Читать книгу Zügellos - Dominique Manotti - Страница 19
Samstag, 16. September 1989
ОглавлениеLe Dem wollte nicht mit. Romero hat nicht insistiert. So steht er jetzt mit Lavorel vor Massillons Villa auf der Straße und wartet. Beide haben ein kleines Aufnahmegerät am Gürtel versteckt. Romero trägt ein geblümtes Sommerhemd, Lavorel ein weißes Hemd und einen leichten Blazer. Ein paar Autos fahren langsam durch das weit geöffnete Tor und parken im Garten. Zwei Porsche, ein gelber Ferrari. Und dann alle möglichen Durchschnittswagen. Lavorel schlendert unauffällig in den Garten und notiert die Kennzeichen.
Kurz vor zehn erscheint Blascos, zu Fuß, proper, schick in Schale. Er hinkt noch leicht, scheint aber in besserer Verfassung zu sein. Romero reicht ihm einen Umschlag, den er mit einem Papiertaschentuch umfasst hält. »Da drin ist ein bisschen Koks für dich. Gute Qualität. Du kannst es verkaufen oder etwas strecken. An die Arbeit.«
Romero pfeift, Lavorel kommt zu ihnen herüber. Zu dritt betreten sie die große Villa aus dem 19. Jahrhundert, an der Frontseite ein überdachter breiter Treppenaufgang, offenstehende Türen, Entree, links ein im Moment noch leerer Salon, rechts das Esszimmer, in dem sich etwa vierzig Personen, junge Frauen und Männer, mit Gläsern in der Hand bei ohrenbetäubendem House unterhalten. Hinten im Raum ein ausladendes Buffet. Blascos grüßt alle und jeden. Lavorel bemerkt sechs Männer, klein, drahtig, lebhaft, sehr gepflegt, Maßanzüge, Luxustreter, Armbänder mit Namensgravur und Halsketten aus Gold. Bestimmt die Jockeys. Ganz anders als die übrigen Gäste, reiche Sprösslinge wie Deluc und junge Leute mit deutlich bescheidenerem Einkommen, mehr oder weniger so wie Blascos. Ein Dutzend richtig schöne Mädchen. Romero spürt leise Erregung. Und noch ein paar andere, Mittelmaß.
Blascos nimmt Romero am Arm. Lavorel folgt ihnen.
»Massillon, ich habe dir zwei sehr gute Freunde mitgebracht …«
»Hocherfreut. Wir rücken ein Stück zusammen.«
Er drückt ihnen die Hand. Dann wenden sich alle der großen Bowleschale auf dem Buffet zu. Dafür, dass der Abend erst anfängt, reden alle schon sehr laut. Lavorel wandert zwischen den Gruppen umher und spitzt die Ohren. Es geht um Engagements, Trainer, Prämien, Wetten oder Bettgeschichten. Lavorel kapiert nicht alles und fürchtet, umsonst an einen Ort gekommen zu sein, an dem er sich langweilt. Von Zeit zu Zeit wirft er einen Blick zu Romero. Er sieht ihn ein Glas trinken, noch eins, und fängt an sich Sorgen zu machen. Das Buffet ist eröffnet. Auf einem Heizkörper vorm Fenster sitzt Romero mit dem Glas in der Hand neben einer Wasserstoffblonden mit sehr üppigen Brüsten und Lippen. Sie schlingt einen Arm um seinen Hals. Als die Blonde sich zum Buffet aufmacht, schiebt sich Lavorel an Romero heran und raunt ihm zu: »Sei bitte vorsichtig.«
»Einer Blondine kann ich einfach nicht widerstehen.«
»Deine erste Frau war rothaarig, die zweite dunkelbrünett, und die hier ist nicht mal naturblond.«
»Echte Blondinen gibt’s nicht mehr, Alter, hast du das noch nicht mitgekriegt? Luftverschmutzung, Atomkraft …«
Die Blonde ist mit zwei Tellern im Anmarsch. Einer Eingebung folgend beugt sich Lavorel über Romero, rupft ihm das Aufnahmegerät vom Gürtel und lässt es in seiner Tasche verschwinden. Schadensbegrenzung.
In dem Moment, es ist schon fast Mitternacht, hält ein neuer Gast lächelnd Einzug und ist sofort dicht umringt. Er küsst ein paar Mädchen und zieht ein hübsches Lackdöschen aus der Hosentasche. Lang anhaltender Applaus, dann macht das Döschen die Runde. Lavorel ist wachsam. Jeder nimmt eine Prise weißes Pulver und schnupft. Der Gesprächston wird noch eine Stufe lauter. Lavorel bedient sich und lässt das Pulver unauffällig auf den Boden rieseln. Romero dagegen sieht ihm mit breitem Lächeln fest in die Augen und zieht seine Prise durch die Nase. Jetzt ist das Desaster nicht mehr aufzuhalten.
Zwei Mädchen springen auf den Buffettisch und fangen an zu tanzen, verrenken sich, wie im Wahn … Sie tanzen gut. Alle applaudieren, das Döschen macht immer schneller die Runde. Die Blonde hat ihre Hand in Romeros Schritt gelegt, ihre Finger bewegen sich rhythmisch zum Tanz. Als sie die erwartete Reaktion eintreten fühlt, springt sie spontan ebenfalls aufs Buffet und beginnt zwischen den beiden Tänzerinnen zu strippen, die ihrerseits noch mal alles geben. Die Gäste kreischen vor Vergnügen. Jetzt ist sie beim BH … Romero reißt sich das Hemd vom Leib (Lavorel tastet nervös nach dem Abhörgerät in seiner Tasche), trommelt sich auf die Brust, stößt einen Tarzanschrei aus und steigt auf den Tisch.
Blascos steht mit großen Augen neben Lavorel und imitiert halblaut Zézette in Da graust sich ja der Weihnachtsmann: »Bravo la police, bravo la police.«
Tarzan-Romero greift sich die Blondine, die endlich auch ihren BH losgeworden ist, will sich zu Boden schwingen, verfehlt jedoch die Liane, fällt schwer auf die Tischplatte, zerbricht ein paar Teller und ein, zwei Flaschen und zieht sich einen tiefen Schnitt in der linken Pobacke zu. Blut quillt hervor.
Lavorel fasst Blascos an der Schulter. »Hilf mir.«
Sie haken Romero von beiden Seiten unter, schleppen ihn auf die Straße zum Wagen, legen ihn bäuchlings auf die Rückbank. Ab ins Krankenhaus. Blascos kriegt sich nicht wieder ein.
»So habe ich seit Jahren nicht mehr gelacht. Kommt wieder, Jungs. Jederzeit.«
Als Romero verarztet und ins Taxi nach Hause verfrachtet ist, kehren Blascos und Lavorel auf die Party zurück, wo die Stimmung unvermindert aufgeputscht ist.
»Sag mal, wer ist der Kerl, der so großzügig Koks verteilt?«
»Ein Freund von Massillon. Er heißt Nicolas Berger, mehr weiß ich nicht über ihn.«
Blascos wartet auf das Ende der Nacht, um den Partygästen, die vor dem Heimweg noch volltanken wollen, etwas zu verkaufen. Und Lavorel wartet auf Nicolas Berger, um mehr über ihn in Erfahrung zu bringen.