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Sonntag, 17. September 1989

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Gegen sieben Uhr früh kommt Nicolas Berger offenbar topfit aus Massillons Villa. Lavorel, nicht mehr ganz so frisch, hängt sich an ihn dran. Nach rund dreißig Kilometern nähern sie sich einem eindrucksvollen großen Gehöft in der Île-de-France, ein reiner Steinbau mit Resten einer alten Befestigungsmauer. Vor dem Gehöft auf einer Wiese LKWs mit heruntergeklappter Rampe, und wo man hinsieht Pferde: an die LKWs gebunden, am Halfter geführt oder geritten von jungen Leuten in Jeans oder von Reitern in weißen Hosen, schwarzen Stiefeln und schwarzen oder roten taillierten Jacken.

Berger fährt mitten durch das wirre Treiben langsam über die Wiese, Lavorel bemüht sich zu folgen, ohne dass ihm jemand unter die Räder kommt. Schließlich hält er neben einem großen grün-weißen LKW, Lavorel fährt ein Stück weiter und parkt nach zwanzig Metern unter einem Baum. Berger steigt zum Fahrer in die Kabine. Nachdem er sich umgezogen hat, führt er ein Pferd aus dem LKW, steigt auf, reitet um das Gehöft herum und ist nicht mehr zu sehen.

Lavorel geht vorsichtig zu Fuß über die Wiese. Überall geschäftige Leute, jeder kennt jeden, redet mit jedem. Fröhliche Wiedersehensstimmung in starkem Pferdegeruch. Lavorel in seinem nicht mehr ganz sauberen Blazer und den eleganten Schuhen fühlt sich grandios fehl am Platz.

Hinter dem Gehöft ein weitläufiges, weiß umzäuntes Wiesengelände, leuchtend bunte Hindernisse, überall Blumenbeete. An einer der Längsseiten ist auf einem Erdwall eine Publikumstribüne eingerichtet. Und an einer der Breitseiten beherbergt ein weißes Zelt einen Getränkeausschank. Wirkt erst mal einladend. Lavorel setzt sich an die Bar und trinkt drei Tassen lausigen Kaffee. Hinter ihm unterhält sich ein Trupp Reiter über Pferde und Geschäfte, man boxt sich in die Rippen und juxt herum, das Ganze bei einem Glas Rotwein. Lavorel sieht auf seine Uhr: Es ist neun. Das fängt ja gut an. Die ersten Turnierteilnehmer treffen auf dem Gelände ein. Lavorel wirft einen Blick nach draußen. Anfänglicher Eindruck: Alle Pferde und Reiter machen genau das Gleiche und die Stangen fallen nach dem Zufallsprinzip. Dann zweimal Pferd und Reiter in harmonischem Fluss, elegante Leichtigkeit, und die Stangen fallen nicht. Doch das Zusehen wird schnell langweilig.

Hinter Lavorel Gesprächsfetzen: Wer ist das entzückende Mädchen, mit dem du hier bist? Stellst du mich ihr vor? Jetzt red keinen Scheiß, du erkennst sie nicht? Du hast gestern Abend mit ihr geschlafen … Ich war besoffen … Und jetzt bist du’s nicht mehr? … Doch, natürlich! In fünf Minuten reite ich. Er hebt das Glas in Richtung seiner Freunde. Ihr kennt doch den Spruch: Guter Reiter, voller Reiter.

Was tue ich eigentlich hier mitten in der Pampa zwischen all diesen Bauerntölpeln? Lavorel steht auf, schlendert übers Gelände. Auf einem etwas abgelegenen Wiesenstück entdeckt er einen sehr konzentriert wirkenden Nicolas Berger in schnellem Galopp auf seinem Pferd. Und das nach einer ziemlich wilden durchgemachten Nacht – der Typ hat Reserven … Bulleninstinkt: Hier ist nichts zu holen. Es riecht nicht nach Koks. Nach Wein, das ja, aber nicht nach Koks. Lieber den LKW im Auge behalten. Lavorel geht zurück zum Parkplatz, setzt sich in den schattigen Wagen, es wird immer wärmer, und er schläft ein.

Gewaltige Explosion. Lavorel fährt aus dem Schlaf und blickt verdattert auf Bergers Wagen, der sich in eine Fackel verwandelt hat, in eine einzige meterhohe orange-gelbe Flamme. Über den Parkplatz rennen in Panik geratene Pferde, Menschen schreien. Direkt neben dem Inferno, in einer tragischen Kapsel aus Erstarrung und Stille, verblutet ein an den grünweißen LKW gebundenes Pferd, das Vorderbein abgerissen, der Kopf gesenkt, das Blut spritzt stoßweise aus ihm heraus, dann bricht es im Zeitlupentempo zusammen. Ein für die Veranstaltung bereitgestellter Rettungswagen nähert sich. Der geschockte Lavorel steigt mühsam aus, geht zu Bergers Auto, sieht hin, zwei brennende Gestalten.

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