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Der Verkehr in der Rushhour hatte uns ziemlich aufgehalten. Unterwegs erläuterte uns Orry telefonisch, was die Ermittlungen am Tatort auf dem Dachgarten des Chez Jules ergeben hatten.

Danach war Kim vom Dach eines Nachbargebäudes aus zusammen mit seinen Leibwächtern und Hunden erschossen worden. Der Mann, der als Boss des koreanischen Drogensyndikats galt, hatte sich mit Ben Camerone getroffen. „Der gehörte vor zehn Jahren zu den führenden Köpfen von Big Tony Damianis Organisation“, berichtete Orry.

„Und inzwischen nicht mehr?“

„Er hat sich nach unseren Erkenntnissen damals aus dem Geschäft zurückgezogen. Im Moment rätseln wir noch, ob dieser Anschlag wirklich beiden galt. Camerone könnte nämlich den Schützen auf dem Dach des Nachbargebäudes positioniert haben, um sich bei dem Treffen mit Jimmy Kim abzusichern.“

„Was sagt er denn, worum es bei dem Gespräch ging?“, hakte ich nach.

„Dazu schweigt er sich aus. Aber vielleicht wissen ja Jimmy Kims Angehörige etwas mehr darüber – oder es ergibt sich etwas bei der Hausdurchsuchung.“

„Erst Manetta, dann dieser Ben Camerone – es muss einen Grund haben, dass Jimmy Kim plötzlich das Gespräch mit ehemaligen Größen aus Big Tonys Organisation suchte!“, war Milo überzeugt.

Als wir auf den Brooklyn Heights eintrafen, waren unsere Kollegen bereits dort und hatten uns die undankbare Aufgabe abgenommen, die Nachricht von Jimmy Kims Ermordung zu überbringen.

Mrs Kim machte einen vollkommen schockierten Eindruck. Sie saß starr da und schüttelte nur den Kopf. Ihr Gesicht war zu einer Maske gefroren.

Außer unseren Kollegen Jay Kronburg und Leslie Morell war noch ein junger Mann im Raum. Er war schlank, trug einen konservativen grauen Dreiteiler und sah insgesamt wie eine jüngere Ausgabe von Jimmy Kim aus.

Er stellte sich uns als Ray Kim, der älteste Sohn des Ermordeten vor. Es gab noch zwei weitere Kinder. Ein Sohn, der in Seoul studierte und eine Tochter, die auf ein Privat-College in England ging.

„Unser Vater hat uns immer gesagt, dass Bildung das wichtigste sei“, erklärte Ray Kim mit einer erstaunlichen Gefasstheit angesichts der schlechten Nachricht, die ihm soeben übermittelt worden war. Leslie raunte mir zu, dass unsere Kollegen Josy O'Leary und Fred LaRocca bereits mit der Durchsicht von Kims Privatsachen begonnen hatten. Außerdem war noch Agent Nat Norton an dem Einsatz beteiligt. Nat war unser Fachmann für Betriebswirtschaft und das Aufspüren von verborgenen Geldströmen, was bei der Bekämpfung des organisierten Verbrechens unerlässlich war.

„Sie werden davon gehört haben, dass vor kurzem im Lake Tappan die sterblichen Überreste von Big Tony Damiani geborgen wurden“, sagte ich an Ray Kim gewandt.

„Natürlich haben mein Vater und ich das verfolgt“, gestand Ray Kim. „Schließlich war die Justiz der Auffassung, dass er einen Killer beauftragt hatte, um meinen Großvater Lee Kim zu töten.“

„Jack Gabrielli glaubt, dass Ihr Vater damit ein Motiv gehabt hätte, Big Tony damals umzubringen.“

„Genauso hätte Jack Gabrielli selbst ein Motiv gehabt. Schließlich wollte er schon lange an die Spitze der Organisation, die Big Tony aufgebaut hatte. Das pfiffen doch die Spatzen von den Dächern.“

„Jimmy Kim hatte wirklich nichts damit zu tun?“, hakte ich nach. „Wenn Sie etwas darüber wüssten, könnten Sie es jetzt ruhig sagen, ohne Ihrem Vater damit zu schaden.“

„Das ist richtig. Glauben Sie mir, wir waren der Ansicht, dass Damiani und seine Frau irgendwo ihren Reichtum genießen. Warum hätte mein Vater mich sonst nach Marokko schicken sollen, um Ava Damiani zu folgen...“

„Wie bitte?“ Im ersten Moment glaubte ich, mich verhört zu haben.

Ein verhaltenes Lächeln huschte über das ansonsten asiatisch-unbewegliche Gesicht meines Gegenübers. „Ich hatte ehrlich gesagt immer den Verdacht, dass Sie uns auf Schritt und Tritt beschatten. Aber offenbar habe ich das FBI und seine Möglichkeiten grob überschätzt.“

„Wann waren Sie in Marokko?“, fragte ich nach.

Ray Kim trat etwas näher und sprach nach einem kurzen Seitenblick in Richtung seiner Mutter in einem deutlich gedämpften Tonfall weiter.

„Ich würde das gerne unter vier Augen besprechen“, sagte er.

Jay Kronburg zuckte mit den Schultern. „Geh mit ihm in den Nachbarraum, Jesse. Wir sehen zu, ob Mrs Kim vielleicht doch noch etwas aussagt. Und außerdem haben wir noch die Befragung des Hauspersonals vor uns...“

„Nur vier Augen, Agent...“

„Trevellian. Jesse Trevellian.“

Ray Kim nickte. „Und wir werden eine inoffizielle Unterhaltung haben, deren Inhalt ich gegebenenfalls widerrufen werde.“

„Man sollte zu seinem Wort stehen, Mister Kim.“

Er führte mich in einen Nebenraum. „Wollen Sie einen Drink?“

„Nein, danke, Mister Kim.“

„Tom Buscella gestand damals, meinen Großvater im Auftrag von Big Tony umgebracht zu haben und er tauchte unter, ehe er festgenommen werden konnte. Sie verstehen, dass niemand von uns wollte, dass er so leicht davonkommt. Die einzige Möglichkeit, ihn vielleicht doch noch aufzuspüren, war, sich an seine Frau Ava zu heften. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die Beiden das sehr schlau eingefädelt hatten. Ava sollte offenbar erst später das Land verlassen.“

„Ich frage mich, wo sie heute steckt, Mister Kim.“

„Sie reiste unter falschem Namen und ein paar Umwegen schließlich dorthin, wo sich angeblich auch ihr Mann befand. Nach Marokko. Irgendwann verlor ich die Spur, obwohl ich mit einem Team von sehr fähigen Leuten auf die andere Seite des Atlantiks gereist bin.“

„Haben Sie irgendeine Ahnung, wo Ava Damiani heute steckt?“

Ray Kim schüttelte den Kopf. „Nein.“

„Reiste sie allein nach Marokko?“

„Es hatte zunächst den Anschein. Aber ich stellte fest, dass sie von jemandem wie ein Schatten begleitet wurde. Eine Art Bodyguard.“

„Wer?“

„Gary Simone. Das erschien mir auch logisch. Er war damals der Mann fürs Grobe bei Big Tony. Ich verlor damals auch seine Spur.“

„Hat dieser Simone nicht bemerkt, dass Sie Ava Damiani folgten?“

Ray Kim lächelte verhalten. „Dann wäre ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Zumindest habe ich das damals gedacht. Heute erscheint mir das alles in einem anderen Licht.“

„Vielleicht werden Sie da mal konkreter!“

„Im Rückblick frage ich mich, ob Ava Damiani nicht nur eine Art Lockvogel war, um alle an der Nase herumzuführen, die es auf Big Tony abgesehen hatten – die Justiz und Gegner in den eigenen Reihen eingeschlossen. Etwa zur selben Zeit entstand das Gerücht, die Damianis seien in Marokko untergetaucht. Vielleicht war das auch nur gezielt gestreut.“

„Wollte Ihr Vater darüber mit Mark Manetta sprechen?“

„Das ist gut möglich. Über den Inhalt der Gespräche mit Manetta kann ich Ihnen allerdings nichts sagen. Ich war nicht dabei.“

„Ihr Vater hat Manetta eine für seine Verhältnisse große Summe gezahlt!“, gab ich zu bedenken. „Das wird er nicht ohne Grund getan haben.“

„Wie gesagt, dazu kann ich Ihnen nichts sagen.“

„Und auch nicht darüber, was er mit Ben Camerone zu besprechen hatte?“

„Unser Kontakt war in letzter Zeit nicht mehr so eng. Es gab gewisse Differenzen. Aber darüber möchte ich mit Ihnen nicht weiter sprechen. Was ich Ihnen gesagt habe, muss fürs Erste genügen. Ansonsten finden Sie ja wahrscheinlich ein paar Hinweise bei der unvermeidlichen Hausdurchsuchung.“

Im Klartext bedeutete Ray Kims letzte Aussage wohl, dass sein Vater Jimmy ohnehin ständig darauf vorbereitet gewesen war, dass in seinen Privat- und Geschäftsräumen alles auf den Kopf gestellt wurde und er daher alle wirklich brisanten Unterlagen dort nicht aufbewahrte.

Der 12 Romane Krimi Koffer Juni 2021

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