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Frömmigkeit, Überfluss und öffentliche Bauten

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Dank den Annalisten können wir annehmen, dass in etwa der Hälfte jener 29 Jahre, die Murad II. regierte (1421–51), kein größerer Feldzug unter Führung des Sultans unternommen wurde. In der Zeit zwischen der Rückeroberung von Saloniki (1430) und dem Einfall in Transsilvanien (Siebenbürgen) und Serbien (1438) scheint Murad in Edirne geblieben zu sein. Manchmal verbrachte er den Sommer in den Höhenlagen Anatoliens – in einem Jahr wegen einer Seuche, welche die Stadt heimsuchte.55 In dieser Zeit relativen Friedens machte sich Murad daran, nach den langen Jahren voller Kriege und Katastrophen die osmanischen Lande wieder aufzubauen.

Einkünfte und Ausgaben galten als Posten zweier getrennter Kassen, der Staatskasse und der Privatschatulle des Sultans. In die Sultanskasse flossen das Fünftel, das seinen Anteil an Beute und Sklaven bildete, sowie die Tribute fremder Königreiche, Geschenke an den Herrscher und seine Familie und schließlich die Einkünfte aus Familienstiftungen. Aus diesem Topf wurden Familienausgaben bestritten. Die Sultane glaubten nicht, dass sie mit der Finanzierung des Wiederaufbaus zu etwas so Unpersönlichem wie der wirtschaftlichen Entwicklung beitrugen.56 Vielmehr hatte das, was sie schufen, gemeinnützigen und wohltätigen Charakter. Die Staatskasse (Beytü’l-mal) enthielt Geldmittel aus Steuereinnahmen. Die Angehörigen des erweiterten Haushalts des Sultans bezogen ihre Gehälter aus der Staatskasse und mussten keine Steuern zahlen. In der Praxis gab es keine undurchdringliche Grenze zwischen den beiden Kassen; gelegentlich funktionierte die Schatulle des Sultans als Sparkonto.57 Das öffentliche Wohl profitierte von den persönlichen Mitteln des Herrschers.

Die Aufgabe des Wiederaufbaus war beachtlich. Sie begann mit einer neuen Silberwährung und konzentrierte sich zunächst auf die Königsstädte Edirne und Bursa.58 Beide hatten durch wiederholte Regimewechsel während des Bürgerkriegs gelitten, und Bursa hatte zudem noch Schäden bei dem Erdbeben davongetragen.

Bursa war die Seidenstadt. Die meiste Seide, die dort eintraf, stammte aus den iranischen Gebieten südlich des Kaspischen Meeres; Ausgangspunkt für die Karawanen nach Westen war seit der Mongolenzeit Täbris. Die Handelsroute folgte dem Flusstal des Aras bis Erzurum, durchquerte die Steppen mit Zwischenhalten in Erzincan am Euphrat, Sivas am Kızıl Irmak sowie Tokat am Yeşıl Irmak und erreichte dann über Amasya und Ankara Bursa. Durch den Erfolg dieser Route gerieten jene Routen unter starken Druck, die von den Rivalen der Osmanen gefördert wurden: der Überlandweg nach Aleppo und der Seeweg nach Konstantinopel über Trapezunt (Trabzon). Angefangen mit Sultan Orhan subventionierten fünf Osmanensultane Stiftungskomplexe in Bursa, zu denen jeweils eine Moschee, eine Medrese, eine Suppenküche, Mausoleen und fast immer auch ein Bad gehörten. Unter den Bauten der Sultane fanden sich auch eine Elementarschule, die Orhan gründete, sowie von Murad II. errichtete Thermalbäder. Und das waren nur die Sultansbauten. Die Frauen der Herrscherdynastie sowie führende Staatsmänner und Frauen der Gesellschaft errichteten mehrere weitere Bauten. Auch die Sklaven standen nicht zurück. Vor allem Angehörige des Militärs beschäftigten Sklavenbedienstete in großer Zahl, deren Funktionen sie darauf vorbereiteten, durch Freilassung selbst zur herrschenden Schicht zu stoßen.59 Eine Generation jüngere Nachlassunterlagen zeigen, dass es sich bei 15 Prozent der in Bursa registrierten Vermögen – also denen der reichsten Bevölkerungsschicht – um den Besitz ehemaliger Sklaven handelte.60

Edirne am Zusammenfluss von Tundscha und Mariza im östlichen Thrakien war ein Vorposten und Knotenpunkt an der Route nach Buda und Prag über Plovdiv, Sofia, Niš und das am Zusammenfluss von Donau und Save gelegene Belgrad. Mindestens ein halbes Dutzend bedeutender Stiftungskomplexe wurde hier während der Herrschaft Murads II. von führenden Staatsmännern subventioniert. Die steinerne Moschee, deren Bau im Bürgerkrieg begonnen worden war, vollendete später Mehmed I., und bald gesellte sich eine weitere hinzu. Die alte verfügte über Einkünfte aus einem überdachten Markt oder bedestan, der zu ihrer Finanzierung gestiftet worden war. Neben anderen Läden umfasste der Markt auch „die Hauptniederlassung und das Lagerhaus der Genuesen, wo es etwa hundert Händler mit einer gewaltigen Menge an Waren gab“.61 Die neue Moschee, deren Schlussstein Murad 1437–38 setzte, brach mit den älteren Architekturmustern – den Gottesdienstraum überspannte eine einzige Zentralkuppel, und eines der Minarette wies drei Balkone auf.

Die Kontrolle der Meerenge durch die Osmanen ermöglichte via Gallipoli eine Verbindung zwischen den beiden Königsstädten; Aşıkpaşazade beschrieb, wie genau der Staat bei dieser Route hinsah. Sultan Murad finanzierte eine gut anderthalb Kilometer lange Steinbrücke über den Fluss Ergene rund 80 Kilometer südlich von Edirne. Das dichtbewaldete Gebiet wimmelte von Räubern. Der Sultan befahl, die Bäume zu fällen und die Gegend zu säubern, dann errichtete er auf beiden Flussufern an den Brückenköpfen Siedlungen mit einer Moschee, einem Bad und Märkten. Siedlern, die sich dort niederlassen wollten, winkte Steuerfreiheit. In Gesellschaft von Ulema und Derwischen wohnte der Sultan höchstpersönlich der Einweihungsfeier des Baukomplexes bei. Bei dieser Gelegenheit verteilte er Geld, beschenkte die Architekten mit Ehrengewändern und ließ eine öffentliche Festtafel für ein großes Gelage herrichten.62


Abb. 2.2: Panoramablick auf Bursa von den Abdullah Frères, ca. 1880–1893. Das Foto gehörte zu einem der Alben, welche die osmanische Regierung zur Weltausstellung von 1893 nach Chicago schickte; ein Exemplar davon wurde der Library of Congress geschenkt.

Auf diese Weise wurden die mitteleuropäischen Märkte auch ohne Konstantinopel an den Rest Südwest-Eurasiens angeschlossen. Damit drohte Konstantinopel nicht die Eroberung, sondern die Bedeutungslosigkeit. Als Bertrandon de la Brocquière im Jahr 1432 auf Vermittlung eines italienischen Handelsattachés mit Murad zusammentraf, wurde Konstantinopel bereits durch diese Strecke Bursa–Edirne umgangen. Auf seiner Rückkehr vom Heiligen Grab in Jerusalem, bei der er über Land mit einer muslimischen Pilgerkarawane reiste, berichtete de la Brocquière, Genueser Großhändler aus Pera, dem Handelsvorort von Konstantinopel, kauften ihre Seide zu Exportzwecken direkt von osmanischen Lieferanten in Bursa.63 Konstantinopel zu erobern, sei damit unnötig, wie Aşıkpaşazade und andere eigens betonten.64 Türkische Kaufleute besuchten Konstantinopel regelmäßig und handelten auf einem wöchentlichen Markt mit Wachs, Trockenfrüchten, Häuten, Textilien und Kriegsbeute einschließlich Sklaven. Der osmanische Silber-Akçe wurde als Währung akzeptiert. Es gab sogar eine Moschee und einen muslimischen Richter für die Bedürfnisse der Händler.65 So wurde die Stadt durch eine Art stellvertretender sichtbarer Vertrautheit trotzdem die ihre. Mit ihrer Silhouette, ihren Gebäuden, ihren Mauern und ihren Stadträumen war sie so vertraut wie das Haus eines Nachbarn.


Karte 2.2: Die großen Routen für den Überlandhandel

Das Osmanische Reich

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