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Sommer in Florida

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In Florida zeigt das digitale Thermometer an meiner BMW gegen Mittag ganze 29 Grad Celsius an. Wir halten an einer Tankstelle und befreien unsere Anzüge von ihrem Thermofutter. Dabei stellen wir lachend fest, dass keiner von uns daran gedacht hat, dünne Handschuhe mitzunehmen. Meine BMW hat zwar eine Griffheizung, aber keine Kühlung. Und wir fahren beide nicht ohne Handschuhe. Wir sind uns einig, dass das zu gefährlich ist, weil es ein normaler Reflex, bei einem Sturz ist, sich mit den Händen abzustützen. Und es ist ziemlich sicher, dass dabei hässliche Schürfwunden entstehen, wenn die Hände nicht geschützt sind. Aber erinnert mich Sjaak, dass ich den doppelten Kragen an meiner Jacke abnehmen kann. Das macht einen großen Unterschied, und ich bin ihm sehr dankbar.

Ein Kunde von Rusty hat uns Gutscheine für ein paar Restaurantketten geschenkt. Aber zur rechten Zeit finden wir kein passendes Gasthaus und halten deshalb bei einem Gyrosstand. Typisch amerikanisch auf seine Weise, schließlich ist Amerika eine Vielvölkernation. Außerdem können wir uns auf diese Weise die Gutscheine für eine besondere Gelegenheit aufheben, überlege ich bei mir.

Das Wetter ist wie geschaffen, um Motorrad zu fahren, und wir fallen eigentlich nur deshalb auf, weil wir riesige Berge an Gepäck dabei haben. Jack, den wir an einer Tankstelle südlich von Palm Beach treffen, interessiert sich außerdem für meine BMW F 800 GS und inspiziert sie neugierig. Der Immobilienmakler fährt selbst eine BMW R 1150 GS, gibt mir seine Adresse in Sarasota, an der Westküste Floridas, und lädt uns spontan ein. Er habe ein großes Haus mit Garage, sagt er.

»Dort darfst auch du mit deiner Yamaha parken«, verspricht er Sjaak mit einem lustigen Augenzwinkern. Dann verabschieden wir uns. Er hat einen Termin in Miami und wir wollen nach Key West, um unsere Reise endlich offiziell zu beginnen.

Am Abend erreichen wir die Stadt Key Largo. Eigentlich wollten wir auf einem Campingplatz mit Internetanschluß übernachten. Aber als Sjaak sich nach dem Weg erkundigt, lädt uns der Angesprochene zu sich nach Hause ein. Er heißt Jeff und wohnt in einem einfachen Bungalow hinter dem Betriebsgebäude seiner Eltern. Diese haben eine Eisenwarenhandlung, in der Jeff tagsüber arbeitet. Nebenbei schaut er regelmäßig durch den Abfall des nahe gelegenen Supermarktes und nimmt dort Sachen mit, die man noch benutzen kann. An diesem Tag hat er beispielsweise ein paar kleine Setzlinge mitgenommen, die so vertrocknet und müde sind, dass sie niemand mehr kaufen will.

»Aber wenn ich sie ein bisschen pflege, dann erholen sie sich bestimmt wieder und ich kann sie weiterverkaufen«, erzählt er voller Begeisterung und fügt hinzu: »Es ist doch schade, wenn solche Sachen einfach weggeschmissen werden.«

Ich stimme ihm von ganzem Herzen zu. Unserer Wegwerfmentalität fehlt meiner Meinung nach der Respekt, vor dem Leben von Pflanzen und Tieren ebenso wie vor der Arbeit anderer. Auch die billigen Ein-Euro-Artikel müssen produziert werden. Dies geschieht meistens in Billiglohnländern, in denen die Umweltrichtlinien und Arbeitsschutzbestimmungen nicht so streng sind wie bei uns. Dabei frage ich mich oft, ob unser Wohlstand uns tatsächlich das Recht gibt, Produkte gering zu schätzen, die billig sind. Weil es Länder gibt, deren Menschen so arm sind, dass sie sich keinen Protest und keinen Widerstand gegen die Großkapitalisten leisten können. Weil es Eltern gibt, die lieber ihre Gesundheit ruinieren, als ihre Kinder verhungern zu lassen. Ich würde mir wünschen, dass wir uns vielmehr durch unseren Reichtum verpflichtet fühlen, mit einem bewussten Einkauf derartige Missstände zu bekämpfen. Denn in der Welt des Kapitalismus sind es die Konsumenten, die die Macht in ihren Händen beziehungsweise in ihren Geldbörsen halten.

Jeff räumt sein Gästezimmer frei, kocht ein leckeres Abendessen und lädt uns ein, so lange zu bleiben, wie wir wollen:

»Ich muss morgen dort drüben arbeiten. Wenn ihr etwas braucht, könnt ihr jederzeit kommen«, bietet er uns an. Als er hört, dass wir am nächsten Tag nach Key West wollen, fügt er hinzu:

»Kommt am Abend einfach wieder vorbei. Sollte ich selbst nicht da sein, ist die Haustüre offen und ihr könnt euch wie zuhause fühlen.«

Das ist Amerika, wie ich es kenne. Locker und unkompliziert, gastfreundlich und offen. Wobei mir selbstverständlich bewusst ist, dass es enorm hilft, dass Sjaak und ich weiße Christen aus Europa sind. Einem deutschen Freund von mir, der schlecht Englisch spricht und einen arabischen Nachnamen hat, haben die Sicherheitskräfte auf dem Flughafen von Miami nach den Attentaten vom 11. September erst einmal die Nase blutig geschlagen, bevor sie ihn weiterfliegen ließen.

Sjaak und ich haben für diese Reise viel Unterstützung von verschiedenen Firmen erhalten. Die teure Ausrüstung hätten wir uns nicht leisten können. Schließlich müssen wir auch noch die Reisekosten bezahlen. Als kleines Dankeschön wollen wir Aufkleber auf unseren Motorrädern anbringen. Sjaak hat schon länger Sponsoring — und damit auch Aufkleber — Erfahrung. Er prophezeit mir schon seit Tagen, dass wir dafür viele Stunden brauchen werden. Und er soll recht behalten. Wir sind bis zum frühen Nachmittag damit beschäftigt, hübsche Plätze für die jeweiligen Aufkleber zu finden, die Stelle zu putzen und dann die Aufkleber falten- und blasenfrei dort anzubringen. Sjaak zeigt mir, dass man einen Aufkleber nachträglich noch ein bisschen verschieben kann, wenn man die Klebefläche vorher nass macht. Ein schöner Trick, den ich mir merken werde.

Es ist herrlich warm, die Sonne scheint und wir haben alles, was wir brauchen. Eigentlich könnte es Spaß machen, die Aufkleber auf den Motorrädern anzubringen. Aber ich habe langsam den Eindruck, dass sich für Sjaak Arbeit und Lachen ausschließen. Schade, denn ich habe lieber Freude an der Arbeit, dann geht sie mir leichter und schneller von der Hand. So aber wird gemault und gezickt und ich bin erleichtert, als wir endlich alles hinter uns haben.

Winterreise nach Alaska

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