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Milo und ich fuhren am Abend in die Avenue B. Den Bereich um die Avenues A, B, C und D nennt man folgerichtig auch Alphabet City. In den letzten Jahren ist dieses Gebiet zu einer Art New Yorker Vergnügungsmeile geworden. Hier konzentrierten sich die Clubs und Diskotheken. Die meisten Neueröffnungen waren hier zu verzeichnen.

Das Butterfly war allerdings ein Club, der schon seit zwanzig Jahren existierte, auch wenn er zwischenzeitlich den Namen gewechselt hatte und die Innenausstattung alle drei Jahre einer Radikalkur unterzogen wurde.

Nachdem wir den Türstehern unsere Dienstausweise gezeigt hatten, wurden wir eingelassen. Innen herrschte flackerndes Laserlicht. Auf den Tanzflächen war um diese Uhrzeit noch nicht allzu viel los. Wir gingen an die Bar und erkundigten uns nach Mickey Callaghan.

Der Barkeeper verschwand für kurze Zeit durch eine Nebeneingang. Er kehrte in Begleitung eines breitschultrigen Mannes zurück, der ein graues Hemd mit weißen Streifen trug.

„Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen. Mein Name ist William Rothman, ich führe den Laden hier!“

„Wir suchen Mister Callaghan.“

„Was möchten Sie von ihm?“

„Das würden wir ihm schon gerne selbst sagen, Mister Rothman.“

„Der Laden hier ist in Ordnung und...“

„Ihr Club interessiert uns nicht, wir wollen nur zu Callaghan, der ja wohl als stiller Teilhaber fungiert“, sagte Milo.

„Na gut, dann folgen Sie mir.“

Er führte uns durch einen engen Korridor. Am Ende befand sich die Tür zum Büro. Rothman ging ohne anzuklopfen hinein. Hinter dem Schreibtisch saß ein ziemlich beleibter Mann mit einem Glas Champagner in der Hand.

„Mister Mickey Callaghan?“, fragte ich. Und hielt ihm meinen Ausweis entgegen. „Jesse Trevellian, FBI. Wir haben ein paar Fragen an Sie...“

„Worum geht es?“

„Wie ich sehe, gibt es was zu feiern!“ Ich deutete auf das Champagnerglas.

„Die Bilanz des letzten Geschäftsjahres rechtfertigt den Champagner“, antwortete Callaghan. „Was wollen Sie von mir?“

„Ihr Partner wurde durch einen Anwalt namens Brian Reddick vor Gericht vertreten, ist das richtig?“, fragte ich.

Rothman hob abwehrend die Hände. „Die Anklage wurde niedergeschlagen, ich hatte in allen Punkten die Jury auf meiner Seite und wenn Sie jetzt damit ankommen wollen, mir denselben Sermon noch einmal zu servieren, dann...“

„Beruhigen Sie sich, Mister Rothman, das ist nicht unsere Absicht. Es geht hier genau genommen nicht um Sie, sondern um Ihren Anwalt.“

„Ich hatte noch nie von ihm gehört, aber mein Partner hat ihn mir empfohlen – und ich kann Ihnen sagen, Reddick war sein Geld wert“, sagte Rothman. Er schien keine Ahnung zu haben, was hier gespielt wurde. Vielleicht wusste er noch nicht einmal darüber Bescheid, dass hinter seinem Teilhaber jemand wie Jack Gabrielli steckte. Andernfalls hätte er sich wohl kaum so unbekümmert geäußert.

Mickey Callaghans Blick sprach Bände.

„Hör zu, ich möchte das gerne mit den Gentlemen unter sechs Augen regeln“, sagte er.

„Hey Mickey, wenn es den Club betrifft, dann betrifft es auch mich.“

„Mach dir keine Sorgen. Die Sache hat nichts mit dir zu tun.“

Rothman atmete tief durch. Er musterte erst uns der Reihe nach und anschließend noch einmal seinen Geschäftspartner. Dann verließ er schließlich doch den Raum.

Ich wartete bis die Tür ins Schloss gefallen war.

„Ihr Partner soll nicht erfahren, dass Sie der Strohmann von Jack Gabrielli sind, nicht wahr?“

„Das würde uns beide – Gabrielli und mich in Schwierigkeiten bringen.“

„Dann helfen Sie uns einfach weiter und wir sparen uns diese Schwierigkeiten.“

„Was wollen Sie wissen?“

„Alles über Reddick.“

„Da gibt es nicht viel zu sagen. Als mein Partner vor einiger Zeit in Schwierigkeiten war, habe ich Mister Gabrielli nach einem Anwalt gefragt. Einem scharfen Hund natürlich. Mister Gabrielli meinte, er hätte da jemanden, den er immer dann einsetzt, wenn keine Spur direkt zu ihm führen soll und empfahl mir Reddick und seine Kanzlei.“

„So ähnlich haben wir uns das schon gedacht“, nickte Milo.

Mickey Callaghan hob die Augenbrauen. „Irgendwie muss ich den springenden Punkt wohl verpasst haben, oder?“

„Das glaube ich kaum“, erwiderte ich. „Gegenwärtig vertritt dieser Reddick einen ehemaligen Profi-Killer namens Tom Buscella. Der hätte aber gar nicht die Mittel dazu, ihn zu bezahlen.“

„Dann scheint Mister Reddick noch eine großzügige Seite zu besitzen, die er bisher zumindest vor mir erfolgreich verbergen konnte“, erwiderte Callaghan. „Von meinem Partner hat er nämlich ein saftiges Honorar genommen. Allerdings muss ich zugeben, dass er jeden Cent davon wert war. Ich hatte schon befürchtet, meinen Partner die Geschäftsberichte in Zukunft nach Rikers Island nachsenden zu dürfen...“

„Angenommen, wir würden einen Richter dazu überreden können, Ihre Bücher zu überprüfen, weil wir Hinweise darauf hätten, dass Sie Mister Buscellas Anwalt bezahlen ...“

„Das wäre nicht verboten!“

„Dann käme unweigerlich die Frage auf den Tisch, weshalb Sie das für Buscella übernehmen. Die Verbindung zu Mister Gabrielli ließe sich nicht mehr unter der Decke halten!“

Mickey Callaghan schluckte. „Was schlagen Sie vor?“

„Sagen Sie einfach, wie es gewesen ist und wir sparen uns viel Zeit und Sie viel Ärger.“

Er zögerte noch einen Moment, biss sich auf die Lippe und nickte. „Ich komme aus der Sache wohl nicht mit heiler Haut raus und Sie würden es ja wohl ohnehin erfahren...“

„Richtig.“

„Mister Gabrielli bat mich, an Reddick regelmäßig eine bestimmte Summe zu überweisen. Natürlich bekomme ich die von ihm zurück.“

„Haben Sie eine Ahnung, weshalb Mister Gabrielli den Mann unterstützt, der seinen Onkel beinahe ins Gefängnis gebracht hätte?“

„Ich habe keine Ahnung. Und ehrlich gesagt, sollten Sie das nicht mich fragen. Im Übrigen wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie Mister Gabrielli gegenüber nicht erwähnen würden, dass Sie Ihre Informationen von mir haben. Er kann ziemlich unangenehm werden und ich möchte gerne gesund bleiben...“

„Von dieser Seite hat sich Mister Gabrielli uns gegenüber noch nicht präsentiert“, sagte Milo.

Mickey Callaghan hob die Hände. „Ich werde nichts von dem, was hier gesagt wurde, irgendwo wiederholen. Weder vor dem Staatsanwalt noch vor einer Jury.“

„Das brauchen Sie auch nicht“, erwiderte ich und er sah mich überrascht an. „Ich schlage vor, Sie rufen einfach Mister Gabrielli an, sagen ihm, dass wir bei ihnen waren und bereits alles wussten. Dann sind Sie aus dem Schneider.“

„Und Sie können in aller Ruhe Mister Gabriellis Reaktion abwarten...“

„Genau.“

Der 12 Romane Krimi Koffer Juni 2021

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