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VIII Sommer 1976
ОглавлениеIhr verbringt den Sommer in Frankreich“, sagte Eleonore Westerholt. Es war nicht mehr als eine einfache Feststellung. Sie hatte ihre Söhne Frank und Konrad, ihre Tochter Vera und Martin zu sich gebeten. Sie saßen auf der Terrasse, drüben bei „Heinz Jupp“ herrschte frühsommerlicher Hochbetrieb bei Kaffee und Kuchen. Frank und Konrad waren längst aus dem Haus. Da war es schon mutig, so schien es Martin, so mir nichts Dir nichts über deren Sommer zu bestimmen. Zwei groß gewachsene Männer, kräftig, die machten echt was her. Die würden sich doch nicht vorschreiben lassen, womit sie die nächsten Wochen oder gar einen ganzen Sommer lang zuzubringen hätten.
Aber ihre Mutter durfte man nicht unterschätzen. Sie wandte sich an Frank und Konrad: „Es ist ja kein Geheimnis, dass Ihr beide Eure Säckel gern gefüllt habt. In den nächsten Wochen könnt Ihr gutes Geld verdienen. Wenn Ihr Eure Sache vernünftig macht, habt Ihr bis Ende August ein Salair erarbeitet, das selbst Euren Wünschen entsprechen dürfte.“
„Was gibt’s denn?“, fragte Frank.
„Ich hab schon was vor“, sagte Konrad. Jedenfalls vermutete Martin, dass es Konrad war. Nur so, von der Art zu reden und zu reagieren. Unterscheiden konnte er sie immer noch nicht zuverlässig.
„Wie Ihr das im Einzelnen macht, ist Eure Entscheidung. Wie Ihr Arbeit und Lohn letztlich untereinander aufteilt, da will ich mich nicht einmischen. Ihr habt folgendes zu tun: In den nächsten zwei Monaten werden meine Schwester Cécile und ihr Mann Gérard eine große Reise unternehmen. Das steht schon seit langem fest. Nun hat sich überraschend ihr Knecht – sie nennen ihn tatsächlich noch so – aus dem Staub gemacht. Ist wohl mit einem Mädchen aus dem Dorf durchgebrannt, wie Gérard sich ausdrückte. Kurz: Sie brauchen dringend jemanden, der sich in ihrer Abwesenheit um die Tiere und die Wiesen kümmert. So schnell haben sie niemanden finden können. Ja, und das hat mich auf die Idee gebracht, Euch diese Aufgabe anzuvertrauen.“
Vera schaute Martin an und wandte sich an ihre Mutter:
„Und wir? Hast Du Dir für uns auch etwas ausgedacht?“
„Wie viel?“, fuhr Konrad oder Frank dazwischen.
„War mir doch gleich klar, dass Euch das locken würde“, sagte Tante Lore. „Ihr habt ja schon so manche Sommer dort ausgeholfen und wisst, was zu tun ist. Gérard war zufrieden mit Eurem Einsatz. Er traut Euch die Arbeiten zu und wäre bereit, für die zwei Monate pauschal 20.000 Franc zu zahlen.“
„Geht klar“, sagte einer ihrer Söhne.
„Es musste sich in diesem Fall um Frank handeln“, dachte Martin. Das war eine der Eigenschaften, die er an ihm so bewunderte. Der wusste immer sofort, was zu tun war. Was zu sagen war. Und wann dafür genau der richtige Moment gekommen war. Nicht zu früh und nicht zu spät, nicht zu viel, gerade nur genug. Einfach: „Geht klar.“
„Gut“, sagte Tante Lore zufrieden. „Ihr fahrt gleich am Sonntag los und nehmt Martin mit.“ Sie wandte sich an ihn: „Ich habe Dir ein Praktikum fürs Ausland besorgt. Es wird in Frankreich stattfinden, auf dem Land. Offiziell wirst Du für meinen Schwager Gérard arbeiten. Während seiner Abwesenheit werden Frank und Konrad ihn vertreten und Dich in alle Arbeiten einweisen. Und wenn die Ferien beginnen, bleibst Du einfach da. Vera kommt dann auch nach. Ich habe mit dem Vater von Ella gesprochen, dem neuen Mädchen in Veras Klasse. Ich kenne ihn von früher. Er hat in Frankreich beruflich zu tun und wird Euch mitnehmen. Ella, ihr Freund Gerd und ihr kleiner Bruder Jan werden auch mitkommen. Die Großen behalten ein Auge auf Euch, und Ihr werdet sicher einen schönen Sommer haben.“
Vera zeigte keine Reaktion. Martin aber war begeistert. Er strahlte und freute sich und fragte sich gleichzeitig, wie Frank das wohl immer hinkriegte, völlig unbeteiligt zu wirken, auch bei den umwerfendsten Neuigkeiten. Er wäre immerhin bald ein reicher Mann, wenn Martin das richtig verstanden hatte. Er und Konrad. Tante Lore hatte ja wirklich alles ganz schön proper durchgeplant. Sie murmelte noch etwas, warum sie weg sei, Knieoperation und dann eine Kur oder sowas, aber Martin war gedanklich schon ganz woanders.
„Schön, dann sage ich Gérard, dass das klar geht. Die Einzelheiten wird er Euch am Sonntagabend bei der Übergabe erklären. Ihr könnt meinen Wagen nehmen, ich brauche ihn nicht in den nächsten Wochen. Vera, nun schau nicht so. Freu Dich doch! Die Großen werden das Haupthaus versorgen, Ihr beiden und die anderen wohnt unten in dem Ferienhäuschen. Ich kann Euch doch nicht hier allein lassen. Dafür seid Ihr einfach noch zu jung! Wenn es wider Erwarten doch Probleme gibt, so ruft Ihr an, und wir finden etwas anderes. Ellas Vater könnte Euch dann vielleicht wieder einsammeln.“
„Ja, ja“, sagte Vera. „Komm, Martin, lass uns rausgehen“. Sie zog ihn in den Garten, und sie hockten sich hinter den Schuppen.
„Vera, was ist denn los?“, fragte Martin.
„Ach, ich weiß nicht. Ich und meine Brüder. Das ist nicht so das Wahre.“
„Wir werden eine super Zeit haben! Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie wahnsinnig ich mich freue! Sie sind doch schwer in Ordnung, Deine Brüder! Und wenn wir keine Lust auf sie haben, scheren wir uns einfach nicht um sie. Die sollen doch sowieso im Haupthaus wohnen, und wir machen es uns in der gite gemütlich, unten in der Bauernkate. Du hast mir doch die Fotos schon mal gezeigt.“
Vera schien sich nun doch ein wenig von Martins Begeisterung anstecken zu lassen. Sie lächelte und sagte:
„Es ist so schön, dass ich noch einen Bruder dazubekommen habe, der mal wie ein richtiger Bruder zu mir ist.“
„Mehr als das“, sagte Martin und spürte, dass er errötete, noch bevor er ihren Kopf an sich drückte und ihr einen Kuss auf die Wange gab. Sie prusteten beide los und warfen sich lachend auf die Wiese.
Die nächsten Tage waren für Martin die reine Vorfreude. Das war nicht zu übersehen. Aber er musste sich auch vorbereiten. Dazu gehörte an erster Stelle, dass er es endlich einmal lernte, sich nicht wie ein unbeherrschter Junge aufzuführen. In drei Tagen würde er mit Frank und Konrad auf Reisen gehen, das war mal was. Er würde die beiden intensiver beobachten und genau darauf achten, wie sie es anstellten, so männlich daherzukommen. Zwei Wochen wäre er mit ihnen allein, bevor Vera und die anderen nachkämen. Ella hatte er flüchtig kennengelernt, ein Mädchen, ganz anders als Vera. Sie hatte kurzes braunes Haar und lachte viel, eigentlich ständig. Martin hatte sie erst einige Male gesehen. Sie war vor kurzem in Veras Klasse gekommen. Offenbar hatte sie keine Chance mehr gehabt, das Schuljahr noch zu schaffen. Darum hatte man sie schon jetzt in die Wiederholungsklasse gesteckt, zur Eingewöhnung gewissermaßen. Vera hatte ihm erzählt, dass die Neue der Renner sei. Immer lustig und voller Ideen. Dass sie sitzen geblieben sei, schien sie nicht im Geringsten zu stören. Ganz im Gegenteil. Sie fand sich schnell in die neue Umgebung ein. Sie war fast zwei Jahre älter als Vera und die meisten anderen in der Klasse. Das allein machte sie schon interessant. Es hieß, sie ginge mit Gerd aus der zwölf. Gerd war schon achtzehn oder neunzehn, und offensichtlich hatten Ellas Eltern nichts dagegen, die beiden zusammen nach Frankreich fahren zu lassen.
Ellas jüngerer Bruder hieß Jan. Den kannten sie beide noch nicht. Vera hatte ihn zwar kurz mal bei Ella zu Hause gesehen, aber das war auch alles. Er war vierzehn wie sie.
Tante Lore half ihm, eine vernünftige Mischung an Reisegepäck zusammenzustellen. Von allem etwas, aber nicht zu viel. Wetterfeste Kleidung sei wichtig, da sie sich vermutlich die meiste Zeit im Freien aufhalten würden. Und man wüsste ja nie, wie der Sommer sich entwickelte.
„Ihr habt dort eine Waschmaschine und alles, was Ihr braucht, um Euch zu versorgen. Frank kann einige Gerichte kochen, Vera ist auch nicht so schlecht darin.“
Martin hörte nur halb hin. Die Versorgung war ja wohl das geringste Problem. Ihn beschäftigten ganz andere Gedanken: Brauchte er Zigaretten? Frank und Konrad rauchten beide. Es wäre wahrscheinlich gut, ein Päckchen „Gauloises“ zur Hand zu haben. Oder würden sie ihn auslachen? Ihn, den Schleimer? Martin wusste es nicht. Er wusste einfach viel zu viel nicht. Er spürte eine handfeste Unruhe aufsteigen, wenn er mal konkreter über die bevorstehende Fahrt nachdachte. Worüber sollte er mit den Großen reden? Würden sie ihn gut behandeln, wären sie herablassend, würde er eine Chance bekommen sich zu bewähren, sozusagen aufgenommen zu werden als einer der ihren?
„So langsam gehen mir die Nerven durch“, kam Martin einer der Sprüche seines Vaters in den Kopf. Wenn er dies gesagt hatte, war es immer brenzlig geworden. Er hatte sich über irgendetwas aufgeregt, das nicht funktioniert oder nicht nach seinen Wünschen geklappt hatte. Meistens stand dann ein heftiger Wutausbruch bevor, der durch diesen Satz nur ein bisschen hinausgezögert wurde. Warum Martin ausgerechnet jetzt an seinen Vater dachte, konnte er sich nicht erklären. Eigentlich waren die letzten Tage seit Jahren das erste Mal, dass nicht permanent im Hinterkopf die Bilder vom brennenden Haus, vom Feuer und von seiner verlorenen Mutter flackerten.
Wenn man wirklich überhaupt keinen Schimmer mehr davon hatte, wie es weitergehen sollte, wie man sich in der Welt zurecht finden könnte, ohne blöd aufzufallen oder sonst welche gravierenden Fehler anzustellen, dann musste das mal gesagt werden: „So langsam gehen mir die Nerven durch.“ Seine Mutter hatte Sprüche eigentlich nur zum Trösten gehabt. Einer davon war besonders blöd: „Es wird alles gut.“ Es war schön, dass sie einen dabei fest in ihren Armen gehalten hatte, aber in Sachen Sprüche hatte sie einfach keine Ahnung gehabt.
Er müsste es auf der Fahrt wenigstens irgendwie hinkriegen, nicht ständig zu plappern. Erst mal alles anschauen und vielleicht mit „mmh“ kommentieren. Da ließ man sich alle Optionen offen. Und man gab nicht gleich alles preis, was in einem vorging. Das war gut, Martin grinste, war ein wenig stolz, eine vernünftige Strategie anzulegen. Einfach und glasklar, und doch das Ergebnis präziser Planung. Er war beruhigt. Na ja, fürs erste jedenfalls. Er würde das schon schaukeln. Und wenn er bis zum Ende der Ferien auch eine angemessene Weise finden könnte, Vera endlich so zu erobern, wie es sich gehörte, dann wäre das ja wohl ein Sommer mit einem Top-Ergebnis. Martin schwelgte in seinen Erwartungen. Hauptsache, es passierte nicht noch was ganz Blödes: Dass ihn der Mut auf einmal verließ zum Beispiel. Aber daran wollte er gar nicht denken.
Sonntagmorgen war es soweit. Alles nach Plan, sie waren sogar schon etwas früher fertig als gedacht. Um kurz vor sieben in der Früh tauschte Martin mit Vera Küsschen auf die Wange aus – das zweite Mal innerhalb weniger Tage und das erste Mal, dass es erwidert wurde. Tante Lore salbaderte einen Haufen Maßregeln, die nun aber wirklich niemanden mehr interessierten, und dann röhrte der Motor des alten Opel Diplomat auf, Frank setzte elegant und behände zurück, und sie fuhren los. Martin winkte Vera und ihrer Mutter hinterher.
„Willst Du ne Zigarette, Kleiner?“, fragte Frank.
Martin war überrumpelt. Auf das Szenario mit der Zigarette hatte er sich exakt vorbereitet. Natürlich unter seiner eigenen Regie. Immerhin hatte er ja nicht so richtig viele Situationen zum Punkten in Reserve. Vor dem Spiegel hatte er geübt, so beiläufig es irgendwie ging zu fragen: „Jemand ne Fluppe?“ Er hatte sich vorgestellt, dass eine halbe Stunde nach Abfahrt genau der richtige Zeitpunkt hierfür hätte sein können. Erst mal musste man sich ja mal einrichten auf so einer Fahrt, vielleicht den Weg diskutieren, die Fahrzeit, überlegen, ob man Pausen machen müsse und dergleichen. Und alles vergebens. Das Thema Zigarette war ihm schon nach der zweiten Kurve entrissen worden.
„Nein danke, ich rauche nicht“, sagte er stattdessen und hätte aus dem Auto springen mögen. Was lief hier eigentlich von Anfang an total falsch? „Klar, gerne“, korrigierte er sich.
Als hätte es eine idiotische Bemerkung nicht gegeben, reichte Frank der Fahrer seinem Bruder Konrad dem Beifahrer eine Marlboro. Konrad nahm den Anzünder, hielt ihn an die Zigarette, nahm einen tiefen Zug und reichte sie wortlos und ohne sich umzublicken nach hinten zu Martin, dem Mitreisenden auf der Rückbank.
„Danke Euch“, versuchte es Martin betont entspannt.
„Pass mal auf, Kleiner! Wir haben eine Menge vor. Vergiss es mit „Danke“ hier und „Danke“ da. Pass lieber auf, was so abgeht, vielleicht findest Du dafür mal nützliche Verwendung.“
Es war Frank der Fahrer, der das sagte. Er und Konrad schauten sich an und lächelten. Frank konnte die Dinge so wahnsinnig präzise auf den Punkt bringen. Es war ihm schon klar gewesen, dass er nur lernen würde von den beiden. Wenn ihm nur nicht ständig solche Patzer unterlaufen würden. Aber gar nichts sagen? In dem Moment fiel ihm seine Strategie ein.
„Mmmh“, sagte er.
„Genau“, sagte Frank.
„Meinst Du wirklich?“, sagte Martin. Oh, er vermasselte es schon wieder. „Mmh“, schob er nach und biss sich auf die Lippe, um jeden weiteren Kommentar eines ahnungslosen Fünfzehnjährigen zu unterdrücken.
„Sag mal, mein Mini“, mischte sich Konrad in die Unterhaltung, “was erwartest Du eigentlich von unserer Reise?“
Martin fand sowohl die Anrede „Kleiner“, die Frank immer gebrauchte, als auch die „mein Mini“ – von Konrad benutzt in Anspielung auf seine Ministrantenzeit mit ihm, ziemlich blöd und alles andere als vielversprechend für eine angemessene Behandlung auf der weiteren Reise. Aber darüber sollte er sich jetzt besser nicht beklagen. Davon mal abgesehen hatte er keinen Schimmer und erst recht keine passende Antwort auf eine solch schwierige Frage.
„Was meinst Du, erwarten?“, fragte er zurück.
„Du musst Dir doch was vorgestellt haben. Was so abgeht, bei einem ganzen Sommer in Frankreich, der nun vor Dir liegt.“
„Mmmh“, erinnerte sich Martin in letzter Sekunde, „mal sehn. Es kommt wie es kommt. Und et hätt noch immer jot gegange.“
Vorne lachten sie. Er hatte Terrain zurückgewonnen. Über den Spruch hatten Vera und er sich neulich kaputtgelacht. Einen ganzen Nachmittag lang. Sie hatten im Fernsehen eine Karnevalssendung geguckt und da wurde alles durchgenommen, was im Karneval so an Sprüchen im Umlauf war. Die kölschen Lebensweisheiten waren mit Abstand das Beste. Sie hatten so lange geprobt, bis sie halbwegs den Akzent getroffen hatten.
„He, unser Kleiner ist weltgewandter als gedacht, was meinst Du, Brüderchen?“ „Egal, was Du Dir vorgestellt hast“, sagte Frank der Fahrer nun, „in Deinem Alter kommt es sowieso immer anders, als man denkt. Vielleicht machst Du nachher mal ein wenig Platz auf der Rückbank, wir erwarten noch Besuch.“
„Besuch?“, fragte Martin. „Von wem denn?“
„Wirst schon sehn.“ „Konrad hat zwei Jungs versprochen, sie schon mal mitzunehmen, bevor sein Camp bei Caen in einer Woche beginnt. Und dann sammeln wir noch ein Mädchen auf. Du brauchst nicht so zu gucken, Kleiner!“ Frank sah ihn im Rückspiegel an.
Martin wusste nicht, was er von der plötzlichen Erweiterung der Reisegruppe halten sollte. „Et kütt wie et kütt.“ Noch so einer dieser Sprüche. Es kommt wie es kommt. Nun gut, dann wollte er mal abwarten.
Es war kurz vor Aachen, als sie von der Autobahn abfuhren. Sie legten eine Weile auf der Landstraße zurück, als Frank erneut blinkte und in eine kleine Seitenstraße bog. Sie hielten schließlich vor einem Gebäude, das aussah wie ein katholisches Pfarrhaus. Weiß gestrichen, flach, ein von einer fürsorgenden Kraft gepflegter Vorgarten, zusammengebundene Gardinen. Konrad stieg aus und drückte den Klingelknopf am Gartentor. Ein Pfarrer in Soutane trat heraus. Er wechselte ein paar Worte mit Konrad, bis hinter ihm zwei Jungen auftauchten. Martin schätzte ihr Alter auf um die zwölf. Als Hans und Martin wurden sie vorgestellt.
„Wir haben schon einen Martin“, sagte Konrad. „Dich nennen wir einfach Sankt Martin“, sagte er zu dem Jungen, der eher fragend als zustimmend aus der Wäsche guckte, wie Martin, der glücklicherweise Martin geblieben war, fand. Hans war mit einem Riesenrucksack beladen. Der Eindruck wurde noch dadurch unterstrichen, dass Hans eher klein und etwas dicklich war. Konrad verstaute das Gepäck der Jungen im Kofferraum. Er wies Martin an, sich nach vorn zu setzen und nahm selber in der Mitte der Rückbank Platz. Damit war Martin innerhalb kürzester Zeit zum Beifahrer aufgestiegen.
„Können wir?“, fragte Frank der Fahrer.
„Alles klar, wir können“, antwortete Konrad.
Nach einer ganzen Reihe von Rechts- und Linkskurven bremste Frank den Wagen erneut. An einer Tankstelle. Er blieb am Steuer sitzen und hupte ein paarmal kurz hintereinander. Bald darauf sah Martin ein Mädchen auf sie zukommen, bei dessen Anblick er fassungslos war: Eine echte Schönheit. Leichten Fußes kam sie auf den Wagen zu. Voller Anmut und sich ihrer selbst ganz sicher. Im langen blonden Haar steckte eine große Sonnenbrille. Sie trug ein buntes ärmelloses Kleid, das ihre gebräunten schlanken Schultern zeigte. Nun stieg Frank endlich aus. Mit all seinem bewundernswerten Charme trat er ihr gut gelaunt entgegen. „Hallo Julia, schön, Dich zu sehen. Darf ich Dir vorstellen? Unsere Mitreisenden. Du wirst sie auf der Fahrt noch näher kennenlernen. Möchtest Du zu mir nach vorn oder hinten zu den Jungs?“
„Zu Dir, Frank.“
„Kein Problem. Mein kleiner Bruder wird Dir gerne Platz machen.“
Frank unterstrich seine Bemerkung mit einer nur minimalen Bewegung seiner Mundwinkel. Martin hatte verstanden. Beifahrer hin, Beifahrer her, das war jetzt eine komplett andere Situation. Es wurde eng hinten, aber egal.