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1.8 Wie aus Schmerz Leid wird

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Auch starken Schmerz kann man ausblenden

Habe ich Ihnen eigentlich schon von meinem letzten Skiurlaub erzählt? Ich konnte dabei einige wichtige psychologische Erkenntnisse noch einmal sehr eindrucksvoll am eigenen Leib nachvollziehen. Gleich am ersten Tag stürzte ich heftig und zog mir ein dickes, handflächengroßes Hämatom über der rechten Hüfte zu (dessen Ausläufer dann in den nächsten Wochen bis hinab in die Kniekehle wanderten). Glauben Sie mir – das waren richtig starke Schmerzen, bei jeder Bewegung des Beines, beim Drehen im Bett und vor allem beim Sitzen. Das Merkwürdige aber war: Diese starken Schmerzen haben mich in meiner Stimmung praktisch nicht beeinträchtigt. Das Wetter war hervorragend, die mitgereisten Leute unterhaltsam. Ich war oft abgelenkt. Beim Skifahren spürte ich die Schmerzen überhaupt nicht, sie waren tatsächlich zu 100 Prozent ausgeblendet.

Am meisten schmerzt die Angst

Am vierten Tag dann wachte ich mit einem ganz leichten Schmerz im linken Knie auf. Das nun verdarb mir sofort die Laune, und zwar mächtig. Ständig bewegte ich das Knie hin und her: Tut es immer noch weh? Ja – verdammt! Ich grübelte herum: Kann ich damit weiterfahren? Gewöhnt sich das Gelenk an die Belastung oder wird es schlimmer? Ruiniere ich mir am Ende das ganze Knie? Ist der Skiurlaub für mich jetzt zu Ende? Werde ich womöglich gar nicht mehr Skifahren können? Nein – bis zum Rollstuhl trieb ich meine Sorge nicht. Schließlich entschied ich mich missmutig für einen Pausentag. Alle anderen haben jetzt Spaß beim Fahren – nur ich nicht .

Die gedankliche Verarbeitung entscheidet

Der Kontrast hätte größer und eindrucksvoller nicht sein können. Unter einem wirklich starken Schmerz litt ich praktisch überhaupt nicht, während ein sehr viel geringerer Schmerz starkes Leiden bei mir verursachte. Das macht eines sehr deutlich: Unsere Gefühlsreaktionen auf äußere und innere Ereignisse hängen offenbar stark davon ab, wie wir gedanklich damit umgehen. Von dem Hämatom-Schmerz wusste ich sicher, dass er harmlos ist, keinerlei Schonung erforderlich macht und sich das Ganze vollständig ohne jede Nachwirkung zurückbilden wird.

Ungewissheit erzeugt Angst

Bei dem leichten Knieschmerz war das ganz anders. Das Knie ist für das Skifahren und die Fortbewegung insgesamt ein ebenso zentrales wie verletzliches Körperteil. Aufgrund meiner mangelnden orthopädischen Erfahrung war ich mir hinsichtlich der Bedeutung der Schmerzen und der nötigen Konsequenzen für mein Verhalten unklar. Es hätte doch sehr unangenehme Folgen haben können, etwas Falsches zu tun. Entsprechend kam es zu einer übermäßigen Beachtung des Schmerzes (Hyperreflexion), zu katastrophisierenden Zukunftsgedanken und gefühlsmäßig zu einer Mischung aus Ärger und Angst. All dies gab diesem kleinen Schmerz viel Raum, verstärkte ihn in Teufelskreisen und erzeugte zusätzliche negative Gefühle. Was lernen wir daraus?

Leid ist ein im Spiegelkabinett des Bewusstseins durch das Denken vervielfachter Schmerz. Wenn wir diese Prozesse besser verstehen und beherrschen lernen, können wir viel unnötiges Leid vermeiden.

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