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4. Angst und die Reaktionsmuster in Gefährdungssituationen
ОглавлениеNicht nur das Gewaltverhalten kann typisiert werden, auch das Verhalten der Betroffenen von Gewalt. Wie wir uns in einer Gefahrensituation verhalten, hängt, insbesondere wenn wir nicht darauf trainiert sind, von unseren Reflexen ab. Dabei zeigt sich, dass Menschen mit akuten Stresssituationen besser zurechtkommen, wenn sie ihren chronischen Stress gut unter Kontrolle haben.20 Gefährdung verursacht Angst, Angst verursacht wiederum eine Stressreaktion. Evolutionsbiologisch betrachtet ist das Empfinden von Angst ein Warnsignal, um den Menschen auf eine drohende Gefahr vorzubereiten.21 So betrachtet ist sie etwas Gutes. Tatsächlich hätten die Menschen früher nicht ohne Angst überleben können. Und auch heute noch warnt uns die Angst vor Risiken.
Diese kann sich in Angriff, Flucht22 oder Starre23 äußern. Akuter Stress führt dazu, dass eine Person nicht mehr im Denkprozess Alternativen abwägen kann. Stressreaktionen aus Angst äußern sich unter anderem durch Pulsbeschleunigung, Erweiterung der Pupillen und Händeringen; psychisch wirkt sie als Gefühl des Entsetzens und der Ausweglosigkeit. Angst ist aber nicht nur eine lähmende, sondern auch eine mobilisierende Emotion. So sind Menschen, die sich vor einer drohenden Gefahr ängstigen, manchmal zu Leistungen fähig, die ihnen unter normalen Umständen nicht möglich gewesen wären. Der Körper übernimmt das Kommando. In riskanten oder als riskant empfundenen Situationen schütten die Nebennieren die Hormone Adrenalin und Noradrenalin aus. Das Herz schlägt dann schneller und das Blut bindet mehr Sauerstoff. Der Körper ist damit besser in der Lage, sich zu verteidigen oder zu fliehen. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort, wonach Angst Flügel verleiht. Sie ist aber wegen ihrer Warnfunktion oft lebensrettend. Angst überkommt den Menschen meist unfreiwillig und unkontrolliert.24 Zur Flucht oder zum Angriff benötigt der Körper Energie. Entsprechend wird das Blut in die Körpermitte und die Beine gepumpt (deswegen auch kalte Hände und kalter Schweiß). Alle überflüssigen Systeme werden runtergefahren, wie das Immunsystem und die Verdauung. Starre hat regelmäßig einen schlechten Ruf als Stressreaktion. Doch auch sie kann in einer akuten Gefahrensituation lebensrettend sein. Bei dieser Reaktion wird der Puls heruntergefahren, Denken und Schmerzempfinden werden kurzzeitig ausgeschaltet und auch Erinnerungen danach sind kaum oder gar nicht vorhanden. Übernimmt der Stress die Kontrolle über den Körper, hat man sie selbst verloren. Gerade dieses Gefühl ist häufig auch in späteren Betrachtungen besonders problematisch für einen Menschen, der eine solche Situation durchlebt hat.
Aus der Angst heraus jedoch Entscheidungen zu treffen, ist gleichzeitig problematisch. Der Volksmund kennt daher den Spruch: „Angst ist ein schlechter Berater“. Dies ist insofern richtig, wenn Angst die Perspektiven einschränkt.25 Deswegen ist es wichtig, dass Menschen ihre Ängste kennen- und verstehen lernen.
Die Emotionspsychologie unterscheidet zwei Gründe für das Empfinden von Angst: Manche Menschen bekommen aus übergroßer Ängstlichkeit Angst. Andere verspüren Angst in einem Moment tatsächlicher, akuter Bedrohung. Jeder Mensch reagiert auf empfundenen Stress, der durch das Gefühl, bedroht zu werden, hervorgerufen wird, zunächst anders. Einige Hilfestellungen und Tipps können Ihnen helfen, sich umsichtig zu verhalten, bewusster reagieren zu können und sich dadurch sicherer zu fühlen.