Читать книгу Depression. Das Richtige tun - Dr. Christine Hutterer - Страница 25
Auslöser von Depressionen
ОглавлениеFrüher versuchte man, die Art der Depression nach ihrer wahrscheinlichsten Entstehungsursache zu klassifizieren. Man unterschied zwischen einer endogenen (v. a. erblichen), neurotischen und reaktiven Ursache. Heute weiß man jedoch, dass die meisten Depressionserkrankungen durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren bedingt sind. Eine familiäre Veranlagung, Stoffwechsel- und Funktionsstörungen im Gehirn sowie Einflüsse der Persönlichkeitsentwicklung (psychosoziale Faktoren) können in unterschiedlicher Weise auf die Entstehung einer Depression einwirken. Beispielsweise können der frühe Verlust eines Elternteils, Störungen in der Eltern-Kind-Beziehung oder mangelndes Selbstwertgefühl zu größerer Verletzlichkeit später im Leben führen. Auch Verlusterlebnisse oder Traumata in der Kindheit (z. B. sexueller oder seelischer Missbrauch, Erleben von Katastrophen) können den Ausbruch einer Depression im Erwachsenenalter begünstigen.
Krisen- und Stresssituationen (z. B. die Trennung vom Partner, Fehlgeburt oder Tod eines Kindes oder einer geliebten Person, Verlust des Arbeitsplatzes, Erleben einer schweren Krankheit, Mobbing), aber auch andere, primär positive Ereignisse wie eine Heirat, die Geburt eines Kindes oder eine Beförderung können Auslöser für eine Depression darstellen.
Depressionen sind alles andere als selten: Jeder Fünfte erlebt mindestens einmal im Leben eine depressive Episode, weltweit sind zehnmal mehr Menschen an Depressionen erkrankt als an Krebs.
Häufige Faktoren, die bei der Entstehung und Auslösung einer Depression eine Rolle spielen, sind:
Stress. Eine chronische körperliche Stressreaktion wird als bedeutender Auslöser für Depressionen gesehen. Daneben kann eine intensive Stresserfahrung, beispielsweise durch eine traumatische Erfahrung in der Kindheit, die körperliche Antwort auf akuten Stress beeinflussen, zum Beispiel beim Sprechen vor Zuschauern oder beim Arbeiten unter Druck. Die Menge an Stresshormonen ist bei diesen Personen häufig größer als bei Personen ohne Kindheitstrauma. Wissenschaftler glauben deswegen, dass frühe Traumata kleine Änderungen auf der Ebene der Gehirnzellen oder der Botenstoffe bewirken können, die bei erneutem Stress entscheidend sein können.
Schilddrüse. Einen erheblichen Einfluss auf die Psyche haben die von der Schilddrüse produzierten Hormone. Sowohl eine Überfunktion als auch eine Unterfunktion der Schilddrüse geht mit psychischen oder körperlichen Symptomen einher, die auch bei einer Depression auftreten können (z. B. Schlafstörungen, Müdigkeit, Schwäche, ängstliches oder schreckhaftes Verhalten, starker Gewichtsverlust, Konzentrationsstörungen, depressive Verstimmungen). Deshalb ist es wichtig, entsprechende Untersuchungen bei Ihrem Angehörigen durchzuführen, was der Hausarzt oder Psychiater in der Regel automatisch veranlassen wird.
Weibliche Geschlechtshormone. Auch weibliche Geschlechtshormone wie Östrogen und Progesteron beeinflussen die Psyche. In typischen Situationen, in denen die weiblichen Hormone sich umstellen, zum Beispiel in der Pubertät, während und nach der Schwangerschaft, in den Wechseljahren und auch im Monatszyklus, kann ein Ungleichgewicht zu Stimmungsschwankungen, Schlafstörungen, Reizbarkeit und anderen Symptomen führen, und Depressionen treten bei Frauen häufig in diesen Phasen der Veränderung auf.
Depression als Folge anderer Erkrankungen. Schwere Erkrankungen können mit depressiven Symptomen oder einer Depression vergesellschaftet sein, z. B. bei einer degenerativen neurologischen Erkrankung wie Multiple Sklerose, Parkinson, Alzheimer oder Chorea Huntington, Hirntumoren, Enzephalitis, einem Schlaganfall, einer Herzerkrankung, einer Darmerkrankung, einigen Virusinfektionen oder einem Nährstoffmangel. Die Liste lässt sich noch weiter fortsetzen – allein aus diesem Grund ist unbedingt ratsam, nicht nur einen Psychotherapeuten, sondern auch einen Arzt aufzusuchen, der eine körperliche Untersuchung durchführt (siehe S. 26). Sind die Symptome die Folge einer anderen Krankheit, so kann die Behandlung der Grunderkrankung dazu führen, dass sich die depressiven Symptome bessern. Liegt zum Beispiel eine Unterfunktion der Schilddrüse vor, führt die Behandlung mit Schilddrüsenhormonen dazu, dass die depressiven Symptome abklingen. Häufig ist die Depression jedoch als zusätzliche, eigenständige Erkrankung einzuordnen, sodass eine entsprechende leitliniengerechte Therapie der Depression durchgeführt werden sollte.
Depressive Symptome als Nebenwirkung von Medikamenten. Eine Reihe von Medikamenten kann depressive Störungen und Symptome auslösen. Dazu gehören auch häufig verschriebene Medikamente, wie beispielsweise Steroidhormone, Blutdruck- und Herzmedikamente (z. B. Beta-Blocker), hormonelle Verhütungsmittel („Pille“ etc.) und viele weitere. Besonders bei der Einnahme mehrerer Medikamente steigt das Risiko, eine medikamentenbedingte Depression zu entwickeln. Sollte Ihr Angehöriger Medikamente einnehmen, sollte mit dem behandelnden Arzt über die Beobachtungen gesprochen werden. Werden bestimmte Medikamente als (wahrscheinliche) Ursache identifiziert, kann das Absetzen innerhalb von einigen Wochen oder Monaten dazu führen, dass sich die Depression zurückbildet. Medikamente sollten jedoch keinesfalls ohne Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden.
Verstehen und helfen
Wochenbettdepressionen ernst nehmen. Bei etwa jeder zehnten Frau lösen Geburt und das Muttersein keine Glücksgefühle aus, sondern stellen den Beginn einer Depression dar. Da die Beschwerden meist in den ersten drei Monaten nach der Geburt einsetzen, spricht man von Wochenbettdepression oder postpartaler Depression. Besonders schlimm ist das für betroffene Frauen, weil sie merken, dass sie sich nicht über das Baby freuen können, den Erwartungen des Umfelds nicht gerecht werden können und sich daher als schlechte Mutter fühlen. Angehörige sollten Frauen, die in der Zeit nach der Geburt über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen niedergeschlagen und freudlos sind, dazu ermutigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Eine erste Möglichkeit ist, das Gespräch mit der betreuenden Hebamme zu suchen.