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[8] Die erste Glut

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Während der Fahrt saß ich wie fast immer zu dieser Zeit alleine im Bus. Ich hörte Musik und mir fiel irgendwie auf, dass meine Präferenzen sich allmählich verschoben. Ich war zwar von Haus aus ein All-Round-Hörer, doch tendierte ich so langsam doch mehr zu Kathrins Musik. Hatte sie mich schon so weit beeinflusst? Ich achtete viel mehr auf die Texte, als ich es üblicherweise tat, auf eine seltsame Art und Weise berührten sie mich.

Der Bus hielt an, ich war endlich wieder in Werlte und machte mich zunächst auf dem Weg nach Hause. Ein langes Wochenende stand uns bevor und ich sagte meiner Mutter schon mal im Voraus, dass ich an diesem Abend vermutlich länger wegbleiben würde. Ich ging in mein Zimmer, warf die Schultasche in die Ecke und stopfte mir ein paar Zigaretten für den Tag. Da ich nicht wusste wie lang ich wegbliebe nahm ich mein Stopfzeug mitsamt einigen Hülsen mit.

Ich machte zunächst einen Zwischenstopp bei Katie, sie wohnte erstens vielleicht gerade mal 150m Luftlinie von mir entfernt, zweitens war sie eben meine beste Freundin und ich wollte sie als moralische Unterstützung dabeihaben. Ich klingelte bei ihr an der Tür und wie üblich öffnete mir ihr kleiner Bruder. „Sie ist oben.“

„Ja danke. Wahrscheinlich pennt sie mal wieder.“

Ich ging die Treppe hoch und betrat ihr Zimmer. Meine Vermutung hatte sich bestätigt, also ging ich an ihr Bett und rüttelte sie sanft wach.

„Hey Katie, kannst du mir ‘nen Gefallen tun?“

Sie schaute mich grimmig und verhöhnend an, wie sie es des Öfteren tat. So lange wie wir schon befreundet waren, sprach dieser Blick Bände, welcher auf eine seltsame Weise liebevoll war.

„Das ist besser verdammt wichtig, ich habe so schön geträumt grade. Arschloch!“

Wir fingen beide an zu lachen, denn wir wussten, wie sie es meinte.

„Naja… du weißt ja noch was Kai gesagt hatte. Ich war neulich bei ihr und heute wollte ich noch mal hin. Kannst du mich bitte begleiten? Ich glaub ich habe sie langsam echt liebgewonnen.“

Sie legte ihren Arm um meine Schulter und grinste mich schelmisch an.

„Naaa, ist da jemand verliebt?“

Ich wurde rot im Gesicht und drehte mich von ihr weg, während sie Kussgeräusche nachahmte.

„Ohh Mann, musst du mich immer ärgern?“

„Ja hallo?! Ich bin eine Katie, ich darf das.“

„Na super, jetzt muss ich wieder an die rote Ampel denken: `Naaa, musst du A-A?´“

(Wir hatten zusammen die DVD Aufzeichnung von Mario Barth gesehen, Männer sind peinlich, Frauen manchmal auch.)

„In einer halben Stunde, soll ich da sein, wenn du dich beeilst, schaffen wir das noch. Ich sag ihr eben Bescheid.“

„Ich komme mit, weil ich dich liebhabe und dir das gönne, aber ich vertraue ihr noch immer nicht. Wehe ihr, wenn sie dich verarscht oder dir wehtut! Du weißt ja, Rache ist süß.“

Zu diesem Zeitpunkt war mir noch nicht klar, welch schicksalhafte Bedeutung diese Aussage von ihr haben würde, doch ich muss zugeben, die Rache war wahrhaftig süß, wie von einem anderen Stern.

Es dauerte zwar ein wenig länger als geplant, doch dann schwangen wir uns endlich auf die Fahrräder und fuhren zu meinem Schwarm. Ich erklärte ihr im Voraus den Weg und so niedlich doof, wie sie sich gerne mal anstellte, (ich im Übrigen auch), fragte sie nach gut zwei Dritteln des Weges bei jeder Rechtskurve, ob wir dort einbiegen müssten - auch bei der vorletzten:

„Hier jetzt aber rechts, oder?“

„Nein Mäuschen, die nächste.“

„Oh Mann, du bist so ein Arsch.“

Ich lachte sie wohlwollend aus. So war das eben bei uns beiden. So erreichten wir nun doch endlich unser Ziel. Wir stellten unsere Fahrräder in den Innenhof, von wo aus ich sehen konnte, dass Kathrin bereits in der Küche auf uns wartete. So wie es mit der Zeit immer selbstverständlicher wurde, gingen wir durch die Hintertür ins Haus. Kathrin stand auf und sprang mir in die Arme. Ja, sie war nach wie vor lebhaft. Katie setzte sich auf die Stirnseite der Sitzreihe und ich machte mich mit meinem Handy am Küchenradio zu schaffen, um erst einmal Musik anzumachen.

Die beiden kamen ins Gespräch und es ließen sich Kongruenzen entdecken, welche ich bisher nur erahnt hatte. Dass mir das nicht früher aufgefallen ist. Wir tranken zusammen Tee, naja, ich bevorzugte eher Kaffee. Währenddessen kamen die beiden ins Gespräch miteinander und die Wogen schienen sich immer mehr zu glätten. Es stellte sich heraus, dass die beiden viel gemeinsam hatten.

Es schien fast so, als würden alle Zweifel, welche Katie zuvor hatte, sich in Luft auflösen, als hätte sie ein verlorenes Familienmitglied wiedergefunden. Die Begeisterung für Vampire, ein Großteil der Filmgenres und auch der Geschmack für Männer waren überraschend ähnlich.

Grade letzteres zeigte sich mir im Nachhinein, da Kathrin des Öfteren erwähnte, wie gerne sie mich mit schwarzen Klamotten und langen Haaren sähe, die ich noch immer verzweifelt wachsen ließ. Meine Klamotten fand sie größtenteils daneben, zumindest farblich, aber hey, ich hatte nun mal nicht viel, was im Winter warmhielt und harmonisch war. Ich hatte so meine eitlen Phasen, aber meistens kleidete ich mich eher funktional. Es fühlte sich durchaus gut an, wenn ich mal farblich passend und im Allgemeinen einfach vernünftig angezogen war, nur hatte ich eben nie wirklich das Geld mir gute Klamotten zu kaufen und wenn doch, ging das eher für andere Sachen, wie zum Beispiel mein Aufnahme-Equipment oder technischen Schnickschnack und Fressalien drauf.

Als wir mal in die Disko gegangen sind, hatten wir uns geeinigt uns komplett schwarz zu kleiden und Stiefel anzuziehen. Meine einzige schwarze Hose war ohnehin eine, passend zu Springerstiefeln geschnittene, Dreiviertelhose, welche im Winter echt eine Tortur zu tragen war, sobald ich mein Bein anwinkelte; es war nämlich arschkalt und ich tat es nur ihr zuliebe. Klar fand ich das auch mal cool, aber nicht unter diesen Umständen. Die Devise Wer schön sein will, muss leiden war nun wirklich nichts für mich.

Die beiden Mädels hingegen wurden immer mehr wie Herz und Seele und ich war echt froh, dass die beiden sich doch noch so gut verstanden, denn da Katie seit eh und je meine treueste Freundin war, legte ich Wert darauf, dass sie mit meiner Liebsten zurechtkäme. Später würde es auch Tage geben, an denen mir das eher schlecht als recht war, doch diese Sichtweise würde mir noch teuer zu stehen kommen.

Davon war zum Glück noch lange nichts zu sehen. Wir saßen dort mit unseren Getränken und freuten uns des Lebens. Manchmal kann alles so einfach sein. Kathrin stand auf, um sich noch einen Tee aufzubrühen, Katie hingegen warf mir einen schlitzohr-mäßigen Blick zu, der mich gerade zu aufforderte ihn zu deuten. Ich wusste worauf sie hinauswollte, da ich unterdessen den Wunsch in ihrer Gegenwart geäußert hatte.

„Du Dominik, wolltest du nicht noch was machen?“

Ich dachte nur so:

„(Scheiße verdammte, hätte sie sich keinen besseren Moment aussuchen können, um mich in diese Verlegenheit zu bringen?!)“

Nicht nur ich, sondern auch Kathrin wurde nervös.

„Hä? Ich versteh wieder nichts. Ihr wisst doch, ich bin doof. Klärt mich mal auf!“

Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich stand also auf und näherte mich ihr behutsam, mit meiner linken Hand strich ich ihr die Haare hinters Ohr und zog sie mit einem sanften Griff an mich heran. Ich schaute voller Sehnsucht in ihre blitzenden Augen, während ich mir auf die Unterlippe biss. Mein Puls wurde schneller, die Atmung schwer und zitterig, wie auch meine Gliedmaßen, während ich ihren Duft förmlich in mich aufnahm. Ich zog sie näher an mich heran, schloss meine Augen und just spürte ich ihre sanften Lippen auf meinen. Ich verspürte einen Strom, der durch meinen Körper floss und die Intensität des Kusses nahm zu. Ich blendete alles um mich herum aus, nur sie nahm ich noch wahr. Ich schien mich zu verlieren. Katie räusperte sich eindringlich.

„Halloo! Ich bin auch noch hier.“

Wir fingen an zu lachen und wurden etwas rot. Naja… So hatte ich mir das zumindest vorgestellt. Im Endeffekt lief das Ganze ein bisschen anders:

Ich stand also auf und ging auf sie zu, während ich fast stolperte, weil sich mein Fuß um das Stuhlbein verhakt hatte. Ich humpelte ihr vor die Füße und lächelte sie peinlich berührt an. Ihr Blick verriet mir, dass sie wusste, was ich vorhatte und eh ich mich versah prallte ihr Kopf über Lippen und Zähne an meinen, was mir mein Kiefer dankend signalisierte. Dies war der eigentliche Grund, warum wir lachten. Es war zwar absolut peinlich, aber auch unglaublich niedlich.

Sie war so nervös und unbeholfen, dass es zum Anbeißen süß war. Ich meine, der Kuss war keine filmreife Romantik, nein, er war viel besser. Denn er war ein Erlebnis, das wir sicher nicht vergessen würden. Es gibt so viele Paare da draußen, die noch lange von ihrem ersten Kuss schwärmen, doch wir waren echt der Brüller. Und ich wusste, wenn der erste Kuss solch eine Panne war, konnte das einfach nur großartig werden - zwei Bekloppte, die erst das Herz des Partners und dann die Welt erobern würden.

Nun waren wir endlich zusammen und spätestens als es auf Facebook stand, wusste es jeder, doch wann und ob es überhaupt dort stünde, war völlig unerheblich. Wir wussten, was die Leute von uns dachten, wie verhasst wir unter den Leuten waren. Als Individualist hatte man es hier wie gesagt nicht einfach. Sollten die Leute doch denken, was sie wollten, wir waren wie Bonny und Clyde. Wir würden nicht nur Pferde stehlen, sondern auch gemeinsam den Stall ausmisten.

Präluzid

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