Читать книгу Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule - Doris Kocher - Страница 27
2.3.2.1.1 Zur Typologie: Konkrete Beispiele für den Fremdsprachenunterricht
ОглавлениеEine narrative Rahmenhandlung für ein Storyline-Projekt kann – je nach Lernbereich, Zielsetzung, Interesse, Alter und Sprachkompetenz der Lernenden – auf unterschiedlichste Art und Weise geschaffen werden. Da der Schwerpunkt dieser Arbeit auf dem Fremdsprachenunterricht liegt, werden nachfolgend vorrangig diesbezügliche Beispiele genannt, wobei es selbstverständlich auch möglich ist, einen Teil des Projekts im fremdsprachlichen und andere Phasen im muttersprachlichen Unterricht zu realisieren.
Generell kann jedes beliebige Thema als Aufhänger für ein Storyline-Projekt gewählt werden. Dabei kann es sich um ein Kapitel aus dem Schulbuch (Robin Hood; Space camp Florida; Life on a farm), eine Phantasiegeschichte (Aliens; Dragon Island; The enchanted forest), ein fächerübergreifendes und/oder bilinguales Thema (Life in a medieval castle; A trip across the Australian outback; Californian gold rush), die Lektüre eines Märchens (Cinderella; Snow White; Little Red Riding Hood), eines klassischen Werkes (Macbeth; Romeo and Juliet; The Great Gatsby) oder eines Jugendromans (Robinson Crusoe; Uncle Tom’s cabin; Harry Potter) handeln. Darüber hinaus kann auch ein musikalischer Beitrag1 (Phantom of the Opera von A.L. Webber; Loch Lomond von Runrig; Zombie von The Cranberries) oder ein aktuelles Thema aus der Lebenswelt der Jugendlichen (Song contest; Work and travel; Our new youth club) als Basis für eine Storyline dienen. In den meisten Fällen wird es so sein, dass sich realitätsnahe und fiktive Elemente in einem Storyline-Projekt vermischen und lediglich ein Schwerpunkt bezüglich der gewählten Unterrichtsthematik festgelegt werden kann.
Landeskundliche Themen
Landeskundliche Themen2 eignen sich besonders auch für bilinguale Storyline-Projekte. Ob es sich hierbei um den amerikanischen Bürgerkrieg, ein umstrittenes Staudammprojekt in Indien, das Leben einer Familie in einer australischen Wüstenlandschaft oder in einer englischen Stadt im Mittelalter handelt, ist relativ unerheblich. Entscheidend ist, dass das Interesse der Lernenden durch einen geeigneten Einstieg in die Thematik geweckt wird, so dass sich eine inspirierende Geschichte entwickeln kann.
Impulse für einen Einstieg können auf unterschiedliche Weise erfolgen: Historische Dokumente wie Geburtsurkunden, Fotografien oder ein Tagebuchauszug eines US-Einwanderers, eine Wegbeschreibung oder eine historische Landkarte, ein altes Werbeplakat oder ein Gemälde, ein Bittbrief oder Hilfeappell einer indischen Familie usw. regen zu einem Brainstorming an und aktivieren somit die eigene Vorstellungskraft. Auch aktuelle Zeitungs- und Zeitschriftenartikel bieten sich für eine Vielzahl von Kontexten an. Sie lösen einerseits persönliche Betroffenheit aus und dienen andererseits als Beweismittel für die Authentizität und Aktualität des Vorfalls. Eine starke emotionale Betroffenheit kann oft über audiovisuelle Medien, also authentische Nachrichtensendungen oder Sequenzen aus Spiel- und Dokumentarfilmen, erreicht werden. Gerade das Internet bietet mittlerweile unzählige Quellen und Möglichkeiten, die selbstverständlich stets auf ihre Glaubwürdigkeit und Authentizität hin überprüft werden sollten, bevor sie im Unterricht genutzt werden. Authentische oder fingierte Reise- und Stellenanzeigen, Werbeplakate bzw. -prospekte für Produkte, Dienste und Veranstaltungen oder auch ein simples Statement der Lehrkraft (“Imagine you are engineers from L.A. who are asked to design a dam in the Colorado River area ...“) können ebenfalls als motivierende Aufhänger für eine zu entwickelnde Geschichte dienen.
Real-life-Geschichten
Geschichten, die sich auf den eigenen Erfahrungsbereich und konkreten Lebensalltag der Schülerinnen und Schüler beziehen, wirken besonders motivierend.3 Je nach Lernalter, Interesse oder örtlicher Gegebenheit bieten sich folgende Themenbereiche für Storyline-Projekte an: eine Urlaubs- oder Studienreise, ein Besuch im Zoo oder Zirkus, die Gestaltung eines Schulhofs oder eines örtlichen Parks, die Eröffnung/Verwaltung eines Jugendzentrums oder einer Disko, der Bau eines Wohnblocks oder einer neuen Autobahnstrecke usw.4 Der Einstieg in die gewählte Thematik kann über ein real existierendes oder ein fingiertes Werbeplakat, eine Annonce, einen Direkteinstieg (“We are asked to design a new youth club ...“), eine persönliche Mitteilung (“I heard that ...“), eine persönliche Erzählung (“Some years ago I joined a photo competition. I won a trip to New Zealand ...“) oder über eine bloße Frage (“Do you think our village is attractive for tourists?“) erfolgen.
Textbasierte Geschichten oder Phantasiegeschichten
Als Vorlage für ein Storyline-Projekt kann auch ein Buch dienen.5 Der Vorteil liegt auf der Hand: Die Geschichte muss nicht neu erfunden werden und somit erspart man sich Vorbereitungszeit. Als Nachteil könnte sich allerdings die Tatsache erweisen, dass man gedanklich zu sehr auf die „echte“ Geschichte, also den Originaltext, fixiert ist. Dienlich sind in jüngeren Klassen Märchen, auch unbekannte aus anderen Ländern, sowie Phantasiegeschichten, egal ob veröffentlicht (wie Harry Potter) oder selbst verfasst, aber auch allerlei bildgestützte Geschichten, Bilderbücher oder auch biblische Geschichten. In älteren Klassen bieten sich Texte aus dem Bereich Science Fiction oder der aktuellen Jugendliteratur (z.B. Holes) an, aber auch Klassiker (z.B. Romeo and Juliet).
Hinsichtlich der Vorgehensweise bestehen mehrere Möglichkeiten: Eine Geschichte wird im Laufe des Projekts etappenweise vorgelesen oder frei erzählt und von den Lernenden durch Dialoge, Collagen und Nebenhandlungen konkretisiert und dokumentiert. Alternativ kann lediglich der Beginn, ein markanter Ausschnitt oder auch nur das Ende einer Geschichte erzählt, vorgelesen oder per Film bzw. DVD präsentiert werden. Besonders geeignet scheinen für solche Zwecke so genannte dilemma stories zu sein, bei denen die Schülerinnen und Schüler für eine Problemsituation Lösungen finden und gegeneinander abwägen müssen. Des Weiteren können (fingierte) Annoncen, das Abspielen verschiedener Geräusche bzw. eines musikalischen Beitrags oder das Mitbringen eines geheimnisvoll wirkenden Gegenstandes (z.B. eine Flaschenpost oder Handtasche) als Einstieg in eine Phantasiegeschichte dienen, denn diese muss nicht zwangsläufig in Buchform vorliegen und bis zum Schluss als verbindliche Vorlage dienen. In der Regel sind Schülerinnen und Schüler während bzw. nach einer derartigen Storyline motiviert, die ursprüngliche Textvorlage zu rezipieren, um diese mit den eigenen Vorschlägen und Ideen zu vergleichen. Eine gute Möglichkeit also, um Literaturunterricht spannend und schülerorientiert zu gestalten!
Von Zeit zu Zeit kommt unter Kolleginnen und Kollegen die Frage auf, wie viel Phantasie und gestalterische Freiheit bei realitätsbezogenen und landeskundlichen Themen erlaubt seien. Hier kommt es zweifellos auf die Zielsetzung an: Soll schwerpunktmäßig ein landeskundlicher bzw. sachlicher Inhalt vermittelt werden, dann sollte dieser authentisch sein, das heißt, Jahreszahlen, Schauplätze und Ereignisse sollten nicht verändert werden, stattdessen sollte das Thema die Lernenden vielmehr dazu anregen, intensiv zu recherchieren. Wird dagegen ein historisches oder geographisches Ereignis „nur“ als Aufhänger für eine Storyline oder eine Nebenhandlung verwendet, dann kann großzügiger und kreativer verfahren werden.