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1.6.2.3 Zum Schluss bleiben viele Fragen

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Auf den vorangegangenen Seiten wurde versucht, den Begriff „lebenslanges Lernen“, der als Lösung für viele Probleme herhalten muss, näher zu erläutern und einige der in diesem Zusammenhang erforderlichen Kompetenzen auf allgemeiner und fachlicher Ebene zusammenzutragen. Es fällt auf, dass mit dem Konzept in Wirtschaft, Politik und Pädagogik ganz unterschiedliche Erwartungen verbunden werden: die einen zielen auf flexible Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ab, die andern auf mündige Bürgerinnen und Bürger, und wieder andere fragen sich, ob bzw. wie sie eine Brücke zwischen materialer Qualifizierung und formaler Bildung schlagen sollen.1 Entsprechend fällt die Bewertung des Konzepts des lebenslangen Lernens sowie die Beurteilung der Kompetenzorientierung in den Bildungsstandards2 mit der anvisierten europaweiten Vereinheitlichung von Leistungsmessung und Abschlüssen aus. Zugleich ergeben sich viele Fragen und Bedenken, von denen hier nur einige genannt werden können.

Zunächst stellt sich die grundsätzliche Frage, ob und wie sich das Vermitteln von Qualifikationen und Kompetenzen im Interesse des Wirtschaftsstandorts mit dem Erwerb demokratischer Gestaltungskompetenz vereinbaren lässt (Lenz 2004b, 123), also inwiefern sich Persönlichkeitsbildung und emanzipatorische Grundgedanken mit rein utilitaristischen Zielen (Bildung als Ware) – Rößler (2006, 273) spricht in diesem Zusammenhang von „Just-in-Time-Qualifikationen“ – in Einklang bringen lassen. Auch wenn immer wieder suggeriert wird, dass Bildung und Kompetenzerwerb dasselbe bedeuten – in diesem Punkt scheint auch der Begriff „Bildungsstandards“ irreführend zu sein – bestehen hier meines Erachtens grundsätzliche Unterschiede: Bildung zielt eher auf Urteilsvermögen, Selbstbestimmung und Freiheit ab, wohingegen der Begriff „Kompetenzerwerb“ sehr viel stärker Anpassungsfähigkeit und Abhängigkeit impliziert. Und: Bildung ist mehr als marktgängiges Wissen.3

Zu Recht stellt Lenz (2004b, 124) die Frage, „welchen Beitrag (...) das Konzept des lebenslangen Lernens zum Schutz des sozialen Zusammenhalts und zur Pflege der Gemeinschaft“ leistet, zumal der wachsende Druck zur „Selbstoptimierung“ (Ebd., 123) Versagens- und Existenzängste und somit auch Aggressionen schürt, und sich durch die zunehmende Individualisierung die soziale Spaltung fortsetzt.

Eine weitere Frage lautet, wie sich die Standardisierung von Lernerfolgen mit der individuellen Förderung der Lernenden vereinbaren lässt. Auch Küster (2006, 20) moniert, dass „die Ausrichtung fremdsprachlichen Lernens auf standardisierte Tests (...) nur schwer kompatibel mit den Postulaten einer Lerner- und Prozessorientierung“ sei. Diese Problematik ist im deutschen Bildungssystem nicht unbekannt und könnte sich jetzt sogar noch verschärfen! Wie also kann bei standardisierten Output-Vorgaben – neben allen anderen individuellen Voraussetzungen und Bedürfnissen – die leistungsspezifische Heterogenität der Lernenden insofern berücksichtigt werden, dass sowohl leistungsschwache als auch leistungsstarke Schülerinnen und Schüler profitieren? Wie können Gleichheit und Differenz ausbalanciert werden? Wie wirken sich die in den Bildungsstandards verankerten Vorgaben auf die Qualität des Unterrichts aus?4 Und: Welche Kompetenzen benötigen Lehrkräfte, um den Unterrichtsalltag in jeglicher Hinsicht gewinnbringend zu gestalten?

Im Zuge der gegenwärtig dominierenden Kompetenzorientierung und der Diskussion um Standards und internationale Vergleichsstudien geraten Inhalte des Lernens leicht in den Hintergrund – auch im Bereich des Fremdsprachenlernens. Wie aber soll man eine Sprache lernen, ohne über Inhalte zu kommunizieren? Wie soll man sich bilden, ohne sich ein Bild von der Welt zu machen? Nicht nur Schröder (2005, 43) vermisst eine fachdidaktische Reflexion des neusprachlichen und schulischen Bildungsauftrags: „Der Titel Bildungsstandards verspricht wesentlich mehr, als der Text hält. (...) So gesehen sind die Bildungsstandards (Englisch/Französisch) für den Mittleren Schulabschluss in ihrer derzeitigen Form ein Rückfall in eine fremdsprachendidaktische Steinzeit“. Auch Doff und Klippel (2007) stören sich an der fehlenden Diskussion um den Bildungsauftrag und die Inhaltsfrage:

Funktionale Ziele des Englischunterrichts dominieren; die Diskussion der Inhalte ist weitgehend verstummt. Bildungsstandards und der Gemeinsame europäische Referenzrahmen (GeR) sind vor allem an den Fertigkeiten orientiert. Dazu liefern sie durchaus hilfreiche Beschreibungen, allerdings finden sich dort keine Hinweise auf die Inhalte von Englischunterricht. Die Inhaltsfrage ist jedoch (...) von enormer Bedeutung, wenn es darum geht, das Gerüst der Bildungsstandards sinnvoll zu füllen und den Zweck des Englischunterrichts neu zu definieren (Ebd., 41).

Andererseits liegt in dieser Offenheit vielleicht auch die Freiheit, zusammen mit den Lernenden Inhalte, Texte und entsprechende Aufgabenstellungen so auszuwählen, dass sie tatsächlich lerner- und lernorientiert – aber nicht beliebig – sind. Dies kann auch als große Chance betrachtet werden, den Englischunterricht motivierender zu gestalten – zum Beispiel durch Storyline-Projekte, im Rahmen derer die diversen Kompetenzen durch entsprechend gestaltete Aufgaben spielerisch erworben werden, so dass eigentlich weder für Lehrkräfte noch für Lernende ein Grund zur Sorge vor bundesweiten Kompetenztests bestehen müsste. Ob und inwiefern dies gelingen kann, sollen meine Fallstudien in Teil B zeigen.

Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule

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