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Hausbau und Richtfest

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Im Dorf wurde früher ein Haus von allen gemeinsam und unentgeltlich gebaut, selbst die Kinder halfen und reichten Ziegel zu und bekamen als Dank eine Hausbrezel. Ein Haus gehörte Generationen lang derselben Familie, und deshalb tat der Hausherr den ersten Spatenstich beim Bau, schlug den ersten Pfahl ein, legte den Grundstein, oft einen Bruchstein, den er selbst herbeigeschleppt hatte und schlug im First den ersten Nagel ein.

Eine kleine Messe war in manchen katholischen Gegenden der Beginn der Arbeit, auf jeden Fall knieten die Hausleute auf dem untersten Balken und baten um Segen beim Bau und für das Leben in diesem Haus.

Das Richtfest war ein Dank für alle, die beim Bau geholfen hatten. Im Dorf wurden früher von den Nachbarn Geschenkkörbe zum Richtfest ins Haus geschickt ; wer genug Geld hatte, lud selber alle ein.

Der Bauherr wurde acht Tage vor dem Richtfest von den Kindern im Dorf gefragt, ob er feiern wolle, dann machten sie ihm das Krönchen.

Das Richtfest wurde gefeiert, sobald das Dachgebälk aufgerichtet war. Auf die höchste Spitze des Hauses setzten die Zimmerleute dann ein bunt geschmücktes Tannenbäumchen oder brachten den Richtkranz an. Das erinnerte an den Maien, den grünen Birkenzweig, der dem Haus mit seiner Fruchtbarkeit und Lebenskraft Segen bringen sollte.

Das Richtkrönchen war oft geschmückt mit Bändern, seidenen Tüchern, Schnupftüchern, Pfeifen, Brezeln, Münzen oder Blumen. Manchmal hingen auch noch ein Glas und eine Flasche Wein am Richtbaum, und wenn der Zimmermann auf das Dach stieg und seinen Segensspruch gesagt hatte, trank er e in Glas Wein auf das Wohl des künftigen Hausbesitzers und seiner Familie. Dabei gab es allerhand Aberglauben: In Schlesien musste der Zimmermann den Wein in drei Zügen austrinken und danach musste er das Glas auf den Erdboden werfen, weil man einen Gegenstand, den man für eine Weihe benutzt hatte, im Alltagsleben nicht mehr benutzen sollte. Deshalb brachte es Glück, wenn das Glas zersprang.

Wenn der Richtkranz reich behängt war, so warf der Zimmermann das Gebäck oder die Brezeln für die Kinder hinunter, pflückte Tücher und Münzen ab und brachte sie mit hinunter, wo sie denen, die beim Bauen geholfen hatten, verteilt wurden: wenn ein Bursche einem Mädchen eins von den Seidentüchern geschenkt hatte und es dieses sich gleich umband, so war das ein Zeichen dafür, dass es den ganzen Abend lang seine Tanzpartnerin sein wollte.

Wenn Kinder den Richtkranz geschmückt hatten, so liefen sie mit den Sachen herum und versuchten, sie gegen Geld oder Essgeschenke einzutauschen.

Das Essen beim Richtfest war früher so ausgiebig, wie man es sich leisten konnte. Manche luden schon zum Frühstück mit Weißbrot und Butter ein, mittags gab es Fleisch und Bohnen, als Nachtisch Eierstich, Kaffee und Kuchen, dazwischen immer Schnaps und Brezeln für die Kinder. Es wurden auch gerne Erbsensuppen und deftige Eintöpfe serviert.

Das Fest am Abend eröffnete der Zimmermann; er tanzte mit der Kranzjungfrau, dann gab es ein Abendessen, Tanz und Schnaps.

Am ersten Sonntag nach dem Einzug wurden Verwandte und Nachbarn zum Kaffee eingeladen.

Der Einzug fand meistens in einem festlichen Rahmen statt. Freunde oder Nachbarn umkränzten die Tür, ein Nussbaum wurde vorm Haus gepflanzt, weil er vor dem Blitzschlag schützen sollte. Im Garten wurde ein Apfelbaum gepflanzt, am Hausgiebel ein Holunderstrauch, die lebendige Hausapotheke unserer Vorfahren.

Freunde oder Nachbarn backten ein Brot und trugen es mit Salz über die Schwelle, was Segen für das Haus bedeutete und vor Hunger schützte.

Beim Überreichen des Richtkranzes wurde immer ein Segens- oder ein Heischegedicht gesagt, und wenn der Zimmermann oder seine Kameraden geschickt im Reimen waren, so grüßte er die versammelte Gesellschaft der Handwerker, Nachbarn und Freunde mit einem schönen Gedicht.

Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren

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