Читать книгу Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule - Doris Kocher - Страница 19

1.7 Zusammenfassung und Fazit

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Ohne Sinn sind Schulen Häuser der Leere, nicht der Lehre (Postman 1995, 20)

Schule hält offenbar nicht das, was sie verspricht, nämlich die Vorbereitung der jungen Menschen auf die komplexen Anforderungen des Lebens sowie die Vermittlung von Chancengleichheit und Gleichberechtigung beim Übergang ins Berufsleben. An vielen Schulen herrschen nicht nur Stress, Burnout und diverse Formen von Aggressionen und Gewalt, sondern auf Grund von Homogenisierungsbestrebungen und „Konformitätsdruck“ (Lösel/Bliesener 2003, 175) auch Über- bzw. Unterforderung auf Seiten der Lernenden und somit auch viel Frustration und Langeweile, so dass Unterrichtsstörungen nachvollziehbar werden. Ebenso nachvollziehbar sind Studien, die belegen, dass die Schulmüdigkeit mit dem Alter steigt und während der Pubertät in Schulverweigerung und Schwänzen münden kann, wenn sich so genannte Bildungsverlierer „einer für sie subjektiv hoffnungslosen Situation nicht mehr stellen wollen“ (Fuchs u.a. 2005, 269). Schober und Spiel (2004, 205) fassen die diversen Untersuchungsergebnisse wie folgt zusammen:

So wird immer wieder gezeigt, dass das durchschnittliche Interesse der SchülerInnen an der Schule und am schulischen Lernen mit zunehmender Jahrgangsstufe eher abnimmt. Die Frage, wie an dieser Situation etwas geändert werden kann (...), stellt nun kein wirklich neues Thema dar. Sie bekommt allerdings in den letzten Jahren besondere Brisanz im Kontext der Entwicklung Europas hin zur oft zitierten ‘Wissensgesellschaft’, die vor zahlreichen wirtschaftlichen, sozialen und strukturellen Herausforderungen steht.

Um jedoch mit den permanenten Veränderungen Schritt halten zu können, muss die Schule alle ihre Mitglieder und auch die Verantwortlichen in der Administration zum kontinuierlichen Lernen – auch außerhalb der Schule – anregen:

Daraus erfolgt die notwendige Arbeit an der Kultivierung des Schulalltags, an Lern- und Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche, die diesen nicht nur die Aneignung des nötigen Wissens, des nötigen Könnens – oder allgemeiner gesprochen: der nötigen Kompetenzen – erlauben müssen, sondern die darüber hinaus von diesen auch sinnvoll, interessant und zum Lernen herausfordernd erfahren werden können (Liebau 2005, 60).

„Lebenslanges Lernen“ heißt das vielsagende neue Bildungskonzept, „das den Um- oder Neubau des bestehenden Bildungssystems erfordert“ (Lenz 2004b, 122). Wie die vorangegangenen Kapitel gezeigt haben, herrschen in unserem Bildungssystem aber noch viele Traditionen, die offensichtlich nicht von einem Tag auf den anderen verworfen werden können. Es braucht lange, bis der „Tanker“ in Bewegung kommt und ob er dann – in unserer schnelllebigen Gesellschaft – auf dem richtigen Kurs ist, lässt sich schwer prognostizieren. Aus diesem Grund scheint es mir wichtig, sinnvoller und erfolgversprechender, nicht auf Veränderungen von „oben“ zu warten, sondern aktiv mit konkreten Veränderungen im Klassenzimmer, also von „unten“, zu beginnen und im gleichen Zug Lehramtsstudierende auf die neue Situation konstruktiv vorzubereiten. Ob dies beispielsweise mit Hilfe des Storyline-Konzepts gelingen kann, sollen meine Untersuchungen zeigen (vgl. Teil B).

Wenn wir uns also von einer Risiko- zu einer Chancengesellschaft entwickeln möchten, dann müssen die heterogenen Voraussetzungen der Kinder und Jugendlichen sachlich wahrgenommen, wertneutral akzeptiert und konstruktiv genutzt werden. Laut Lenz (2004b, 117) befinden wir uns (noch) in einer „Belehrungs- und Lerngesellschaft“.1 Scrubar (2006) spricht von einer „Unwissensgesellschaft“. Damit die Transformation zur „Wissensgesellschaft“ kein „Mythos“ bleibt (Kübler 2005), müssen sich Schule und Unterricht wandeln und sich vom noch immer vorherrschenden Frontalunterricht lösen, um den individuellen Bedürfnissen der Lernenden besser gerecht werden zu können. Dies gilt insbesondere auch für den Fremdsprachenunterricht, der vielerorts noch immer als Auswendiglernen von Vokabeln und Grammatikregeln verstanden wird und in den meisten Fällen darauf hinausläuft, das Schulbuch durchzupauken. Dass dies enorm zeitaufwändig und wenig motivierend ist, ohne dass letztendlich konkrete authentische Anwendungssituationen produktiv gemeistert werden können, ist den meisten Lehrkräften bewusst. Von Seiten der Lernenden wird dieser Tatbestand spätestens dann beklagt, wenn sie im Ausland feststellen, dass sie nach mehreren Jahren Englischunterricht noch nicht einmal ein banales Gespräch führen können. Interkulturelle kommunikative Kompetenz ist und bleibt für viele während der Schulzeit offenbar ein Fremdwort.

Obwohl sich deutsche Schülerinnen und Schüler im internationalen Vergleich mit am längsten im Schulsystem befinden und auf Grund von Prüfungsängsten und mangelndem Selbstvertrauen sehr viel Zeit und Energie in die Schule investieren, schneiden sie bei PISA nur mittelmäßig ab: Offensichtlich wird an unseren Schulen zwar viel gelehrt, aber zu wenig gelernt! Dies wird beispielsweise auch in der DESI-Studie moniert: 30 % der Lernenden in Jahrgangsstufe 9 erreichen „nicht einmal das international eher untere Niveau A2“ des GER (Edelhoff 2007, 3). In der Hauptschule „erreicht etwa nur ein Drittel der Schülerinnen und Schüler das Regelziel der Bildungsstandards“ (Klieme 2006, 2). Kluge (2003) kritisiert: „In unseren Schulen lernt man, die vom Lehrer erwarteten Antworten zu geben, nicht aber, Fragen zu stellen“ (Ebd., 21). Die Lernenden wissen, „dass sie in diesem Frage-und-Antwort-Spiel nicht gefragt, sondern abgefragt werden“ (Ebd., 83). Dies wirkt sich entsprechend negativ auf ihre Lernmotivation aus. Lernen muss also anders angelegt werden, denn die PISA-Befunde belegen auch, dass deutsche Schülerinnen und Schüler zwar „Regeln befolgen, aber nicht problemlösend denken“ können (von der Groeben 2007, 8), was jedoch für die konstruktive und kreative Gestaltung ihrer Zukunft unabdingbar ist. Dies zu vermitteln ist meines Erachtens eine der wichtigsten Aufgaben der Schule.

Zum Schluss ergeben sich mindestens drei Fragenkomplexe: 1. Wie kann in der Schule die Entkoppelung von der Schule gelernt werden? Wie sollte eine Lernumgebung gestaltet sein, damit Schülerinnen und Schüler besagte Selbstlernkompetenz entwickeln können? 2. Wie können sie zu neugierigen, kritischen und lebenslang Lernenden erzogen werden, die nicht nur Regeln befolgen und Fragen beantworten, sondern auch Fragen stellen können? 3. Was kann der Fremdsprachenunterricht zu diesen überfachlichen Zielsetzungen beitragen? Konkret: Wie kann trotz zunehmendem Leistungsdruck durch Bildungsstandards und der damit verbundenen Testsituation guter Englischunterricht gestaltet werden? Oder besser: Wie können Leistungsdruck und Versagensängste durch guten Englischunterricht vermieden und zugleich die Lernmotivation erhöht werden? Und: Wie können bekannte methodisch-didaktische Leitprinzipien wie Lernerautonomie, selbstverantwortliches Lernen, kooperatives Lernen und Handlungsorientierung endlich realisiert werden, um die vielfältigen Potenziale der heterogenen Lerngruppen besser auszuschöpfen und somit einen Beitrag zur Chancengleichheit auf Seiten der Lernenden und Berufszufriedenheit auf Seiten der Lehrkräfte zu leisten? Last but not least: Können Storyline-Projekte möglicherweise die Motivation der Lernenden hinsichtlich des Fremdsprachenlernens erhöhen und die entsprechenden Kompetenzen vermitteln, also einen positiven Beitrag zum lebenslangen Lernen leisten?

All diesen Fragen wird in den nächsten Kapiteln nachgegangen. Zuvor aber soll der Storyline Approach vorgestellt werden: ein aus meiner Sicht vielversprechender und zukunftsweisender Ansatz, um die oben aufgeführten Probleme konstruktiv anzugehen.

Fremdsprachliches Lernen und Gestalten nach dem Storyline Approach in Schule und Hochschule

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