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3.2 Metropolen im Mittelalter? – Fehlanzeige

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Der Verfall des Imperium Romanum, der Einbruch des Islam nach Europa und die damit fast vollständige Abschnürung West- und Mitteleuropas vom Mittelmeerraum und seinen Handelswegen hatten den Niedergang der antiken Stadtkultur zur Folge. Als große Städte konnten sich auf europäischem Boden nur Konstantinopel als Hauptstadt des Oströmischen Reiches und (später) Córdoba als Sitz des gleichnamigen Emirats (ab 756 n. Chr.) und ab 929 n. Chr. des gleichnamigen Kalifats etablieren. Ersteres konnte seinen metropolitanen Charakter etwa bis zur Jahrtausendwende behaupten (Tab. 7); Letzteres Bedeutung als geistiges und kulturelles Zentrum des Islam („Mekka des Westens“) war sehr viel kurzfristiger: Sein Abstieg begann bereits nach dem Sturz der omaijadischen Merwaniden (1010 n. Chr.). Ihre damalige Einwohnerzahl hat die Stadt bis heute nicht wieder erreicht.

Bis gegen Ende des ersten Jahrtausends war das chinesische Chang’an immer noch die größte Stadt der Erde; um 800 n. Chr. soll sie etwa 800.000 Einw. gezählt haben (Chandler/Fox 1974: 58). Seinerzeit soll Kyongju, erste gesamtkoreanische Hauptstadt, Residenz der Shilla-Dynastie (57 v. Chr. – 935 n. Chr.) und als Ebenbild von Chang’an großzügig-luxuriös ausgebaut, nach Chang’an und Konstantinopel die drittgrößte Metropole gewesen sein (Dege 1992: 24).

Zwar brachten das 12. bis 14. Jh. eine große Vielfalt von Städten gerade auch in Mitteleuropa und Italien hervor (Schäfers 1977: 249ff.), die Größe der antiken Megastädte wurde aber selbst von den bedeutendsten unter ihnen, Paris, Neapel, Venedig und Mailand, nicht annähernd erreicht. Eine wesentliche Ursache war hierfür lange Zeit das Fehlen von überregionalen Staatenbildungen, die größere Zeitperioden überdauerten. Die Charakterisierung von Ennen, „erst die mittelalterlichen Städte von rund 20.000 Einw. besaßen einen wirtschaftlich weiten Aktionsradius und vollen Großstadtrang“ (1956: 782), illustriert treffend die Situation. Über einen Zeitraum von 1500 Jahren hatte sich der abendländische Kulturkreis von der Existenz von Megastädten verabschiedet.

Bis zum Beginn der Neuzeit nahmen die Megastädte Asiens die vorderen Plätze unter allen Städten der Erde ein (Tab. 8). Dabei ist das 1453 n. Chr. von den Osmanen, einem asiatischen Turkvolk, eroberte Konstantinopel („Zweites Rom“), da islamisch geprägt, nicht mehr dem abendländisch-europäischen Kulturkreis zuzurechnen. Ihre Brückenstellung zwischen den beiden Kontinenten hat die erst 1930 in Istanbul umbenannte Metropole bis heute behalten. Was die übrigen Kulturerdteile anbelangt, konnte sich nur Cairo, kulturelles Zentrum der arabisch-islamischen Welt bis ins 17. Jh. hinein, unter den zehn größten Städten behaupten; der wirtschaftliche Niedergang infolge der osmanischen Eroberung Ägyptens (1517 n. Chr.) machte sich dann allerdings seit dem 16. Jh. auch demographisch bemerkbar (Tab. 10).

Dagegen blieb der amerikanische Kontinent während des gesamten Mittelalters bis weit in die Neuzeit ohne eine einzige große Stadt. Erst um 1700 taucht Mexico City mit geschätzten 100.000 Einw. an etwa 40. Stelle in der Liste der größten Städte der Erde auf. Diesen Rang als volkreichste Stadt des Kontinents konnte sie bis Anfang des 19. Jh.s behaupten, ehe sie 1830 von New York verdrängt wurde und diesen Platz Mitte der 1980er-Jahre zurückgewann. Als Hauptursache für das Fehlen einer metropolitanen Stadtkultur ist auch hier das Ausbleiben von überregionalen Staatenbildungen, in erster Linie jedoch die geringe Bevölkerungszahl des gesamten Kontinents anzusehen. Noch 1800 belief sie sich gerade einmal auf 24,6 Mio. (Witthauer 1969: 50), was lediglich 2,8 % der Erdbevölkerung bzw. 4 % der des asiatischen Kontinents ausmachte – allein das kaiserliche China wies noch um 1800 mehr als die zehnfache Bevölkerungszahl (und fast die 60-fache der USA) auf.

Die ausgeprägte asiatische Hegemonialstellung zeigte um 1700 erste Anzeichen einer Abschwächung, als erstmals London und Paris unter den fünf größten Metropolen der Erde auftauchten. Beide waren früh zu Hauptstädten ihrer geeinten, zentralistisch-absolutistisch regierten Staaten geworden: Paris seit 508 n. Chr. und endgültig 987 n. Chr.; London seit 1100 n. Chr. Frankreich war überdies mit 21 Mio. Einw. (1700) das mit Abstand bevölkerungsreichste Land West- und Mitteleuropas.

Aber es gab auch Unterschiede hinsichtlich der Ursachen des demographischen Aufstiegs zwischen beiden: Paris entwickelte sich unter Ludwig XIV. zum unbestrittenen geistigen und kulturellen, jedoch nur bedingt zum wirtschaftlichen Zentrum Westeuropas, während letzte Komponente – in erster Linie war es der Handel – London im Wesentlichen zu seinem Aufstieg verhalf.

Es war genau dieses unterschiedliche (hier sehr vereinfacht gezeichnete) Kausalmuster, das für die deutlich raschere Entwicklung Londons im 18. Jh. nicht allein zur doppelten Größe gegenüber Paris, sondern zur ersten Millionenmetropole der Neuzeit und (mit Abstand) größten Stadt der Erde, verantwortlich war: England stieg in diesem Jahrhundert zur führenden Kolonialmacht auf. Symptomatisch war, dass die nordamerikanischen Kolonialgebiete Frankreichs an die Briten verloren gingen und im Pariser Frieden (1763) das Ende der französischen Kolonialmacht in diesem Teil der Erde besiegelt und gleichzeitig der Aufstieg Englands zur bedeutensten Weltmacht eingeleitet wurde. Unbestrittene Hauptstadt und Zentrum aber war London, das damit auch die erste wirkliche Global City in der Geschichte war.

Tab. 10: Die größten Städte zu Beginn der Neuzeit


Tab. 11: Die größten Städte im 19. Jahrhundert


Während sich die um 1800 immer noch starke Stellung Asiens im 19. Jh. weiter abschwächte, rückten die Metropolen und Megastädte Europas sowie die der von ihnen besiedelten „Neuen Welt“ demographisch, aber auch funktional immer stärker ins Blickfeld (Tab. 11).

Metropolen, Megastädte, Global Cities

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