Читать книгу Präluzid - Dominik Paolo Labocha - Страница 13
[9] Das Schlüssel-Schloss-Prinzip vom Glück
ОглавлениеWir verbrachten einen gemütlichen Abend miteinander, es fehlte einfach an nichts. Im Laufe des Tages kamen wir uns immer näher. Sie war so feinfühlig und sensibel, ihre liebevolle und zärtliche Art verdrehte mir den Kopf. Ich war berührt, begeistert und einfach nur glücklich. Sie brachte mich dazu, das Kind in mir zu offenbaren und ich freute mich wie ein kleiner Junge im Spielzeugladen, wenn ich Streicheleinheiten oder Küsse von ihr bekam. Was mich auch sehr entzückte, war dass sie mir zuliebe Katzenlaute imitierte, denn ich fand Katzen einfach unglaublich süß. Nicht nur an diesem Abend, auch darüber hinaus schnurrte und miaute sie sanft, um mich liebevoll zu stimmen. Es hatte eine beruhigende Wirkung auf mich, wenn sie mich streichelte und dabei schnurrte wie ein Kätzchen. Da sie auch von der japanischen Sprache begeistert zu sein schien, gab ich ihr den Spitznamen Neko, das japanische Wort für Katze.
Der Film war grade zu Ende und ich schlug vor mit ihr einen Anime zu schauen, welchen ich auf meiner externen Festplatte dabeihatte. Ich war zwar recht emotional, aber es war durchaus eine Seltenheit, dass ich mal weinte, das galt sowohl für Filme, als auch für das Realleben.
Letztes Silvester hatte ich mit Alina und einem inzwischen leider ehemaligen Freund verbracht. Die beiden hatten mich derweil auf meine emotionale Blockade angesprochen und so kam es, dass wir etwas schauten, was mich garantiert zum Weinen bringen sollte. Wir entschieden uns für Angel Beats, ein wirklich schöner Anime. Es lief dann so, dass vielerlei Stellen mir zwar Gänsehaut verpassten, doch blieb ich bis zum Schluss doch trocken. Ich bekam kurz vor Ende schon zu hören, ich sei so herzlos, doch dann kam das Ende, an dem Otonashi zu Boden fiel und schmerzerfüllt schrie, weil er seine geliebte Kanade verloren hatte und so saßen ich und Tobias da und heulten wie Schlosshunde.
Diese Erinnerung war grundlegend für meine Entscheidung, das mit ihr zu gucken. Sie hatte mir bislang schon so viel Vertrauen entgegengebracht und würde es auch weiter tun, dass ich beschloss mich von einer noch sensibleren Seite zu zeigen; ich wollte in ihren Armen nicht nur lachen, sondern auch weinen wie ein Kind.
Wir schafften bis 2 Uhr nachts etwa die Hälfte und am nächsten Tag den Rest, nur geweint hatte keiner von uns. Ich kannte es nun mal schon und sie war vermutlich wenig beeindruckt, weil keine Vampire drin vorkamen, denn wenn dem so gewesen wäre, dann hätte sie mir im Rausche ihrer hysterisch-emotionalen Anteilnahme schon längst die Ohren taub gekreischt. Das tat sie des Öfteren auch gerne, wenn wir uns zusammen etwas anschauten, weshalb ich so aufrichtig war ihr zu sagen, dass es mir irgendwann ziemlich auf die Nerven gehe. Nicht etwa ihre emotionale Anfälligkeit, die war schon süß, sondern vielmehr die Tatsache, dass ich jedes Mal an Stellen in Rage geriet, an denen ich normalerweise ruhig bliebe. Mit jeder weiteren Stressreaktion käme ich meinem ersten Herzinfarkt ein kleines Stück näher.
Einige Zeit später gab es durchaus einen, wohlbemerkt sehr unerwarteten, Moment, in dem ich bei ihr zu weinen begann. Wir schauten uns den ersten Teil der Trilogie von Butterfly Effect an. Der Protagonist nahm sich mit dem Bewusstsein seines erwachsenen Ichs nach seiner letzten Zeitreise im Mutterleib das Leben, indem er sich mit der Nabelschnur strangulierte. Das fand ich ja noch voll okay.
Dann aber haute Neko eiskalt raus:
„Stell dir mal vor, sowas wäre mir passiert. Du hättest mich niemals kennengelernt und keine süße, fluffige Neko als Freundin. Du wärst ohne mich.“
Das traf mich doch arg und wie gesagt ziemlich unerwartet, es verletzte mich.
„Schatz, du heulst jetzt nicht ernsthaft, oder?!“
„Nein, das ist eine okulare Transpiration.“
Sie schaute mich verdutzt an.
„Häää, eine was? Ich versteh kein Wort.“
„Siehst’e? Und ich versteh deine zynische Frage nicht. Natürlich macht mich das traurig. Hallo! Wir haben uns gerade erst gefunden, da kannst‘e sowas doch nicht bringen und mir solche Hirngespinste in den Kopf setzen. Ich denke schnell in Szenarien und bin sensibel, auch wenn ich das sonst kaum zeige.“
Sie lächelte verlegen.
„Och Schätzchen, tut mir leid. Komm her.“
Sie drückte mich an sich und ich lachte wieder.
„Genau sowas liebe ich an dir. Ich hatte noch nie einen Freund, der mich so sehr geschätzt hat und so offen war, mir seine Gefühle auf diese Art zu zeigen. Bitte versprich mir, dass du nie wieder gehst.“
Ich schaute sie mit glänzenden Augen an:
„Niemals! Warum sollte ich auch? Ich habe dich in so kurzer Zeit so unglaublich liebgewonnen. Du hast mir jahrelang gefehlt.“
Ich legte mich auf ihre Brust und lauschte ihrem Herzschlag, sie schien aufgeregt zu sein und das schmeichelte mir doch sehr.
„Irgendwie krieg ich jetzt Lust auf Heavy Metal.“
„Habe ich echt so einen schnellen Herzschlag? Kannst’e mal sehen wie wuschig du mich machst. Wenn du Heavy Metal willst, sind unten in der Halle noch die Krankabinen aus unserer Firma.“
Ich überlegte kurz und dann verstand ich es auch.
„Sehr witzig, seit wann kannst du denn Englisch?“
„Hallo, mobb mich nicht, nur weil ich auf der Sonderschule war. Ein bisschen kann ich auch.“
„Ja genau, deswegen hast du deinen Ordner auch hewie mettel genannt; wie die Mettwurst oder was?“
Die Erinnerung daran war ihr sichtlich peinlich, aus der Verlegenheit heraus zeigte sie mir den Dackelblick. Jeder kennt ihn, diesen Blick, der dir das Herz bricht und dich weichkocht, ob du willst oder nicht. Ich nahm sie in den Arm, legte ihren Kopf auf meine Brust und streichelte sie.
„Och Mausi, du weißt doch, ich mach nur Spaß.“
Ich hörte von ihr ein trauriges „Miieep!“
„Auf Englisch würde man dich adorkable nennen, denn du bist zwar manchmal, wie du immer so schön sagst, zu doof zum Milchholen, aber gerade das macht dich so zuckersüß. Du weckst in mir das Bedürfnis, dich wie ein kleines Kind zu beschützen, deshalb liebe ich es deinen Helden zu spielen.“
Sie lag noch immer auf meiner Brust, mit den Armen eng am Körper zusammengekauert. Nun aber umschlangen ihre Arme meinen Oberkörper unterhalb von meinen und sie rieb ihren Kopf an mir wie eine Katze, während sie schnurrte und miaute. Demnach war sie sehr entzückt von dem, was ich sagte und ich fand es immer so süß, wenn sie das machte. Des Weiteren schien sie damit meine Aussage bestätigen zu wollen, denn ein kleines Kätzchen im Arm weckt in jedem Menschen mit Herz den Beschützer-instinkt.
Für diesen hatte sie mich des Späteren auch sehr gelobt. Sie sei es gar nicht gewohnt, dass man ihr so viel Liebe und Fürsorge entgegenbrachte. Das machte mich ein bisschen traurig, denn sie hatte es allemal verdient. Zugleich aber fühlte ich mich geehrt ihr diese Liebe und Sicherheit schenken zu können, die so lange niemand gewollt hatte. Auch sie wäre nach außen hin gar nicht darauf angewiesen und durchaus in der Lage sich selbst zu schützen, doch sie vertraute mir ihr Inneres an, sie ließ mich in ihr Herz schauen. Es war so zerbrechlich und doch so voll von Liebe. Mir war so, als fand ich eine Tür mit einem Schloss, zu welchem ich den passenden Schlüssel besaß. Endlich fand ich die Tür zu meinem Glück – zu unserem Glück. Nur würde ich bald herausfinden, dass ich noch einen weiteren Schlüssel besaß, der uns die Tür zu einem überirdischen Schicksal öffnen würde.