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5. Hirten- und Reitervölker

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Im Allgemeinen war Landwirtschaft die Grundlage für Viehhaltung. Landwirtschaft ist ortsgebunden und kann Nahrungsüberschüsse oder Abfälle produzieren, die für pflanzenfressende Tiere attraktiv sind; einige von ihnen konnten domestiziert werden. Doch gibt es zwei charakteristische Ausnahmen von diesem Szenario: In Gegenden, die keinen Ackerbau erlaubten, im Savannengürtel Afrikas und in den Steppen und Tundren Eurasiens, bildeten sich Hirtenvölker. Zentralostafrika war ein sehr frühes Zentrum für die Domestizierung des Rindes (und zugleich auch eine der Regionen, in denen die Menschen die Fähigkeit erwarben, auch noch als Erwachsene Milchprodukte verdauen zu können – die sog. Laktosetoleranz); das Rind liefert sowohl Milch als auch Fleisch und Häute. Wer mit einer Rinderherde unterwegs ist, hat alles, was er braucht. Für die Massai (ein nilosaharisches Volk in Kenia) ist dies bis heute die vorrangige Lebensweise. Auch die Khoe-Völker Südafrikas kennt man nur als Hirten; sie haben diese Lebensweise offenbar im Kontakt mit Massais erworben, lange bevor sie mit Bantus in Berührung kamen (s. Kap. IV. 6). Hirtenvölker sind Nomaden. Die Nuer und Dinkas im Südsudan ziehen mit Rindern, Kamelen und Ziegen umher, die Somalis mit Kamelen, Ziegen und Schafen, die berberischen Tuaregs mit Kamelen und Ziegen. Als nomadische Hirten leben auch die Jakuten, Tschuktschen und Ewenken der sibirischen Tundra, viele Tibeter, Mongolen und Turkvölker sowie die Samen Nordskandinaviens mit ihren Rentierherden.

Die zweite wichtige Ausnahme stellen die Reitervölker der eurasischen Steppe dar. Sie benutzen das Pferd, das vor etwa 7000 Jahren im Gebiet des heutigen Kasachstan domestiziert wurde. Dabei gelang es, die Hengste an den Menschen zu binden. In der Folge wurden, um Inzucht zu vermeiden, immer wieder wilde Stuten an verschiedenen Orten eingefangen und von einem schon domestizierten Hengst gedeckt. So kam von der weiblichen Seite immer neues Erbgut hinzu, ohne das nur vom Vater geerbte Y-Chromosom zu tangieren (vgl. Warmuth u.a. 2012). – Das Pferd mag zunächst nur als Lieferant von Fleisch und Milch und erst später als Reittier gedient haben. Denkbar ist auch, dass das Bereiten des Pferdes schon bei der Domestizierung selbst geholfen hat. Als Reiter konnte man nun Wildpferde sowie anderes Wild jagen. Vor 5500 Jahren wurde das Pferd bereits als Zugtier verwendet und über die gesamte eurasische Steppe bis weit nach Westeuropa hinein verbreitet. Um die Pferde auch im Winter zu versorgen, mussten die Pferdehirten entweder durch eigenen Anbau Vorräte für den Winter anlegen (Heu und Gerste) oder sie mussten den Winter an Orten zubringen, in denen es entsprechende Landwirtschaft gab. Pferdezucht konnte nur im Umfeld von Landwirtschaft entstehen.

Einige Reiterstämme entwickelten sich zu kriegerischen Nomadenhorden: die Hyksos 1700 vC, die Skythen, Sarmaten und Hunnen um das Jahr Null, die Magyaren um 900, Tungusen im 12. Jh., Mongolen im 13. Jh. und Türken im 15. Jh. Aus Eisen schmiedeten sie Waffen, Rüstungen und Streitwagen. Sie überfielen landwirtschaftliche Stätten, um an die nötigen Vorräte zu kommen, konnten so aber langfristig keine stabile Lebensweise erreichen. Sie blieben an den Orten mit Landwirtschaft, wo sie bald integriert wurden, oder sie verschwanden wieder in der Steppe.

Die Reitervölker der eurasischen Steppe partizipierten an den landwirtschaftlichen Zentren – entweder insofern, als es sich um nomadisierte frühere Ackerbauern handelte, oder weil sie im Winter einen Zugang zur Landwirtschaft benötigten, um ihre Pferde zu ernähren. Dies hat dazu geführt, dass die uralischen Sprachen und die Altai-Sprachen (Türkisch, Mongolisch und Tungusisch) heute zu den großen Sprachfamilien gehören.

Ähnliches gilt für die indoeuropäischen Sprachen. Unabhängig von der Frage, ob sie in den Steppen der heutigen Ukraine oder in Anatolien entstanden ist, hat diese Sprachfamilie von Anfang an zu den Nutznießern der Landwirtschaftsentwicklung gehört. Spätestens im 4./3. Jahrtausend vC traten die Vertreter der anatolischen Sprachen (eines Zweigs des Indoeuropäischen, bestehend aus Hethitisch, Luwisch, Lykisch u.a.) in Erscheinung. Die Hethiter selbst bildeten nur eine herrschende Schicht, die die Sprache und die politische Kultur dominierte (sie herrschten bis ins 12. Jh. vC); die Einheimischen waren in der Mehrzahl nicht-indoeuropäische Hattiter, die man allerdings nicht mehr genauer identifizieren kann. Da die zugewanderten Eroberer genetisch offenbar keinen großen Beitrag geleistet haben, ist die Idee, dass es kleine Reiterhorden waren, die sich hier niederließen, nicht von der Hand zu weisen. Sie wurden durch spätere Ereignisse an den Rand gedrängt, wie die Hethiter selbst, oder sie konnten sich sprachlich und politisch durchsetzen, wie die Magyaren in Ungarn und die Türken in Anatolien.

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