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Donnerstag, 7. September 1989
ОглавлениеDaquin braucht eine Weile, bis er zwischen Banlieues und Autobahnzubringern die Einfahrt zum Reitzentrum von La Courneuve findet. Ein weitläufiges Gelände mit Ställen, Reithallen, Dressurplätzen und ein paar Bäumen, begrenzt durch eine Autobahn, Sozialwohnungsblöcke und einen Landschaftspark. Ein kurioses Gefühl, fern der Natur im Grünen zu sein. Daquin parkt den Dienstwagen vor einem flachen Holzbau mit sechs Boxen, vor denen ein Mann in blauem Arbeitsoverall mit einem Braunen beschäftigt ist. Daquin bleibt im Wagen, beobachtet ihn. Seine Handgriffe sind präzise, er hat sie vermutlich hunderte Male exakt so ausgeführt. Das Pferd macht mit, lebhaftes Ohrenspiel, es antizipiert jede Bewegung des Mannes und hat Spaß an der Sache. Die beiden haben sichtlich einen Draht zueinander, sie arbeiten ruhig und vertrauensvoll, wie ein Paar. Nicht ganz wie das Arbeitsklima im Drogendezernat. Diese Partie ist noch nicht gewonnen. Der Mann scheint zu wissen, dass er beobachtet wird, schert sich jedoch nicht darum. Ohne Eile beendet er die Pflege des Pferdes und führt es in seine Box. Daquin steigt aus dem Wagen.
»Le Dem? Ich bin Commissaire Daquin.«
Ein mittelgroßer junger Mann, kantiges Gesicht, brauner Bürstenschnitt, hellblaue Augen, träger Blick.
Sie setzen sich an die Bar des Reitzentrums, die um diese Zeit trostlos und leer ist, vor sich zwei Tassen lauwarmen löslichen Kaffee mit Milch.
Ihn aus der Deckung zwingen, damit ich nicht im Blindflug unterwegs bin. Ihm sagen, was er ohnehin weiß, und dann je nach Stand der Dinge weitersehen.
»Ich bin mit Einverständnis Ihrer Vorgesetzten hier, weil ich Ihnen vorschlagen möchte, einer Versetzung in mein Team beim Drogendezernat zuzustimmen, nur für die Dauer einer vermutlich kurzen Ermittlung im Pferdesportmilieu und mit Aussicht auf Beförderung.«
»Kann ich Nein sagen?«
Daquin entscheidet sich für ein Lächeln. »So pauschal? Kein bisschen neugierig?«
»Weil ich meine Arbeit hier liebe. Ich lebe mit meinem Pferd, ich patrouilliere mit ihm durch den Park. Ich gewährleiste die Sicherheit der Spaziergänger, ich komme ihnen wenn nötig zu Hilfe und betreibe mehr Prävention als Verbrechensbekämpfung. Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu den Kindern in der Umgebung, ich vermittle ihnen ein besseres Bild von der Polizei, nämlich das einer staatlichen Institution, die ohne Gewalt auskommt, und das ist genau mein Ding. Drogenfahndung heißt Krieg. Und Krieg führen könnte ich nicht.«
Ein Marsmensch in einer Sozialbausiedlung. Und an den muss ich geraten.
»Würde diese Versetzung Ihnen Probleme machen, was beispielsweise die Organisation Ihres Familienlebens betrifft?«
»Nein, das ist es nicht, ich bin alleinstehend.« Ohne erkennbare Gefühlsregung.
Daquin betrachtet die Tasse, die er zwischen den Fingern dreht. »Ich werde Ihnen nicht erzählen, wir seien eine gewaltfreie Truppe. Und ich verstehe gut, dass Sie eine andere Auffassung von staatlichen Institutionen haben als wir. Doch wenn Sie Ja sagen, erwirke ich am Ende dieser Ermittlung Ihre Versetzung in die Bretagne, in die Gegend, wo Sie herstammen.« Blick aus dem Fenster. An der Boxentür horcht der Braune mit gehobenem Kopf und gespitzten Ohren auf das Brausen der Autobahn. »Und mache mich dafür stark, dass Sie das Pferd mitnehmen können, mit dem Sie derzeit arbeiten.«
Wimpernzucken. Treffer.
»Das könnten Sie?«
»Großes Kommissarsehrenwort.«
Lächeln. »Ich sag Ja.«