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Piye auf dem Weg zum Hohen Sand

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Von diesen Ereignissen, die sich um 725 v. Chr. abspielten und nach einem wechselhaften Verlauf zur Eroberung der Metropole Memphis führten, erzählt die Inschrift der Siegesstele des Piye (heute im Museum von Kairo). Sie war im Anschluss an die erfolgreiche Unternehmung im Amun-Tempel vom Gebel Barkal in der nubischen Hauptstadt Napata (im heutigen Sudan) aufgestellt worden. Konkret geht es in dieser Inschrift um den Sieg über den libysch-ägyptischen Fürsten Tefnacht. Dieser Triumph war aber nicht das Ende der Geschichte: Piye reihte sich nun in die lange Reihe von Besuchern des Tempels von Heliopolis ein. Der Sieger setzte viel daran, im Norden auch ideologisch akzeptiert zu werden. Piye und vor allem seine Nachfolger stellten sich in die Nachfolge des pharaonischen Königtums, und dazu gehörte eben, dass sie heilige Stätten besuchten.

Dem neuen Herrscher war bewusst, dass es im Norden zwei Orte gab, an denen er erscheinen musste, wenn er in Ägypten als Herrscher anerkannt werden wollte. Neben der alten Königshauptstadt Memphis war dies der Sonnentempel von Heliopolis. Nachdem Piye also bereits mit großem Aufwand die Zentren Theben (mit seinen Heiligtümern für den Gott Amun in Karnak und Luxor) und Memphis (mit seinem Großsanktuar für Ptah) besucht hatte, setzte er – er hatte die Nacht in Memphis verbracht – am frühen Morgen mit seinem Gefolge nach Cher-aha über (im heutigen Alt-Kairo). Diesem Punkt kam strategisch große Bedeutung zu, da sich hier erstmals der Wüstenrand vom Flussbett trennt und ein Kanal, der „Kanal des Herrschers“, in nordöstlicher Richtung den Weg nach Heliopolis weist. Nach einer Übernachtung reiste der Tross auf diesem Weg in aller Frühe in Sichtweite des Gebel Ahmar, der auch schon im 2. Jahrtausend v. Chr. so genannt wurde: der rote Berg (heute lässt sich nur noch ansatzweise erahnen, wie eindrucksvoll das braunrote Felsmassiv damals aus dem hellgelben Sand und dem weißlichen Kalkstein der Umgebung hervorstach), und erreichte Heliopolis und seine gewaltige Tempelumfassung von 1150 auf 950 Metern zum Sonnenaufgang. Auf dem östlich angrenzenden Wüstengrund erkannte man von Weitem schon die heliopolitanische Nekropole: Hunderte von Lehmziegelkapellen verschiedenen Alters und von unterschiedlichem Erhaltungszustand. Die ältesten waren schon damals gut 1500 Jahre alt, und einigen sah man an, dass den Erbauern schon lange keine kultischen Handlungen mehr zuteil geworden waren. Vom Tempel selbst sahen die Besucher zunächst wohl wenig. Der Blick auf die meisten Gebäude wurde durch die gewaltige, mehr als 15 Meter hohe Umfassungsmauer Ramses’ II. verwehrt, deren Südflanke etwa 1100 Meter maß. Nur die größten Obelisken überragten mit ihren vergoldeten Spitzen diese um 1250 v. Chr. errichtete Umfassung.

Mit dem Eintritt in den Tempelbezirk begannen die vorbereitenden heiligen Handlungen. Schutzzauber wurden gesprochen, die Priesterschaft öffnete die inneren, der Öffentlichkeit verschlossenen Tempelbereiche. Schließlich erreichte der König den Ort, den die Inschrift der Siegesstele den „Hohen Sand“ nennt, und verrichtete dort das Opfergebet für den Sonnengott:

Seine Majestät wandte sich dem Pavillon zu, der auf der Westseite des Ity-Kanals lag. Man vollendete seine Reinigung, man reinigte ihn in Schi-qebeh, man wusch sein Angesicht in dem Fluss des Nun, wo auch Ra sein Angesicht wäscht.

Seine Majestät wandte sich dem „Hohen Sand“ von Heliopolis zu: Durchführen eines Großopfers gegenüber dem Sonnengott Ra, wenn er aufgeht, bestehend aus weißen Rindern, Milch, Myrrhe, Weihrauch und allen Balsamen aus süßen Düften.

Sich begeben zur Tempeldomäne des Ra: Eintreten in den Tempel unter großen Akklamationen, der Vorlesepriester verehrt den Gott – Vertreiben der Feinde des Königs, Vollziehen der Riten des Morgenhauses, Lösen des Riegels. Man reinigt ihn mit Weihrauch und Wasser, man überreicht ihm die Girlanden des Benben und man bringt ihm die Anch-Salben.

Betreten der Treppe, die auf den Großen Balkon führt, um Ra zu sehen im Benben-Haus. Der König nähert sich in Person alleine, bricht das Siegel, öffnet die beiden Torflügel und sieht seinen Vater Ra im heiligen Benben-Haus, die Morgenbarke des Ra und die Abendbarke des Atum.

Schließen der beiden Torflügel, Anbringen des Tones und Siegeln des eigentlichen Königssiegels, und die Priester anweisen (mit den Worten): „Ich, ich gab das Siegel an seinen Ort, damit keine andere Person darin Zutritt erhalte, unter all den Königen, die an die Macht kommen werden.“

Es warfen sich (die Priester) auf ihre Bäuche vor seiner Majestät und sie sprachen: „Fest und dauerhaft. Möge Horus, geliebt von Heliopolis, nicht untergehen.“

Betreten des Bezirks des Atum und Darbringen von Myrrhe zu seinem Vater Atum-Chepri, Herrscher von Heliopolis.

Mit diesem Zeremoniell endete die Selbstvorstellung des nubischen Eroberers Ägyptens. Auch für den Fremden war es selbstverständlich, dass eine Herrschaft in der Nachfolge der Pharaonen die Rechtfertigung durch den Schöpfergott benötigte. Zugleich schloss er hiermit seine Besuche in den zentralen Tempeln Ägyptens, mit denen er die Akzeptanz der ägyptischen Bevölkerung erstrebte, ab.

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