Читать книгу Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule - Doris Kocher - Страница 22
2.2.2 Ursprünge und geschichtlicher Hintergrund
ОглавлениеAls in Schottland im Jahr 1965 ein neues Schulgesetz für die Primary Schools1 diskutiert und 1966 der Primary Education Report mit den Richtlinien für die kommenden 25 Schuljahre verabschiedet wurde (Harkness 1997, xiii), waren die schottischen Grundschulen vor eine komplett neue Situation gestellt: Um den Problemen der Stofffülle, des fragmentierten Schulalltags und der Trennung von Schule und Lebenswirklichkeit entgegenzuwirken, sollten die Fächer Geographie, Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften fortan unter der Bezeichnung Environmental Studies, die Fächer Musik, Kunst/Werken und Bewegung unter dem Namen Aesthetic Subjects zusammengefasst, der Unterricht insgesamt schülerorientiert, ganzheitlich und integrativ gestaltet und die Klassen möglichst nur von einer einzigen Lehrkraft unterrichtet werden. Diese Neuerungen verursachten einige Unsicherheiten an den Schulen:
In many schools these recommendations created the need for a radical change of approach. Hitherto teachers had based their curriculum on the use of textbook series for the different subjects. Pupils recorded their progress by moving from page to page and chapter to chapter. When these outdated texts were removed, some teachers did not know what to put in their place (Ebd., xiv).
Laut Harkness (1997) basierte das Primary Memorandum ’65 (Primary Education in Scotland) zwar auf guten Prinzipien, war aber als praktischer Leitfaden zu abstrakt und daher für viele Lehrkräfte eher unbrauchbar: “By definition environmental studies could not be a subject, since it was made up of subjects. It had to be a way of teaching, in other words a methodology. Teachers needed help in re-structuring their curriculum planning. Process was beginning to be emphasised as well as content“ (Bell 1995a, 6). Um die curriculare Neuorientierung in die Praxis umsetzen zu können, wurde 1967 am damaligen Jordanhill College of Education in Glasgow (jetzt Teil der Strathclyde University) ein Inservice Staff Tutor Team gegründet, zu dessen drei Mitgliedern Sallie Harkness, Fred Rendell sowie Steve Bell zählten, über den auch der Kontakt mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg in den 1980er Jahren geknüpft wurde. Diese Arbeitsgruppe wurde von der Lehrtätigkeit in der Lehrerausbildung (preservice) befreit und hatte nun die kreative und herausfordernde Aufgabe, in Kooperation mit Lehrerinnen und Lehrern (inservice) die neuen Richtlinien für den muttersprachlichen Grundschulunterricht zu konkretisieren, nämlich im Bereich der Environmental Studies eine ganzheitliche und fächerübergreifende Lehr-/Lernmethode, die aktives, entdeckendes, gruppenorientiertes und differenzierendes Lernen zum Ziel hatte, zu entwickeln. Diese wurde in Schottland zunächst als Staff Tutor Topic Approach oder Topic Work bezeichnet und erst Jahre später im Rahmen der European Association for Educational Design (EED) auf internationaler Ebene unter dem Namen Storyline Approach bekannt gemacht.2
Viele Lehrkräfte und Mitglieder der Schulverwaltung wirkten über Jahre hinweg kooperativ und kollaborativ an der Entwicklung und Realisierung des Topic Work-Konzepts mit. Zahlreiche Themen und Unterrichtsentwürfe wurden in gemeinsamen dreitägigen Workshops, die ab circa 1970 regelmäßig stattfanden, entwickelt, danach im Sinne von learning by doing ausprobiert und innerhalb der Gruppen ausgetauscht, was wiederum demonstriert, wie flexibel der Ansatz für alle Altersklassen und Zielsetzungen genutzt werden kann. Darüber hinaus wurden die Lehrerinnen und Lehrer von Mitgliedern des Staff Tutor Team im Unterricht besucht, betreut und beraten. Harkness (1997) hebt hervor, dass damals vor allem die Arbeit mit buchbasierten Themen beliebt war, da die Lehrkräfte darin Sicherheit verspürten.
Im Laufe der Zeit wechselten ehemalige Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer in die Schulleitung, stellten den Topic Approach im Rahmen von Fortbildungen an ihren Schulen vor und sorgten somit für Kontinuität und Weiterentwicklung des Modells. Viele Schulen wurden auf diese Weise zu so genannten “Storyline schools“ (Bell 2007, 30). Theoretische Ansätze blieben jedoch während der ganzen Entwicklungsphase eher im Hintergrund, denn es handelte sich eindeutig um ein Konzept aus der Praxis für die Praxis, welches gemeinsam mit praktizierenden Lehrkräften entwickelt und mit deren Unterstützung verbreitet wurde. Das Motto lautete also vielmehr: “Practice, reflection, theory“ (Ebd., 28).