung schloss man sie in einem kleinen Säckchen ein, das man um den Hals trug.
Den Fröschen ging es bei uns ganz besonders „an den Kragen“: Sie galten als Delikatesse in der Landbevölkerung. Noch in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts hat man die Teich- und Wasserfrösche im Frühjahr zur Zeit der Laichwanderungen massenhaft gefangen, ihnen bei lebendigem Leib die Schenkel abgerissen, um sie zu verspeisen. Der obligatorische Feuerlöschteich im Dorf war immer der Froschteich. Hier vor allem trieb man das grausame Spiel. Ich habe als Kind miterlebt, wenn in meinem Heimatdorf Anfang März die „Froschjagd“ begann. Bei Einbruch der Dunkelheit – Frösche wandern bei Regenwetter nachts zu ihren Laichtümpeln – versammelten sich die jungen Männer an der Hanauermühle im Bereich der Oster, um die umherziehenden Frösche zu sammeln. Einmal war auch ich dabei und noch heute denke ich mit Grausen zurück, wenn man ihnen die Schenkel aus dem Leib riss. Und das passierte in einer Nacht Hunderten von Fröschen. Ich erinnere mich, wie mein Patenonkel daheim Froschschenkel in der Pfanne briet. Und da sah ich was Unfassbares: Die Schenkel zappelten in der heißen Pfanne. Ich habe nie Froschschenkel gegessen. Heute stehen alle Frösche und Kröten unter Schutz; trotzdem werden die Froschlurche immer seltener, und manche Arten verschwinden sang- und klanglos.
„Froschkonzerte“ gehören der Vergangenheit an. „Wo Frösche sind, da sind auch Störche“, heißt es in einem alten Sprichwort. Das war einmal! Und da im Volksglauben „der Storch die kleinen Kinder bringt“, muss man sich nicht wundern, dass die Geburtenrate bei uns so niedrig ist.
Ich erinnere mich auch an den Laubfrosch, der gerne als Wetterprophet gehalten wurde. Seiner leuchtend smaragdgrünen Hautfarbe und seines „netten“ Gesichtsausdrucks wegen, war er früher der Liebling unter den Fröschen. Der Klettermaxe rutscht auch auf glatten Fensterscheiben nicht ab und springt mit einzigartiger Geschwindigkeit durchs Blättergewirr. Als Wetterpropheten siechten früher unzählige Laubfrösche in Einweckgläsern vor sich hin. Eine Leiterchen war die einzige Ausstattung. Das Geheimnis ihrer Wetterfühligkeit ist einfach zu lüften: Sie stiegen in die Höhe, wenn es ihnen im engen Behälter zu heiß wurde und sie unten keine Luft mehr bekamen. Dann sollte „schönes“ Wetter bevorstehen. Blieben sie im Glas unten sitzen, sollte Regen im Anmarsch sein. Und eine alte Bauernregel besagt: „Wenn im Mai die Laubfrösche knarren, magst du wohl auf Regen harren.“
Das Verhalten der Frösche und Kröten spielte bei unseren bäuerlichen Vorfahren als Wetterprophezeiung eine große Rolle. Besonders im Frühjahr, wenn Frösche und Kröten als „Frühaufsteher“ aus ihrer Winterstarre erwachten, wurden diese Amphibien als Wetterkundschafter angesehen, wobei häufig zwischen Fröschen und Kröten kein Unterschied gemacht wurde. Dies beweist auch die Redensart „einen Frosch im Hals haben“, vielfach bei uns abgewandelt „eine Kröte (Krott) im Hals haben“, wenn einer heiser spricht und nur noch „quaken“ kann.