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Die Kızılbaş

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Es wirkt unerhört, dass selbst in dieser libertären spirituellen Landschaft die Kızılbaş-Bewegung solche Beben auslösen konnte. Die Kızılbaş bekannten sich zum Konzept des Imamats, des spirituellen Königtums Alis und seiner Nachfahren. Da Ali Fatima, die Tochter des Propheten Mohammed, geheiratet hatte, waren ihre Söhne Hasan und Hussein die Enkel des Propheten. Den Glauben an das Imamat und die-Verehrung der Linie Alis, die über Hasan, Hussein und die späteren Imame lief, teilten sie mit der Hauptrichtung der Schia und mit anderen osmanischen Gruppen, namentlich den Bektaşis. Was genau die Bektaşis lehrten und wie sie beteten, war ein Geheimnis und daher einigermaßen unklar. Recht bekannt war ihre Ali-Verehrung, doch davon abgesehen hoben sie sich durch das eklektische Ritual und die Mythologie der Bektaşis ab – beispielsweise ihre Geringschätzung des Gottesdienstes in der Moschee, ihre Praxis eines gemeinsamen eucharistischen Mahls und Vorstellungen wie die Seelenwanderung. Aber die Janitscharen waren glühende Bektaşi-Anhänger, und sie waren die treuesten aller osmanischen Truppen. Daher war der Bektaşismus keinesfalls eine exotische Randerscheinung im Osmanischen Reich. Und dennoch galten die Kızılbaş als etwas völlig anderes.

Die Intensität ihrer Frömmigkeit und ihre ekstatische Spiritualität machten die Kızılbaş unergründlich, aber auch bedrohlich. Sie machten ein Geheimnis um ihren Glauben und dessen Vollzug, ein Umstand, der dadurch verkompliziert wurde, dass sie sich angeblich bewusst verstellten (takiyye), wenn man sie befragte. Fasten, Gebete und andere öffentliche Glaubensbekundungen verschmähten sie. Es hieß, sie verfluchten die vier rechtgeleiteten Kalifen. Man verdächtigte sie des „Inkarnationalismus“, der Überzeugung, Gott könne gewöhnliche weltliche Gestalt annehmen. Die Behauptung, man könne das Göttliche plötzlich in einer beliebigen Person, einem beliebigen Ort oder Umstand als real wahrnehmen, konnten sehr viele osmanische Mystiker aus eigener Erfahrung bestätigen. Doch zu glauben, das Göttliche verkörpere sich selbst auf besondere Weise in den charismatischen Scheichs aus dem Safawidenorden in Ardabil, war etwas völlig anderes. Es stellte die religiösen und spirituellen Grundfesten der osmanischen Macht in Frage.

Das Osmanische Reich

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