Читать книгу Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren - Dieter Kremp - Страница 14

Als es noch Eisblumen am Fenster gab

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Wie sich die Zeiten geändert haben! Damals gab es noch keine Zentralheizung. Der Kohleofen brannte in der Küche und in der „gudd Stubb“, wenn Festtage waren. Dann wurde auch mit Scheitholz geschürt. Wenn wir Kinder morgens aufstanden, ging der erste Blick auf die Fenster, um die Eisblumen zu bewundern. Wenn es draußen bitter kalt war, offenbarte sich eine Wunderwelt am Fenster.

Eisblumen am Fenster! Welche Illusionen werden in dem stillen Beschauer geweckt! Er unternimmt eine Traumreise in eine ferne fremdländische Landschaft oder in einen längst versunkenen Urwald aus der Steinkohlenzeit. Vor seinen Augen verschwimmen die zarten Eis- und Schneekristalle. Die mit allerlei Formen und Mustern grauweiß überspielte kalte Glasfläche wird für Minuten zu einem Märchenwald aus Tausendundeiner Nacht. Seltsame Bäume und Sträucher mit bizarren Ästen und knöchernen Zweigen, schwert- und lanzenförmigen Schachtelhalmen, geöffneten Elchblättern, lilienschlanken Blumen in verschiedener Größe und Vielfalt, längst ausgestorbene gefiederte Farnkräuter – und zwischen den wiegenden Lianen sitzen Papageien mit eckigen Schnäbeln: Ein tropisches Bild mitten im Winter, von klirrendem Frost wie von einer künstlerischen Zauberhand auf die Fensterscheiben gemalt.

Und am schönsten ist es abends, wenn das gedämpfte Kerzenlicht warm durch die Fenster in die dunkle Kälte strahlt. Da werden sie lebendig, all die Blumen und Gestalten und tanzen in magischen Spiralen Ringelreihen.

Von der Weisheit und vom Brauchtum unserer bäuerlichen Vorfahren

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