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4. Ackerbaukulturen nach dem Ende der Eiszeiten
ОглавлениеZum Ende der Eiszeiten vor 12.000 Jahren änderte sich das Klima weltweit. Nordeuropa und Amerika, ja sogar Grönland konnten erneut oder erstmals besiedelt werden. Nach der Eisschmelze stiegen die Meeresspiegel; das südostasiatische Sundaland verwandelte sich in das heutige philippinisch-indonesische Inselarchipel. Höhere Temperaturen ließen die Pflanzen besser wachsen, und mehr Lebewesen konnten sich ernähren. Auch die menschlichen Bevölkerungszahlen stiegen. Langsam entwickelte sich gleichsam automatisch Landwirtschaft, und zwar – das ist das Überraschende – an mehreren Stellen der Welt unabhängig voneinander in ähnlicher Weise. Wildlebende Pflanzen, von denen man sich nähren konnte, wurden dadurch, dass man das tat, besser verbreitet, und als man erkannte, dass das so war, auch besser gepflegt. Das Prinzip der positiven Auswahl wurde den Menschen bewusst.
Zuerst entstanden Gärten. Man lernte, Bewässerungen zu entwickeln. Feigenbäume im Jordantal gehörten vor 11.000 Jahren neben Emmer und Einkornweizen zu den ersten kultivierten Pflanzen. Zur Bearbeitung des Ackers hatte man zu Anfang nichts als den geformten Stein oder Stock, erst viel später wurden metallische Geräte verwendet. Zur Vorratshaltung nutzte man Tongefäße. So schuf man Nahrung im Überfluss, und die Bevölkerungszahlen stiegen. Da Orte mit reichlicher Nahrung auch Tiere anzogen, konnte man wilde junge Ziegen oder Schweine einfangen und an den Menschen gewöhnen; Kaninchen, Ratten und Igel kamen von selbst.
Der Beginn von Landwirtschaft war nirgends ein gradliniger Prozess. Plötzlich war man anfällig für Dürrezeiten und Missernten. Die Ernährung wurde einseitig, Mangelerscheinungen traten auf. Haustiere übertrugen Krankheiten. Es wurden Kriege um die Ressourcen geführt. Dennoch war die neolithische Revolution, die eine radikale Änderung der Lebensweise während der Jüngeren Steinzeit herbeiführte, letztlich erfolgreich. Die Region, die man beherrschen musste, um genügend Nahrung zu finden, konnte trotz wachsender Bevölkerung immer kleiner gehalten werden. Es entstanden große Siedlungen, manchmal in enger Nachbarschaft zueinander, und schließlich Städte. Jericho, im Jordantal gelegen, gilt als die älteste Stadt der Welt. Schon vor 12.000 Jahren gab es hier eine Siedlung mit Anzeichen von Ackerbau und Viehzucht, und vor 10.000 Jahren umschloss erstmals eine Mauer das von 2000 – 3000 Personen bewohnte Siedlungsgebiet.
Wie schon erwähnt, entstanden Ackerbaukulturen in verschiedenen Gegenden der Welt. Die ersten entwickelten sich in China, am Jangtsekiang sowie am Gelben Fluss (Hoangho). Von Mittelgebirgen getrennt, liegen diese Flüsse teilweise nur 400 km auseinander, aber in verschiedenen klimatischen Zonen – so wurden ganz unterschiedliche Arten von Pflanzen und Tieren domestiziert. Im Vorderen Orient entstanden die Innovationen längs des sog. Fruchtbaren Halbmonds; er reicht von Palästina über Libanon, Syrien, Ostanatolien bis an das Persische Meer im Süden des Iraks. Von hier aus verbreiteten sich die Kenntnisse nach Anatolien und Europa, prägten Nordafrika und gelangten bis an den oberen Nil. Auch in Indien, in wahrscheinlich vier verschiedenen Gebieten Afrikas und vier verschiedenen Gebieten Amerikas, ja selbst im fernen Neuguinea entstanden Ackerbaukulturen (s. Tab. 9, S. 45).
In den meisten Zentren der landwirtschaftlichen Innovation entwickelten sich einige tausend Jahre später die sog. Hochkulturen. Eine Ausnahme bildet Neuguinea, vermutlich weil die geographische Zerfurchung, das tropische Klima und das Fehlen jeglicher domestizierbarer Tiere größere Menschenzusammenschlüsse verhinderten. Auch die äquatornahen afrikanischen Zentren strahlten nicht so aus wie die erfolgreicheren in Europa und Asien. Die Völker Südostasiens und im Umkreis des Fruchtbaren Halbmonds waren privilegiert. Sie besaßen nicht nur Tiere, die Fleisch, Milch, Wolle und Fell gaben, sondern auch solche, die als Reit-, Zug- und Lasttiere verwendbar waren; das erklärt ihren historischen Vorsprung.
Die Etablierung von Landwirtschaft und Viehzucht war mit einem Mentalitätswechsel verbunden, den man sich gar nicht groß genug vorstellen kann. War man früher Teil der Natur, stand man ihr nun gegenüber; war man früher abhängig von dem, was die Natur lieferte, war man nun jemand, der sie steuern und beherrschen wollte. Man brauchte ein ganz anderes Management, man reagierte nicht nur, sondern plante den gesamten Ablauf von Samenauswahl, Aussaat/Anbau über Pflegemaßnahmen bis zur Ernte und Aufbewahrung der Früchte.