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[10] Sinnliche Wünsche

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Es war schon spät und wir entschieden uns allmählich ins Bett zu gehen. Neko hatte ihre Eltern gefragt, ob ich bei ihr übernachten dürfe. Im Grunde hatten sie kein Problem damit, wir sollten uns nur benehmen. Wie hätten wir das auch nicht tun sollen? Sie waren ja schließlich zu Hause und hätten alles mitbekommen. Mag das Haus auch noch so groß gewesen sein, wären wir unartig gewesen, hätte womöglich, so wie ich Kathrin einschätzte, ganz Werlte was davon gehabt.

Ich zog mir bequeme Sachen zum Schlafen an und legte mich zu Neko ins Bett. Ich bekam eine eigene Decke, entschloss mich aber trotzdem mich zusammen mit ihr unter ihre zu kuscheln; sie war immer so wunderbar warm, wie auch ihr Herz. Ich drückte sie an mich und genoss dieses schöne Gefühl. Sie bekam von mir viele Küsse auf die Wangen und lächelte. Sie war die erste Frau die meine Liebe und Nähe auf diese Art schätzte, allein wie sich mich stets anlächelte machte mich immer sehr glücklich. Ich legte meinen Schal auf die Nachttischlampe, um das Licht provisorisch zu dimmen und romantischere Stimmung zu erzeugen. Als ich mich wieder zu ihr drehte, strahlten ihre Augen mich an. Das Blau in ihrer Iris dominierte über das Grau, ihr Blick war so lebendig. Wie ein Magnet zog es meine Lippen auf ihre und ich küsste sie leidenschaftlich. Während ich dann von ihr abließ, rieb ich meine Nase an ihre.

Im Laufe der Zeit wurden wir einander immer vertrauter, es entwickelte sich eine tiefe Bindung, dessen Ausmaß ich bis dahin nur erahnen konnte. Wir konnten nicht schlafen und redeten noch Stunden miteinander. Ich erzählte ihr alles, was man seiner Freundin vielleicht nicht mal zu erzählen vermag, aber ich fühlte einfach, dass sie die Richtige dafür war. Manchmal kam ich mir ziemlich schäbig dabei vor einen Gedanken unzensiert auszusprechen, doch ich hasste es auch um den heißen Brei zu reden, dabei passierte mir das immer wieder. Man soll ja nicht in der Vergangenheit wühlen, doch wir pflegten es beide zu tun.

Ich erzählte ihr von meinen bisherigen Beziehungen und den Fehlern, die ich gemacht hatte, demzufolge auch welche ich bei ihr nicht machen wollte und weshalb ich mich manchmal so und so verhielt. Ich erzählte ihr von Mary und Kathrin Jugoya. Diese beiden waren so ziemlich die letzten Lasten, die ich noch mit mir trug. Es war keineswegs bedrohlich, doch ab und zu erinnerte ich mich noch daran, zumal diese Kathrin auch auf meine Schule ging. Ich gab mir alle Mühe es ihr so zu schildern, dass es sich nicht anhörte, als würde ich unerfüllter Liebe hinterher trauern und dennoch dabei ehrlich zu bleiben. Wie bereits erwähnt, sollte Neko keine Lücken in alten Mauern füllen und obwohl dem auch nicht so war, fühlte es sich doch so an. Nur sei hierbei zu bedenken, dass eine neue Beziehung mit solchen Gefühlen dies nicht impliziert, sondern dass man die Vergangenheit, ob nun froh oder in Trümmern, einfach hinter sich lassen musste, um die Zukunft zu leben. Sie war kein Ersatz, sondern vielmehr ein Neuanfang.

Ich war von Natur aus ein Querdenker, welcher in seiner vermeintlichen Nüchternheit kritisch und oft pessimistisch erscheinende Gedanken hegte, doch sie schien mehr in mir zu sehen und an meine Liebe zu glauben, als ich es selber vermochte. Grade wenn Dinge mich glücklich machten, stellte ich sie in Frage, weil ich es nicht ertragen könnte mich diesem Glück hinzugeben und es dann zu verlieren, denn ich steckte gerne mal mit dem Kopf in den Wolken und je höher ich flog, desto tiefer fiel ich meistens auch.

Sie zog mich näher an sich heran und umklammerte mich liebevoll. Gespannt hing sie an meinen Lippen, während ich ihr aus meiner Vergangenheit erzählte. Wer hätte gedacht, dass sie das wirklich fasziniert anstatt sie abzuschrecken? Ich fragte sie auch des Öfteren, ob ich weitererzählen solle und es ihr wirklich nichts ausmache mir so lange zuzuhören, doch es schien ihr wirklich nichts auszumachen. Ich sagte ihr, ich fühlte mich mies dabei ihre Aufmerksamkeit so lange zu fordern, wo ich doch selber keine zehn Minuten ruhig zuhören konnte, weil ich immer etwas zu entgegnen hatte, was ich nicht vergessen wollte. Das machte mich für viele anstrengend und ich hasste das an mir. Sie hingegen nahm es gelassen, es sei nicht allzu schlimm, da doch jeder seine Schwächen habe und das, was ich zu erzählen hatte, immerhin nicht uninteressant sei. Letzteres war mir sogar geläufig, da ich es selber spannend fand, wenn wir redeten, und mit ihr über dumme Dinge lachen musste, wenn sie mir von ihren früheren Liebesgeschichten und den dabei entstandenen Katastrophen erzählte. Des Weiteren konnte sie meiner Geschichte wohl etwas Positives abgewinnen, denn sie fühlte sich in dem Bild bestätigt, was sie von mir hatte. Wie bereits erwähnt, schätze sie an mir sehr, dass ich einen ausgeprägten Beschützerinstinkt hatte, was mir nur selber nie bewusst war. Sie legte mir aber auch ans Herz, ich solle nicht immer so hart mit mir selbst ins Gericht gehen, denn ich machte mir Vorwürfe, dass ich niemanden meiner Liebsten vor ihren schlimmen Erfahrungen retten konnte, weder Mary, Katie, Alina, noch Neko.

Ich wollte keineswegs ein Held sein, doch auch wenn ich es nach außen hin eher selten zeigte und fast schon desinteressiert wirkte, trafen mich die harten Schicksale doch sehr. Immer wieder musste ich daran denken, wie viel besser alles hätte werden können, wenn ich den Kontakt zu Neko damals aufrecht gehalten hätte. Als sie mir mal Fotos von sich zeigte, auf denen sie noch jünger war, kam mir fast das Heulen; dass ich all das nicht miterlebt hatte.

Sie war durchaus selber der Meinung, wir hätten uns beide positiver entwickelt, doch auch sie habe den Kontakt vernachlässigt. Wirklich logisch war mein Verhalten nicht, immerhin sollte ich doch einfach glücklich darüber sein, dass wir uns nun wiederhatten. Ich schaute jedoch über den Tellerrand hinaus und das liebte sie an mir.

Ich hatte noch ein weiteres Anliegen, was ich ansprechen wollte. Wenn auch die Umstände ungünstig waren, einen besseren Zeitpunkt würde ich wohl eh nicht finden.

„Neko Schatz?“

„Ja was ist denn, mein Hinata?“

„Weißt du… wir sind ja nun schon eine Weile zusammen und mir brennt da was auf der Seele.“

Sie legte ihre Hand auf meine Wange und strich sanft über sie, während sie mich unschuldig ansah.

„Du kannst es mir ruhig sagen, wir sind unter uns.“

Ich seufzte.

„Ich weiß, das ist jetzt ein blöder Moment dafür, wo doch eh schon deine Eltern hier sind, aber ich würde gerne mit dir schlafen.“

Sie beugte sich weiter zu mir und küsste mich.

„Das weiß ich doch.“

„Achja, wirklich?“

„Ja sicher, das merkt man einfach an der Art wie du mich ansiehst, wie du mich küsst und es ist dir jedes Mal peinlich, wenn du davon erregt bist.“

Ich schüttelte leicht den Kopf.

„Mäuschen, das ist mir nicht peinlich, aber ich fühle mich unwohl dabei, weil ich damit zum Ausdruck bringe, dass ich etwas von dir verlange, was du mir in deiner Verfassung nicht geben kannst.“

„Das musst du nicht. Zugegeben, manchmal nervt es mich, aber…“

„Na vielen Dank auch, da fühl ich mich gleich viel besser. Gib mir doch deine Pille, dann hört das auf.“, unterbrach ich sie und drehte mich ein Stück von ihr weg. Sie legte ihren Arm an mich und versuchte mich wieder zu sich hin zu rollen.

„Ach Mensch Hinata, jetzt schmoll doch nicht! Ich weiß, du kannst nichts dafür und ich nehm das ja auch als Kompliment, aber für mich ist das einfach schwer damit umzugehen. Du weißt, wie es mir wegen damals geht.“

Ich willigte ihrer nonverbalen Bitte mich wieder umzudrehen ein. „Ja schon…“, ich drehte mich wieder zu ihr.

„…ich versteh das und ich weiß ich bin manchmal anstrengend, aber auf so eine Antwort war ich nicht gefasst. Natürlich ist es dennoch dein gutes Recht. Tut mir leid.“

Ich schüttelte den Kopf und zog eine skeptische Miene, als ich realisierte, was hier grade abging.

„Ach du Scheiße! Wenn ich mir so zuhöre und über mein Verhalten nachdenke, wundert es mich nicht, dass ich meine bisherigen Beziehungen so versaut habe.“

Unverhofft lachte sie laut auf.

„Hast du mich mal erlebt? Man sagt, jeder Topf hätte einen Deckel, aber ich bin eine verdammte Auflaufform und du bist die provisorische Alufolie.“

Beim Versuch mir den Lacher zu verkneifen schoss er mir mitsamt meinem Schnodder aus der Nase.

„Och nö, nicht schon wieder! Schaatz? Hast du Taschentücher?

„Boah ihh, nicht dein Ernst, oder?!“

Sie lachte mich aus. Ich fand Taschentücher auf dem Nachttisch und versuchte sie mit steifen Händen zu öffnen, um nichts weiter dreckig zu machen. Mühsam fummelte ich ein Tuch aus der Packung und putzte mich ab.

„Schon schlimm genug, dass ich beim Reden ständig spucke, aber muss das auch noch sein? Meine Mutter haut mich eh schon immer drauf an, dass ich so langsam esse, wenn ich erzähle, weil ich zu blöd bin mit vollem Mund zu sprechen. Läuft bei mir, würde ich sagen.“

„Ach das mit dem Spucken passiert mir auch ganz oft, ich trete selber auch immer in irgendwelche Fettnäpfen, als wären sie eine riesen Pfütze und ich spring da immer voll rein. Ich finde es eher lustig und erleichternd, dass du auch so einen Dachschaden hast.“

„Naja, einige Macken hatte ich schon immer und werde sie wohl auch behalten und ansonsten weißt du ja, wie das Leben so spielt. Solange man sich selbst gut leiden und über sich lachen kann, ist alles in Ordnung.“

Sie zog mich wieder zu sich und schmiegte sich an mich, als wolle sie mit mir verschmelzen.

„Ach Hinata, bei dir fühle ich mich so sicher. Du bist meine Oase der Ruhe, auch wenn du manchmal ein hitziges Temperament hast. Bei dir blühe ich richtig auf, weil du mich so liebst wie ich bin. Kai hat mich immer versucht zu verändern und hat meine niedliche Art immer nervig gefunden.“

Obwohl ich das wusste, schaute ich etwas entrüstet.

„Vielleicht ist das nicht jedermanns Geschmack, aber ich will dich lieber so als kalt und herzlos. Du dürftest mittlerweile gemerkt haben, dass ich eh nicht zur Sorte typischer Männer gehöre.“

Sie wuschelte liebevoll durch meine Haare und massierte meine Kopfhaut. Einige finden das vielleicht nervig, aber ich fand das immer recht entspannend. Ich mochte es auch mir diese Kopfmassage-Spinnen, welche man in jedem Ramschladen bekommt, über den Kopf gleiten zu lassen oder wenn der Friseur mir mit dem Kamm durch die Haare kämmte. Am besten war es aber noch, wenn ich meine bessere Hälfte nicht um Schmusereien bitten musste, wie es bei den meisten meiner vorherigen Freundinnen der Fall war, und so tat ich es ihr gleich.

Dass jeder irgendwie anders ist und Stereotypen eigentlich nur abstrakte Konstrukte sind um Menschen zu kategorisieren, war mir durchaus bewusst. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass meine sanftmütige, für Männer untypische, Art nicht gerade von Vorteil für mich war. Vor allem in Sachen Sensibilität, welche ich eher in unerwarteten als angebrachten Momenten zum Ausdruck brachte, wurde ich oft zum Sklaven meiner eigenen Seele. Warum sonst hätte ich gerade so komisch reagiert, als sie, wohlbemerkt nicht böse gemeint, sagte, sie sei von meiner häufigen Erregtheit genervt? Obwohl ich aus rationaler Betrachtung wusste, was sie mir sagen wollte und wie ich es auffassen sollte, war ich oft von der Impulsivität meiner Emotionen geblendet, so dass die Instanz meiner Vernunft an Einfluss verlor oder nur mit Mühen und viel Selbstbeherrschung wieder nach außen hin sichtlich greifbar wurde. Schlicht und einfach stand ich mir selber im Weg und schaffte Probleme, die es eigentlich gar nicht gab.

In meinen bisherigen Beziehungen hatte ich immer das Problem auf Granit zu beißen, sobald ich das Thema Sexualität ansprach. Die Resonanz, die ich meistens bekam, vermittelte mir das Gefühl, ich sei einfach nur "notgeil". Ich versuchte Neko also zu verstehen zu geben, weshalb ich Wert auf körperliche und intime Nähe legte, dass es eben nicht daran lag, dass ich ein Mann bin, sondern weil ich einfach den Gedanken schön fand mich mit ihr in größter Vertrautheit gehen zu lassen und diese Unbeschwertheit exzessiv auszuleben. Nur wenn ich darüber erst diskutieren müsste, war das Ding und vor allem die Spontanität ohnehin schon gegessen.

Es tat mir im Herzen weh von einer Frau als "schwanzgesteuert" degradiert zu werden, denn dann hatte sie einfach nicht verstanden, dass dies für mich eine Vorstellung davon war den Tücken des Alltags zu entfliehen, wo doch bereits so viele Dinge am Leben verkorkst sind. Aber nein - statt damit andere Probleme zu entkräften, weil man auf den Wogen der wohltuenden Zweisamkeit wieder einen klaren Kopf bekommt, wird es eher zum Objekt einer eigenen paradoxen Problemstellung. Es ist fast so, als würde man sich im kalten Krieg um den Frieden streiten. Was für 'ne verkorkste Scheiße. Neko war zum Glück nicht so oberflächlich und verstand es, ja sie verstand es wirklich, deshalb sagte sie zu mir:

„Normale Männer gibt es da draußen genug. Was du empfindest, kann ich gut verstehen. Wirklich abnormal ist doch eher, dass ich dir das Einfachste und Natürlichste nicht geben kann. Vielleicht habe ich mich vorhin blöd ausgedrückt, denn ich weiß, dass das für dich nicht der Mittelpunkt unserer Beziehung ist, doch ich weiß auch, dass es dir auf Dauer fehlen wird.“

Mein Gesichtsausdruck verriet, dass ich ihr zustimmte, es mir aber etwas unangenehm war: „Mh.“

Ich war mir sicher, wir würden schon noch eine Lösung dafür finden. Trauma hin oder her, sollte das ein unbeschwertes Liebesleben denn soweit beeinflussen? Es ging mir zwar auch noch um diese Angelegenheit, aber mittlerweile schon viel mehr um das Prinzip Hindernisse für die Beziehung vorbeugend zu beseitigen. Im Grunde war keiner von uns beiden an der Situation schuld, es hat sich einfach etwas Ungünstiges ergeben, wie wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist.

„Ach Schatz, mach dir keine Sorgen, das regelt sich schon noch. Jetzt bin ich eh müde und wir sollten langsam mal schlafen.“

Ich zog die große Decke zu uns, deckte erst sie und dann mich selber zu. Das Kissen rückte ich solange zurecht, bis ich bequem drauf liegen konnte. Neko machte es sich bequem und drehte ihren Kopf zu mir.

„Ich bin Rechtsschläfer, ich hoffe das stört dich nicht.“

Ich schlief hingegen immer links, egal ob es die Außen- oder Wandseite war. In diesem Fall war es die äußere.

„Leg dich hin, wie du am besten schlafen kannst, solange du nicht das ganze Bett einnimmst.“

„Sag das mal nicht, ich wälze mich viel im Schlaf.“

„Das Bett ist breit genug, dass jeder eine Hälfte hat. Wir sind eh schon solche Spargeltarzane, da sollte das möglich sein. Und wenn du mich aus dem Bett schubst, komm ich als Mumie wieder und zieh dir das Gehirn aus der Nase.“

Das sagte ich natürlich nur, um sie zu ärgern, weil ich wusste, dass sie noch immer Angst vor Mumien hatte.

„Dominik, ich will noch schlafen können!“

„Ich bin ein Dominik, ich darf das.“

„Nein, darfst du nicht, außerdem gilt das nur bei Katies. Und jetzt Licht aus, ich will schlafen.“

Ich schaltete die Lampe aus, kuschelte mich wieder unter die Decke und legte meine Arme um Neko, zog sie ein Stück zu mir hin und lächelte sanft, während ich die Wärme genoss.

„Gute Nacht.“

„Schlaf gut, mein Hinata.“

Ich beugte mich noch einmal kurz zu ihr und küsste sie und so machten wir nun doch noch die Augen zu.

Präluzid

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