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Tursun Bey und der Eroberer

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Aus dem Kreis der türkischen Mauerstürmer stammt der beste Bericht über die Eroberung von dem osmanischen Verwaltungsbeamten Tursun Bey. In seiner Geschichte des Eroberers schilderte er die Belagerung, den Einzug Sultan Mehmeds II. in die Stadt und dessen ersten Besuch in der Hagia Sophia.126 Das Werk, teils Memoirenbuch, teils Chronik, teils Fürstenspiegel, hebt sich im Stil wie in der Themenwahl spürbar von dem Werk Aşıkpaşazades ab. Der Unterschied der Erzählstile zwischen Tursun Bey und Aşıkpaşazade verwies auf ein ganzes Bündel theoretischer und philosophischer Divergenzen im Osmanenreich nach 1453. Deren Ursachen lagen letztendlich in unterschiedlichen Gottesvorstellungen, doch einige Interessen hatten beide sehr wohl gemeinsam.

Tursun Bey stellte das Osmanische Reich als das bedeutendste Imperium in der Weltgeschichte dar. Er schrieb im „Aufsatz (inşa)-Stil“, einer eleganten Sprache, die spontan in literarischen Zirkeln am osmanischen Hof entstand. Der Aufsatzstil baute arabische und persische Vokabeln und Satzkonstruktionen in ein türkisches Satzgerüst ein und füllte es, abgesehen von Lyrik, mit dichten Alliterationen, Assonanzen, Binnenreimen und komplizierten Verb-Nomen-Kombinationen auf. Die neue Sprache unterstellte eine Analogie zwischen dem Osmanischen Reich und dem kumulativen Kulturerbe der islamischen Epoche. Doch Tursun Beys Buch war im Gegensatz zu verschiedenen anderen Werken, die in den gut hundert Jahren nach der Eroberung geschrieben wurden, keine Weltgeschichte. Binnen weniger Jahre erschienen Şükrullahs Strahlendes Antlitz der Daten in 13 Teilen und Enveris noch ehrgeizigeres Buch der Prinzipien in 22 Büchern; in beiden Werken bildete die osmanische Dynastie den Höhe- und Schlusspunkt. Für Tursun Bey forderte die Eroberung Konstantinopels den Vergleich zwischen Sultan Mehmed II. und den großen Welteroberern der Vergangenheit – Alexander dem Großen, dem Sassaniden Ardaschir und Dschingis Khan – regelrecht heraus. Mit kräftigen Anleihen bei der inzwischen islamisierten persischen Literaturgattung des Königsspiegels entwickelte Tursun Bey später eine Theorie herrscherlicher Autorität, der zufolge der legitime muslimische Souverän als irdisches Werkzeug der allumfassenden Gerechtigkeit Gottes fungierte, und eine Herrschaftsethik, in welcher die Taten des Souveräns ein Dankopfer an Gott waren.

Diese Themen ließen Tursun Beys Medrese-Ausbildung und seine 40-jährige Karriere als Amtsschreiber und Mitglied der Ulema erkennen. Er stammte aus einer alten muslimischen Familie in Bursa – sein Vater war Beylerbeyi, sein Großvater Sancakbeyi gewesen, und sein Onkel, ein Statthalter von Bursa, hatte in Istanbul nach der Eroberung die Erfassungskommission der byzantinischen Häuser geleitet. In dieser Kommission hatte auch Tursun Bey selbst mit seinem Onkel zusammengearbeitet, bevor er als Landvermesser in der Provinz amtierte, einen Posten im Istanbuler Ratssekretariat erhielt und von dort auf wichtige Finanzposten in der Provinz Anatolien berufen wurde. Zur Ruhe setzte er sich in Bursa, wo er die Stiftungen seines Onkels verwaltete und sich der Schriftstellerei widmete.127

Für Tursun Bey musste Gottes auserwählter Herrscher augenfällige Begabungen an den Tag legen und war verpflichtet, von ihnen als wesentlichem Aspekt täglichen göttlichen Wirkens gehorsam in der Welt Gebrauch zu machen: bei weisen Urteilen, durch die wachsame Verteidigung des Reiches und indem er die ihm anvertraute Herde hütete. Der Gehorsam der Untertanen – einer dankbaren, nicht durch Sprache, ethnische oder religiöse Zugehörigkeit differenzierten gemeinsamen Menschheit – war Ausdruck ihrer eigenen Unterwerfung unter die Macht Gottes. Tursun Bey nannte die Untertanen kul, das osmanische Wort für die Palastsklaven des Sultans. Für ihn stammten die Vorbilder des Königtums nicht aus Rom oder Byzanz, sondern aus dem Ktesiphon der Sassaniden, dem hellenisierten islamischen Bagdad und dem Täbris der Mongolenzeit.

Das Osmanische Reich

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