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Beckenbodenblues

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»Spielen Sie Ihrem Baby Musik vor«, rät mein Babybuch. Ja, schöne Idee, finde ich. Musik ist toll. Sogleich erfahre ich: »Babys lieben Mozart«. Ach. Das habe ich schon mal wo gehört. Also wenn die Beschallung im Mutterleib schon losgehen soll, dann bitte mit Mozart. Mozart ist schön. Ja. Ich liebe Mozart. Aber das war nicht immer so, und es soll auch Menschen geben, die nicht sämtliche Instrumentalwerke und die Da Ponte Opern im Regal stehen haben. Was mein Baby wohl lieber hat, »Cosí fan tutte« oder das Oboenkonzert? Oder ist es ihm egal, Hauptsache Mozart?

Ich meine, das geht eine Zeit lang. Man kann das hören. (Mit Ausnahme der Serenade Nr. 13 in G-Dur, KV 525 – jaja, Sie wissen schon, welche das ist...) Es war bei mir nicht Liebe auf den ersten Blick, aber beim zweiten Blick, bei dem hat es mich dann schon erwischt. Diese ganzen scheinbar planlos aneinandergereihten Passagen, Übergänge, wo man sich fragt, ob der Mann vom Kompositionsstil seiner Zeit überhaupt eine Ahnung hatte, aber sein musikalisches Genie hat das alles ausgeglichen, es klingt wunderbar, und er ist einer der berühmtesten Komponisten aller Zeiten. MusikerInnen plagen sich monatelang mit dem Üben ab und spielen sich die Finger wund, und wenn sie es dann endlich können, hört es sich kinderleicht an. Also, warum soll er nicht auch für Babys gut sein? Das macht Sinn. Beethoven ist vielleicht etwas schwerfällig und Rossini zu geschwätzig. Rap oder Heavy Metal könnten doch wer weiß was für nachhaltige Schäden hinterlassen, dafür muss man psychisch schon eine recht stabile Persönlichkeit sein, das sehe ich ein.

Nein, Mozart ist gut, keine Frage. Damit kann man nicht viel falsch machen, und seitdem neuerdings bekannt geworden ist, dass sich sogar in Babytees krebserregende Stoffe befinden, ist man doch schon noch einmal ein ganzes Stück sensibler geworden, womit man den Nachwuchs so konfrontiert, im Laufe seines Wachstums.

Aber fair wäre es schon, dass man auch darüber nachdenkt, was der werdenden Mutter so gefällt, schließlich muss man ja schon ganz schön laut aufdrehen, damit da irgendwas an Schall durch die Bauchdecke dringt und überhaupt wahrgenommen werden kann. Und das hat doch Auswirkungen auf die Stimmung der Schwangeren, was ja angeblich sowieso mitunter ein heikles Thema ist… Und gibt es eigentlich schon Untersuchungen darüber, ob sich der Musikgeschmack in der Schwangerschaft ändert? Das Gerücht von Schokolade und Essiggurken hält sich ja hartnäckig, obwohl ich mich persönlich – und das ist keine wesentliche Veränderung im Vergleich zu vor der Schwangerschaft – weder zum einen noch zum anderen und schon gar nicht zu einer Kombination aus beidem hinreißen lassen würde. Aber das mit der Musik finde ich doch interessant, denn schließlich habe ich mich erst vor kurzem dabei ertappt, seit Jahrzehnten nicht gehörte CDs aus dem Regal zu holen und mit ähnlichem Genuss zu hören wie damals… als ich noch… ihr-wisst-schon-was war. Ob das jetzt in unmittelbarem Zusammenhang mit der Schwangerschaft steht, könnte ich nicht sagen. Ich hoffe, irgendjemand macht sich mal die Mühe und gibt eine Studie dazu in Auftrag. Jedenfalls würde ich gerne noch eine Alternative zu Mozart vorschlagen, denn neun Monate Mozart sind fast noch schlimmer als neun Jahre Kinderlieder, wobei man auch fragen könnte: Was ist mit dir passiert, Kind, im Bauch hast du Mozart gehört und jetzt La Le Lu?

Wie dem auch sei, neun Monate Mozart wären selbst dem eingefleischtesten Musikliebhaber zu viel. Deshalb würde ich vorschlagen, neben Fitness- und Ernährungsprogrammen für Schwangere, eine präzise abgestimmte musikalische Linie zu entwickeln, über deren Nutzen kein Zweifel aufkommen kann, ich bin sicher, sie wäre ein schlagender Erfolg.

Fixer Bestandteil müsste unbedingt der sogenannte »Beckenbodenblues« sein (ich hoffe, der Terminus findet bald Einzug in die gängige musikwissenschaftliche Sekundärliteratur). Man stelle sich dazu breitbeinig auf, verlagere das Gewicht auf ein Bein (Standbein) und wippe kräftig mit dem Fuß des anderen (Spielbein) im Rhythmus. Nach vier Takten (also vier mal vier zählen) wechsle man Standbein und Spielbein. Dabei spanne man den Beckenboden bei jeder Gewichtsverlagerung etwas an, sodass bei gleichzeitigem Musikgenuss eine Kräftigung der Beckenbodenmuskulatur erreicht wird.

Weitere unverzichtbare Nummern wären die »Sinfonie der Spätgebärenden« oder aber auch der »Brechreizbossanova«, die »Ouvertüre für unerwünschte Schwangerschaften«, der »Folsäurefado«, der »Chorionzottenchoral«, das »Kaiserschnittkonzert«, der »Trimestertango«, die »Muttermilchmazurka« oder der »Hausgeburtenhiphop«, und für die etwas Altmodischen gäbe es noch den »Rückbildungsrock’n’roll«.

Man sieht schon, der Fundus ist groß, also der musikalische Fundus natürlich…

Ich möchte nicht zu weit vorgreifen, wir wissen ja, dass Ideen, die ihrer Zeit weit voraus sind, gerne als Utopien abgetan werden, aber später einmal könnte man vielleicht auch über Werke größeren Ausmaßes nachdenken, so etwa über eine Operette im Wiener Stil mit dem Titel »Oma, Opa und der Babybrei«, oder auch über eine große romantische Oper im Geist Richard Wagners, »Die fliegende Hebamme«, und auch am Genre Filmmusik wird man über kurz oder lang nicht vorbei kommen, denkt man an Titel wie »Wer hat Angst vor dem Vaterschaftstest«, »Neulich in der Listeria Lane« oder…

Nun ja. Bleiben wir vorerst dabei.

Mein Sohn Elisabeth

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