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Die Eroberung und die Geschichte

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Türken wie Griechen wussten, dass der Name der byzantinischen Hauptstadt Konstantinopel oder Kostantiniye lautete. In Istanbul „umbenannt“ wurde die Stadt auch gar nicht von den Osmanen, sondern von der Türkischen Republik in den 1920er-Jahren. Die Osmanen verwendeten den Namen Konstantinopel vorurteils- und widerspruchsfrei auf Münzen, in Veröffentlichungen und im amtlichen Schriftverkehr bis ins 20. Jahrhundert. Parallel dazu nannten in den osmanischen Jahrhunderten Griechen und Türken gleichermaßen die Stadt umgangssprachlich Istanbul oder Stambul. Das Wort leitet sich von einem griechischen Ausdruck ab, der schlicht in die oder in der Stadt heißt.

Natürlich bedeutete der Fall Konstantinopels ganz Unterschiedliches für den Griechen Dukas und den Türken Aşıkpaşazade. Von ihrer markanten Persönlichkeit und ihrer Voreingenommenheit einmal abgesehen, gingen sowohl Dukas als auch Aşıkpaşazade, jeder auf seine Weise, in der jeweiligen Geschichte ihrer eigenen Gemeinschaft auf. Keiner von beiden verfasste einen gründlichen Bericht über die Eroberung, wie ihn beispielsweise der venezianische Händler Niccolò Barbaro vorlegte, der sich in der Stadt aufhielt und Tagebuch führte.121 Wo es um den Fall Konstantinopels ging, hatte jeder der beiden seine Gründe, den im Wesentlichen bewahrenden Umgang der Osmanen mit der Stadt nach der Eroberung herunterzuspielen.122

Natürlich berichtet Dukas sehr unterhaltsam von der großen Kanone, die in Edirne gegossen und auf dem Landweg nach Istanbul gebracht wurde, und davon, wie die osmanischen Truppen Schiffe über Land schleppten und so die riesige Eisenkette umgingen, die den Hafen versperrte. Doch nach dem türkischen Sieg musste Dukas verbittert den Aufstieg der gegen eine Vereinigung mit Rom eingestellten Gruppe im orthodoxen Klerus mitansehen. Er selbst hatte eine solche Vereinigung unterstützt, die das Konzil von Florenz verkündet hatte und die im Dezember 1452 mit einer Messe in der Hagia Sophia vollzogen worden war. Seit dem Bürgerkrieg der 1340er-Jahre hatten sich die Sultane durchgängig auf die Seite der orthodoxen Vereinigungsgegner gestellt. Dukas erwartete eigentlich noch während der osmanischen „Tyrannei“, die er als eine Art Aussperrung der rechtmäßigen Palaiologen-Kaiser verstand, die Wiederherstellung des Gottesreiches. Jetzt bewies Sultan Mehmeds Ernennung eines neuen Patriarchen, dass nicht nur die Zeit nicht stehenbleiben, sondern auch die Kirche in der Kaiserstadt dank der Unterstützung des osmanischen Tyrannen für ein gegen die Vereinigung eingestelltes Patriarchat zu neuem Leben erwachen würde.123 Dukas’ Beschreibung vom Fall der Metropole schloss mit einem tiefbewegten Abgesang auf sie, der die Klagen des Propheten Jeremia um Jerusalem zitierte.124

Für Aşıkpaşazade war die Eroberung nicht jene Katastrophe, die sie für Dukas darstellte, aber das Ende der Geschichte, als das einige andere osmanische Chronisten sie schilderten, sah er in ihr ebenfalls nicht. Aşıkpaşazades Bericht spiegelt die ambivalenten Gefühle eines wichtigen Teils der osmanisch-muslimischen Gesellschaft wider. Belagerung, Eroberung und Plünderung Konstantinopels beschrieb er in einem einzigen Kapitel, einem von 166, die sein Buch umfasste, und noch dazu kein sehr langes. Sogar die Entdeckung des Grabes von Abu Ayyub al-Ansari, des Gefährten des Propheten Mohammed, der bei der arabischen Belagerung Konstantinopels im Jahr 668 umkam, überging er. Nach der Einnahme ehrte Sultan Mehmed II. dieses Grab mit einer Feier; es war nahe der tiefsten Ausbuchtung des Goldenen Horns dank der wundersamen Hilfe eines ehrwürdigen heiligen Mannes entdeckt worden, der die Einnahme der Stadt prophezeit hatte.125 An einem derart zusammengebastelten Königskult hatte Aşıkpaşazade kein Interesse.

Das Osmanische Reich

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