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1.2 „Metropolisierung“ und „Entwicklung“: Die Vorgehensweise
ОглавлениеEs ist genau dieser zuletzt genannte zentrale Aspekt der Entwicklung, der im Mittelpunkt dieser Darstellung stehen soll. „Entwicklung“ soll hier als Partizipation eines immer größeren Anteils der Bevölkerung eines Landes (und einer Stadt) an dem wachsenden materiellen, sozialen und kulturellen Wohlstand verstanden sein. Für den angestrebten weltweiten Vergleich von Metropolisierungsprozessen im Kausalzusammenhang mit dem jeweils erreichten, bis heute jedoch sehr unterschiedlichen Entwicklungsstand des betreffenden Landes sowie der Metropole selbst erscheint es sinnvoll, die demographische (Thesen 4–6), funktionale (Thesen 7–9), globale Dimension (Thesen 10–11), wie in besonderem Maße auch die Partizipation(smöglichkeit) der metropolitanen Bevölkerung am Entwicklungsprozess (These 8, 9 u. 12) an Fallstudien zu vertiefen.
Bei der Auswahl erscheint folgende Vorgehensweise sinnvoll und geboten:
Die ausgewählten Megastädte sollten von einer vergleichbaren Größenordnung sein. Das bedeutet u.a., dass Tokyo als die, lange Zeit, mit Abstand größte unter allen Megastädten aus der Auswahl von vornherein ausscheidet.
Sie sollten den im internationalen Maßstab unterschiedlichen Gesamtentwicklungsstand ihres Landes – so weit als möglich – repräsentieren. Dieses Postulat beinhaltet die Prüfung der nationalen funktionalen Primacy der Megastadt.
Zweifelsohne ist der Terminus „Gesamtentwicklungsstand“ äußerst komplex. Hier sollen (zunächst) nur die Indikatoren des nominalen und realen (= kaufkraftbereinigten) BSP/Kopf zur Erfassung des Entwicklungsstandes zugrunde gelegt werden.
Die ausgewählten Megastädte sollten die wesentlichsten historischen wie funktionalen Raumtypen auf der Erde repräsentieren. Dazu gehören sowohl Alter, Entstehung und Lage (Binnen-/Außenorientierung) als auch ihre Bedeutung als Repräsentant wichtiger Funktionen, wie Hauptstadt-, Wirtschafts-, Kulturmetropole u.a.
Da Metropolisierung als integraler Bestandteil von „Entwicklung“ anzusehen ist und somit die Partizipation der Betroffenen im Mittelpunkt dieser Darstellung steht, sollten möglichst viele Lebensbereiche mittels Indikatoren abgedeckt sein. Begrifflich muss mit verfügbaren und gleichzeitig vergleichbaren, d.h. in der Praxis oft mit „einfachen“ Indikatoren gearbeitet werden.
Kern einer solchen Betrachtung ist naturgemäß die inhaltliche Auswahl. Aufgrund der angestrebten internationalen Vergleichbarkeit ist sie von vornherein auf die eingeschränkte Datenverfügbarkeit begrenzt. Wichtige Indikatoren wie z.B. Einwohner-/Arbeitsplatzdichte, Pendlerströme usw. können, da als Datenreihen nicht weltweit verfügbar, somit keine Berücksichtigung finden.
Räumlich erscheint es sinnvoll zwischen den vier Raumkategorien Kernstadt, Kerngebiet, Metropolitane Agglomeration und Metropolitane Region zu unterscheiden. Die räumliche Festlegung bereits der Kernstadt, als Ausgangspunkt des Metropolisierungs-prozesses von besonderer historischer Bedeutung, im Zeitablauf ist in vielen Fällen sicherlich diskutabel. Beispiel: Ohne Zweifel erfüllte die flächenmäßig kleine (38 km2) „City of Manila“ die Funktion einer Kernstadt für die gesamte Metropolitane Region der Megastadt Manila bis weit in das 20. Jh. hinein. Erfüllt sie aber auch gegenwärtig noch diese Funktion? Auch dieser „Raumtyp“ sollte daher vertreten sein.
Zeitlich gebietet es der Rahmen dieser Untersuchung, sich auf das 20. Jh. zu beschränken. Der Schwerpunkt der Analyse soll auf die jüngste Entwicklung, auf die Periode nach 1960, gelegt werden. Um Veränderungen und Entwicklungsprozesse vergleichbar erkennen und deuten zu können, sollen die gegenwärtigen Gebietsabgrenzungen zugrunde gelegt werden.
Mit Seoul, Mumbai, Mexico City und New York wurden die nach Tokyo nächstgrößten Megastädte (2000: s. Tab. 18) für die vergleichende Analyse ausgewählt. Sie vertreten zugleich vier der sieben Haupt-Kulturkreise der Erde. Zugleich repräsentieren sie auf mondialer Maßstabsebene je ein wirtschaftliches Entwicklungsstadium:
New York (USA) = altes Industrieland
Seoul (Südkorea) = junges Industrieland
Mexico City (Mexiko) = Schwellenland
Mumbai (Indien) = Entwicklungsland.
Kasten 1 Tenochtitlán/Mexico City: Sagenumwobene Gründung der Azteken – Spanische Kolonialmetropole – 180-jährige Hauptstadt der República de México
Mexico City ist die älteste Stadt unter den vier heutigen Megastädten. Als das Nomadenvolk der Azteken, die sich selbst Mexica nannten, aus dem ariden Norden um 1300 das Becken von México erreichten, fanden sie die fruchtbare Kulturlandschaft der Mesa central bereits besetzt, in der Hand verschiedener Stadtstaaten, vor. Als Siedlungsraum blieben ihnen nur die Ufersümpfe und flache Inseln im salzhaltigen Texcocosee. Hier, auf einer Schilfinsel, gründeten sie in dem Zeitraum zwischen 1320 und 1350 Tenochtitlán (Prem 1996: 47). Der Legende nach soll der Name vom Stammesgott Huitzilopochtli herrühren. Dieser habe befohlen, eine Stadt an einem Ort zu gründen, wo aus einem Felsen (tetl) ein Feigenkaktus (nochtli) wachse, auf dem wiederum ein Adler sitze, der eine Klapperschlange im Schnabel halte – ein Bild, das später zum Staatswappen von Mexiko erklärt wurde und bis heute die Nationalflagge ziert.
In den folgenden Jahrzehnten machten sich die Azteken weite Gebiete des Landes bis an die Golfküste und Guatemala tributpflichtig. Ihre Hauptstadt bauten sie „zu einer glänzenden Metropole mit Pyramiden, Tempeln, Palästen und Marktplätzen (aus). Dazu mussten sie beachtliche Leistungen im Wasserbau vollbringen, denn der nur wenige Meter tiefe See schwoll während der Regenzeit oft so stark an, dass große Teile der Inseln überflutet wurden. Zum Schutz wurde … um 1440 ein etwa 16 km langer Deich gebaut … Weitere Dämme und Aquädukte zur Trinkwasserversorgung verbanden die Stadt mit den älteren Städten am Ufer, die längst zu Stadtteilen von Groß-Mexiko geworden sind“ (ibid: 36f.; Abb. 3).
Die Metropole – mit seinerzeit (um 1500) ca. 80.000 Einwohnern war sie größer als sämtliche Städte des „Mutterlandes“ – versetzte die spanischen Conquistadoren in grenzenloses Erstaunen. „Diese Stadt ist so groß und schön, dass ich über sie kaum die Hälfte sagen werde, was ich sagen könnte, und selbst dieses Wenige ist fast unglaublich, sie ist noch schöner als Granada“, soll ihr Anführer Hernán Cortés gesagt haben. Das hinderte die Spanier aber nicht, das städtebauliche Kleinod vollständig zu zerstören. Zum Zeichen ihrer Macht setzten sie „ihre Kirchen auf die zuvor gründlich eingeebneten Pyramiden … und die Kathedrale direkt neben die ehemalige Hauptpyramide des Templo Mayor. Die Zerstörung war so radikal, dass auch bei den intensiven archäologischen Grabungen seit 1978 die ursprünglichen Maße der Tempelanlage nicht mehr festgestellt werden konnten“ (ibid.: 37). Cortés selbst ließ seine Residenz auf den Ruinen des Palastes von Moctezuma II., des letzten und von ihm ermordeten Aztekenherrschers, an der zentralen Plaza, dem Zocalo, mit 4 ha einer der größten und eindrucksvollsten Plätze der Erde, erbauen.
Abb. 3: Tenochtitlán – Insel und städtische Bebauung um 1521
Kasten 2 Hansong/Seoul: Geomantisch bestimmte 600-jährige Hauptstadt Koreas
Die Königsstadt Seoul verdankt ihre Gunstlage und nachfolgende strukturelle und funktionale Ausgestaltung (Abb. 4) dem Zusammentreffen zweier Faktoren: Erstens der ostasiatischen Tradition, dass jede an die Herrschaft gelangte Dynastie ihre neue Hauptstadt wählte (Dege 1992: 93). Zweitens einer im Orient verwurzelten Idee, die um diese Zeit über andere religiöse Anschauungen dominierte, der Geomantik. „Gemäß dieser Theorie bestimmen Landschaft, Lage der Städte, Paläste und Wohnviertel, ja sogar die Grabstätten der Vorfahren, das Schicksal der Menschen. Gedeih und Verderb eines Landes wurde von der günstigen Lage seiner Hauptstadt abhängig gemacht und das Glück des Einzelnen von der Lage seines Wohnsitzes oder der Grabstätte seiner Ahnen. So wurde jeder Palast, die öffentlichen Regierungsgebäude, die Tempel und Privathäuser streng nach dieser Theorie erstellt“ (Kim 1963/1979: 102).
Nach mehrjähriger Suche durch semantische Experten wurde schließlich der ideal erscheinende Platz gefunden: ein von drei Seiten von Gebirgszügen eingerahmtes intramontanes Becken nördlich des Han-Flusses. Dessen sich nach Westen erstreckende Aufschüttungs-(Kimpó-)ebene bot als landwirtschaftliches Gunstgebiet (Reisanbau) zusammen mit dem Fischfang vor der nahe gelegenen Küste ideale Voraussetzungen für die Versorgung der Hauptstadt. Zugleich kreuzten sich hier die wichtigsten Verkehrswege: vom Südosten die von Japan nach China führende Route mit der von den agraren Überschussgebieten im Südwesten in den an Bodenschätzen reichen Nordosten führende Route (Dege 1992: 93). 1396 wurde die neu gegründete Hauptstadt Hansong (= Festung am Han) mit einer 23 km langen Mauer mit 8 eingelassenen Stadttoren umgeben (ibid.: 94), fünf sind bis heute erhalten. Seinen jetzigen Namen bekam Seoul (= Hauptstadt: Adams 1977: 53) erst Ende des 19. Jh.s.
Dege (1992: 94f.) charakterisiert die Rolle Seouls bis Ende des 19. Jh.s wie folgt: „Als Hauptstadt eines nach außen abgeschlossenen, selbstgenügsamen Agrarlandes war die Funktion Seouls weitgehend auf Verwaltungsfunktionen beschränkt. Diese Funktionen reichten allerdings über ein streng hierarchisch gegliedertes Verwaltungssystem bis in die entlegensten Winkel des Reiches. Demgegenüber war Seoul weder ein Manufaktur- noch ein Handelszentrum, da die Teilregionen des Landes wirtschaftlich weitgehend autark waren. Handwerk und Handel dienten lediglich der Versorgung des Hofes. Aus diesem Grund blieb die Einwohnerzahl während der 500-jährigen Hansŏng-Periode relativ konstant zwischen 100.000 und 200.000. Auch nach 500 Jahren hatte die städtische Bebauung noch nicht den ursprünglichen Mauerring gesprengt.“
Abb. 4: Hansŏng (Seoul während der Chosŏn Dynastie)
Kasten 3 New York: Von der Pelzhändlersiedlung Nieuw Amsterdam zur Global City
„Insel im Mündungsgebiet zweier Flüsse. 21,5 km lang, 1,3 bis 3,7 km breit. Gesamtfläche 57 km2. Verkehrsgünstige Lage, geschützte Bucht, Anbindung zum Atlantik. Kaufpreis 24 $. Keine Maklergebühr!“
Lang, lang ist es her, dass es solche Schnäppchen auf dem Immobilienmarkt gab (Metzger 2000: 8). Tatsächlich ging dieser Handel 1626 über die Bühne, als der Holländer Peter Minuit ein schicksalhaftes Geschäft mit den dort ansässigen Alonquin-Indianern machte: Er tauschte gegen ein paar Glasperlen, Messer und Beile – Gesamtwert ca. 60 Gulden – die gesamte Insel „Mannahatta“ ein. Keiner konnte ahnen, dass Manhattan zum berühmtesten Stadtteil der Global City schlechthin avancieren würde.
Dabei ging es – eine Parallele zu Bombay – den meisten Bewohnern der jungen holländischen Siedlung mit ihren Grachten und dem „Stadt Huys“ vor allem ums Geschäft. Was der einen die Ostindische Kompanie war, war der anderen die Holländisch-Westindische Kompanie, die sich vom Handel mit der „Neuen Welt“ satte Profite erhoffte – ebenfalls größtenteils auf Kosten der einheimischen Bevölkerung, hier: der Indianer. „Im Gegensatz zu anderen Gruppen, die nach Amerika auswanderten, weil sie hehre Ideale verwirklichen oder in religiöser Freiheit leben wollten, waren die Bürger von Nieuw Amsterdam nur von einem Wunsch beseelt; in der Neuen Welt bessere Geschäfte zu machen als in der Alten … Als der letzte Gouverneur, Peter Stuyvesant, Nieuw Amsterdam 1664 kampflos an die Engländer übergeben musste, war die Stadt wirtschaftlich in gutem Zustand und wiederum ein Schnäppchen, über das sich die Engländer freuen konnten“ (ibid.: 8–9).
Bis zum Aufstieg zur „Global City“ dauert es noch (fast) 200 Jahre: Noch bis 1825 war New York die kleinste unter den vier Megastädten (Abb. 5). Dann aber ging alles ganz schnell – auch durch den Handel, vor allem aber durch den massenhaften Zustrom europäischer Einwanderer seit den 1830er-Jahren: Es begann mit den (als Katholiken ungeliebten) Iren; bis Ende des Jahrhunderts waren mehr als 100 Nationen in New York ansässig. Die Einwohnerzahl stieg in 75 Jahren um mehr als das 20-fache auf 3,437 Mio. an; New York war damit, nach Chicago, die am schnellsten wachsende Stadt der Erde in dieser Zeit. Damit ließ die junge Großmetropole nicht nur die drei übrigen weit hinter sich (s. Tab.11), sondern das „Babylon der Neuzeit“ (und Gegenwart) war sowohl ethnisch als auch wirtschaftlich mit ihrem nach London größten Hafen zur Global City aufgestiegen – übrigens seit Mitte des 19. Jh.s nicht nur mit dem ersten Warenhaus (Department Store) überhaupt (1858: Macy), sondern auch mit einer lebendigen Kulturszene ausgestattet.
Abb. 5: New York: Siedlungsentwicklung 1625–1783–1813–1868–1898–1918–1954
Kasten 4: Mumbai (Bombay): Von einer kolonialherrschaftlichen Mitgift zur „Urbs Prima in India“
Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut – Bombay auf sieben Inseln (Abb. 6). 1534 wurden die „Sieben Eilande“ nach einem Kampf von Sultan Bakadur von Gujarat an die Kolonialmacht Portugal abgetreten. 130 Jahre später schlossen das von Spanien bedrohte Portugal und die aufkommende koloniale Großmacht England eine vorübergehende Allianz – besiegelt durch die Heirat zwischen Charles II. und Infanta Donna Catharina von Braganza (1661). Als Teil der Mitgift der Braut wechselte die Fischersiedlung Mumbai (Mumba Ai = „große Mutter“ – Schutzgöttin der einheimischen Fischer), von den Portugiesen Bombay genannt (port. „Bom Bai“ = gute Bucht) kampflos in englische Hand über (Nissel 1977:8–14). Damals konnte niemand ahnen, welche Bedeutung die sieben kleinen Inseln einmal erreichen würden: 335 Jahre später ist Mumbai demographisch wie funktional zur bedeutendsten Stadt des Kulturerdteils Südasien avanciert.
Seinen Aufstieg zur „Urbs Prima in India“ (ESCAP II 1982: 35) verdankt Mumbai in erster Linie seiner Lage an der Europa, vor allem der Kolonialmacht England zugewandten Westküste mit dem hier mit Abstand besten Hafen. Angesichts einer Wassertiefe von 10 m bot die 180 km2 große, 20 km tief landeinwärts dringende Bucht „Thana Creek“ bis zum Aufkommen der Supertanker einen idealen, sturmgeschützten Standort. Diese besondere Gunstlage veranlasste die Engländer die Inseln rasch in Besitz zu nehmen und fünf Jahre später der 1600 gegründeten „East India Company“ zu übertragen. Der industrielle Aufschwung Bombays war unmittelbar verknüpft mit der verkehrlichen Erschließung der Baumwollgebiete im westlichen Deccan mit Mumbai als dem Ausfuhrhafen für Rohbaumwolle für die Textilindustrie in Lancashire. Von Mumbai aus wurde die erste Eisenbahnlinie Asiens – 1856 bis Thane – gebaut. Im Gefolge des amerikanischen Bürgerkrieges (1861–1865) – er bedingte eine Unterbrechung der Baumwollexporte von Nordamerika nach Europa–und der durch die Fertigstellung des Suezkanals (1869) erfolgten direkten Anbindung an Europa wurde Mumbai Hauptsitz des Baumwollhandels (Börse) und gleichzeitig der Baumwollindustrie mit großen Spinnereien und Webereien im Norden der Stadt. Die Stadt avancierte zur wichtigsten indischen Hafenstadt und zum Hauptumschlagplatz der indischen Textilindustrie wie des Baumwollhandels mit Europa (Wamser 2002: 6). Zählte die Kernstadt (Mumbai City) 1813 180.000 Einwohnern, zu Beginn des 19. Jh.s immerhin fast so viele Einw. wie Berlin, so gehörte es mit über 500.000 Einw. um 1850 bereits zu einer der größten Städte der Erde überhaupt – in Europa nur von London und Paris übertroffen (Bronger 1986: 57; s. Tab. 11).
Abb. 6: Die sieben ursprünglichen Inseln von Bombay um etwa 1700
Dies findet seinen Niederschlag im nominalen wie realen BSP/Kopf des betreffenden Landes (Indexwerte: USA = 100, Angaben für 2000, errechnet n. World Development Report 2002: 232f.; Tab. 2).
Wie die Kurzbiographie der vier Städte (Kästen 1–4) bereits andeutet, stehen den im Wesentlichen kulturgeschichtlich bedingten Unterschieden in der Entstehung und Entwicklung bereits eine Reihe von Gemeinsamkeiten gegenüber – und beide bedingen sich wechselseitig: Vor allem die naturvorgegebene Standortgunst – zumeist geschützter Hafen in Verbindung mit einem großen (und möglichst reichen) Hinterland, beides in günstiger Verkehrslage – veranlasste fremdländische Kolonialmächte (in bedeutend weniger Fällen waren es auch einheimische Herrscher), zur Ausbreitung ihrer politisch-wirtschaftlich motivierten Herrschaft in vielen Ländern der Erde nur eine begrenzte Anzahl von Siedlungen vorrangig zu entwickeln. Nachdem der weltweite Handel seit dem 18. Jh. in Schwung gekommen war, florierten die Hafenstädte bedeutend rascher, was im 19. Jh. in der Bevölkerungsentwicklung zwischen Mexico City und Seoul auf der einen und Mumbai sowie insbesondere New York auf der anderen Seite seinen Niederschlag findet. Diese Frage des Zusammenhangs zwischen Entwicklung und Globalisierung, hier nur eben angedeutet, wird uns noch zu beschäftigen haben.
Eine andere Frage ist, ob und inwieweit die Megastadt den Entwicklungsstand des betreffenden Landes widerspiegelt. Hier bewahrheitet sich das Theorem des Kausalzusammenhanges zwischen Entwicklungsstand eines Landes und Ausmaß der Primatstellung seiner Metropole: Je höher der ökonomische Entwicklungsstand, desto geringer ist das Ausmaß der funktionalen (hier: wirtschaftlichen) Primacy der Megastädte. Für unsere Megastädte ergeben sich die in Tab. 2 aufgeführten Einkommens- bzw. Wirtschaftsleistungs-Indexwerte.
Tab. 2: Wirtschaftliche Primatstellung der vier Megastädte in Abhängigkeit vom Entwicklungsstand des Landes: New York – Seoul – Mexiko City – Mumbai
Die Zahl der Untersuchungsindikatoren basiert, gemäß dem Verständnis von „Entwicklung“ als multidimensionalem Prozess, auf einer breiten Palette von Faktoren, die sich aus allen wichtigen Lebensbereichen rekrutieren: Bevölkerung, Wirtschaft, Verkehr, Kommunikation, Bildung, Gesundheit sowie Lebenssituation der Menschen. Die Auffassung, dass sich die Partizipation der betroffenen Bevölkerung am Metropolisierungsprozess gesellschafts- und (zugleich) raumdurchdringend vollziehen muss, impliziert, dass die genannten Indikatoren bzw. Entwicklungsmerkmale getrennt nach den vier Raumkategorien, d.h. für die Kernstadt, das Kerngebiet, die Metropolitane Agglomeration sowie die Metropolitane Region im Zeitablauf erhoben wurden. Die Auswahl der Indikatoren erfolgte nach der Relevanz für die hier zugrunde liegende Fragestellung, aber auch im Hinblick auf die Datenverfügbarkeit und -vergleichbarkeit für die vier Megastädte.