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1.Die Entwicklung nach dem Fall Konstantinopels im 15. Jahrhundert
ОглавлениеEinen gewichtigen Einschnitt innerhalb der Geschichte der orthodoxen Theologie markiert der Fall Konstantinopels im 15. Jahrhundert.47 In Reaktion auf die veränderte politische Situation nach dem Fall Konstantinopels tritt die orthodoxe Theologie in eine Phase des Stillstands ein, die gekennzeichnet ist durch das Phänomen des Konservatismus (»il fenomeno del conservatorismo«)48, des bloßen Festhaltens am Überlieferten. Das wichtige und verständliche Anliegen, angesichts der veränderten politischen Situation unter nun erschwerten Bedingungen das Erbe der Väter bewahren, es »konservieren« zu wollen, geht einher mit einem Verlust an Kreativität. Verloren geht die Fähigkeit, dieses Erbe der Väter unter den veränderten Umständen der eigenen Zeit je neu auszulegen. Zizioulas verfolgt die Spuren dieses Konservatismus zurück bis in die Zeit des Johannes Damascenus (675-749), dessen »Darstellung des orthodoxen Glaubens« lange Zeit unhinterfragt die bindende Auslegung der Väter und Konzilientexte blieb. Allein Symeon der Neue Theologe, Gregorios Palamas und Nikolaos Kabasilas werden zu den wenigen Ausnahmen gezählt, denen die Fähigkeit zu einem lebendig-kreativen Umgang mit den Vätern erhalten blieb. Für weite Kreise der Orthodoxie wurde die Lehre der Väter mehr und mehr zu einem »kostbaren archäologischen Objekt« (»prezioso oggetto archeologico«). Durch die lange Zeit der ottomanischen Herrschaft hindurch waren es nicht die Universitäten, sondern vornehmlich die Klöster, die als Wächter über die patristische Literatur fungierten. Die sorgfältige Bewahrung des hochgeschätzten Erbes lag somit in den Händen des Mönchtums, damit jedoch immer weniger beim gesamten Volk. Mit dieser »Musealisierung« der Kirchenväter schwand zunehmend der lebendige Bezug der Nicht-Fachleute zur Theologie der Väter. Durch die außerdem auch insgesamt wachsende Distanz zwischen Mönchtum und Laien wurde diese Tendenz noch verstärkt. Die Lehre der Kirchenväter war zwar weiterhin hoch angesehen und geschätzt, verlor jedoch mehr und mehr an Lebensbezug.