Читать книгу Winterreise nach Alaska - Doris Wiedemann - Страница 10
Ene mene miste — ̶̶wo ist unsere Kiste?
ОглавлениеDer Weg zur Spedition gestaltet sich schwieriger als ich dachte. Wir fahren mit dem Shuttle Bus zurück zum Flughafen und suchen uns dort einen öffentlichen Bus. Erst nach einer Weile erklärt uns der Busfahrer eher unwillig, dass er gar nicht in den Teil von Newark fährt, in den wir wollen. Wir müssen aussteigen und rund fünf Kilometer laufen. Ein Taxi ist weit und breit nicht in Sicht und ich komme ganz schön ins Schwitzen, während ich bepackt mit Werkzeug und Kameraausrüstung hinter dem ebenfalls schwer tragenden Sjaak herlaufe, den seine innere Unruhe im Eilschritt vorantreibt.
Die Mitarbeiterin der Spedition präsentiert uns eine gesalzene Rechnung, die wir nicht erwartet haben. Beim Angebot hätten sie leider einen Kostenpunkt vergessen, erklärt sie uns. Weil sie unsere Motorräder haben, sind wir in einer ungünstigen Verhandlungsposition. Also laufe ich zum nächsten Einkaufscenter und hole dort am Automaten Geld. Dann erledigen wir die Formalitäten. Inzwischen ist es vier Uhr Nachmittag. Es macht keinen Sinn mehr, die Holzkiste mit den Motorrädern zu öffnen, da wir mindestens einen halben Tag für den Zusammenbau der Maschinen brauchen. Aber wir besichtigen die Kiste. Sie ist gänzlich unbeschädigt. Den Motorrädern kann also nicht viel passiert sein.
»Morgen kommen wir wieder und holen euch da raus«, verspreche ich den beiden durch die Holzwand hindurch.
Sjaaks innere Unruhe ist beinahe körperlich spürbar. Er will kein Taxi nehmen, sondern zu Fuß an der Straße entlanglaufen, bis wir eine Bushaltestelle finden. Da mein normales Jogging-Programm in den letzten Wochen etwas zu kurz gekommen ist, willige ich ein und wir marschieren ... bis wir am Hotel ankommen. Auf der Strecke fahren keine Busse und deshalb gibt es logischerweise auch keine Bushaltestellen. Zwölf lange Kilometer haben wir zurückgelegt, sagt das Taxameter des das Taxis am nächsten Morgen, das die Strecke in wenigen Minuten schafft.
Ich fühle mich wie ein Kind am Nikolausabend, voller Erwartung und Freude darauf, die Motorräder auszupacken. Aber meine heitere Stimmung bekommt einen kräftigen Dämpfer, als Sjaak mit großem Ernst und hoch konzentriert an die Arbeit geht. Ich bin mit meiner Euphorie alleine, und sie verfliegt ... In der düsteren Halle der Spedition holen wir die Motorräder aus der Holzkiste, schrauben sie zusammen und packen alles auf die Maschinen, was darüber hinaus in der Kiste Platz gefunden hatte. Die Zega-Boxen und die Top-Box der R1 sind genauso voll wie die Alukisten meiner BMW. Die zwei Sätze Winterreifen verzurren wir auf dem Rücksitz meiner 800er, in ihrer Mitte versenken wir einen Touratech-Packsack und binden dann noch das Zelt und eine Tasche mit Kleinteilen auf die Alukoffer.
Lady Sunshine habe ich die BMW in Deutschland spontan getauft, als sie mit den gelben Lackteilen vor mir stand. Die Enduro gefällt mir. Sie ist schlank und elegant und ich hoffe, dass der Namen ein gutes Omen für unsere Reise sein wird. Im Moment aber ist sie so schwer beladen, dass ich sie nicht einmal ohne Weiteres vom Seitenständer hochheben kann. Als Sjaak mir zur Hand gehen will, bitte ich ihn, sich nur zur Sicherheit daneben zu stellen. Auf der Straße muss ich das Motorrad alleine manövrieren, deshalb möchte ich sie vorher bereits ein bisschen ausbalanciert haben.
Glücklicherweise gibt es nur einen Kilometer vom Lagerplatz der Spedition entfernt eine Tankstelle, an der wir die leeren Tanks auffüllen können. Der Einfüllstutzen der F 800 GS ist hinten rechts neben der Sitzbank. Aber das fällt mir erst vor der Zapfsäule ein und ich muss noch einmal wenden. Erst als ich schwerfällig zwischen Tankrucksack und Reifenstapel herausklettere, fällt mir auf, wie problemlos die kleine Runde auf dem Tankstellengelände war. Tolles Handling, lobe ich meine Lady und klopfe ihr auf den Pseudotank, unter dem sich eigentlich die Batterie und der Luftfilter des Motorrades befinden.
Erfreut stelle ich fest, dass ich mit meiner Kreditkarte direkt an der Zapfsäule bezahlen kann, also nicht mit meinen warmen Klamotten in den geheizten Kassenraum gehen muss. Tagsüber hatte es sechs Grad Celsius plus. In der Abenddämmerung ist das Thermometer jedoch auf plus zwei Grad Celsius gesunken und ich habe alles angezogen, was in der Holzkiste war: Den BMW Anzug, die Daytona Stiefel, Winterhandschuhe und natürlich den Arai Helm. Drunter trage ich die Thermo-Unterwäsche von Held, meine normale Hose und die G-Loft Jacke von Carinthia. So lässt es sich zwölf Kilometer weit aushalten. Ich schalte nicht einmal die Griffheizung ein.
Nachdem wir die Motorräder auf dem Hotelparkplatz abgestellt und das Gepäck in unserem Zimmer verstaut haben, fällt auch bei Sjaak langsam die Anspannung ab und wir gehen gut gelaunt in ein kleines russisches Lokal, um dort unsere Wiedervereinigung mit den Motorrädern zu feiern. Alternativ wäre nebenan ein Asiate gewesen. Einen landestypisch viel passenderen McDonalds gibt es rund um das Hotel überraschenderweise nicht, aber ich bin mir sicher, dass wir das irgendwo nachholen können.