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Wir warteten bereits zusammen mit dem stellvertretenden Gefängnisdirektor Alec Johnes eine Viertelstunde auf den Gefangenen, als er wie üblich in Hand- und Fußfesseln hereingeführt wurde.

„Ich will nicht, dass Sie dabei sind!“, fauchte Buscella Johnes an.

„Warum nicht?“

„Das werde ich nicht begründen. Ich will es einfach nicht und wenn Sie nicht auf meine Bedingungen eingehen, können wir uns das ganze Theater sparen und ich gehe wieder in meine Zelle.“

Alec Johnes lief dunkelrot an. Er erhob sich von seinem Platz.

„Viel Glück mit dem Kerl“, raunte er mir zu und verließ anschließend den Raum.

„Die Wachen auch!“, verlangte er. „Das ist etwas Persönliches.“

„Das ist schon in Ordnung“, versicherte ich.

Schließlich saßen wir allein mit Tom Buscella im Verhörraum.

Buscella beugte sich vor.

„Agent Trevellian, ich bin nicht das wilde Tier, für das Sie mich vielleicht halten. Aber man muss sich hier drinnen Respekt verschaffen und ab und zu muss ich was für mein Image tun - zumal das, was ich Ihnen jetzt sagen werde, dem völlig wiederspricht.“

„Ich bin ganz Ohr, Mister Buscella.“

„Meine Schwester hat sich das Leben genommen“, sagte er und seine Stimme wurde brüchig dabei. In seinen Augen glitzerten Tränen. Wahrscheinlich waren es diese Emotionen, die er niemandem zeigen wollte, weil sie das beschädigt hätten, was Tom Buscella als sein Image ansah. „Sie hat sich eine Überdosis Morphium gesetzt, weil sie die Schmerzen einfach nicht mehr aushielt. Seit dreizehn Jahren kämpfte sie nun schon gegen diesen verdammten Krebs, aber die Krankheit ist immer wieder von neuem ausgebrochen. Es gab kaum ein Organ an ihr, das nicht schon bestrahlt oder operiert wurde. Als die Krankheit ausbrach, hatte sie keine Krankenversicherung, weil ihr gerade gekündigt worden war. Und danach gab es keine Versicherung mehr, die bereit war sie aufzunehmen. Die Behandlungskosten waren astronomisch und wenn ich nicht dafür gesorgt hätte, dass sie die bestmögliche Behandlung bekommt, dann hätte sie auch gar nicht mehr so lange gelebt.“

„Lassen Sie mich raten: Sie haben den Mord an Lee Kim auf sich genommen und jemand anderes bezahlte dafür die Behandlungskosten Ihrer Schwester?“

„Ja.“

„Dieser andere war Jack Gabrielli.“

„Auch das ist richtig.“ Er stockte und lehnte sich zurück. Sein Blick ging ins Nichts. Tom Buscella schien sich im Moment in seiner eigenen, inneren Welt zu befinden. Er biss sich auf die Lippe. Ich hatte den Eindruck, dass es am besten war, ihm einfach etwas Zeit zu geben und nicht weiter nachzubohren. Schließlich war er es, der uns hier her gerufen hatte.

Und so würde er zweifellos den Faden irgendwann wieder aufnehmen.

Ein Ruck ging durch seinen Körper. Er wandte den Kopf und fixierte mich plötzlich mit seinem Blick. „Wissen Sie, wie das ist, wenn man den Abschiedsbrief des einzigen Menschen in den Händen hält, der einem noch etwas bedeutet? Sie ist regelmäßig zu Besuch gekommen, gleichgültig, wie schlecht es ihr ging.“ Er atmete tief durch und brauchte einige Augenblicke, eher er die Fassung wiedererlangt hatte. „Meine Schwester war sehr religiös, müssen Sie wissen. Der Glaube hat ihr Trost und Halt gegeben. Sie hat mir immer gesagt, dass sie sich schon vor langer Zeit umgebracht hätte, wenn sie diesen Trost nicht gefunden hätte. Eine Stimme, die ihr sagte, dass ihr Leiden nicht umsonst sei, und es jemanden gäbe, der sie bis zum Ende begleiten würde.“ Er zuckte die Schultern. „Ich persönlich habe nie viel von der Kirche und alldem gehalten. Und es war für sie gewiss nicht leicht, zu einem Bruder zu stehen, der alles mit Füßen getreten hatte, was ihr heilig war und die Kraft zum Überleben gab.“ Er lachte heiser. „Schließlich habe ich mein Geld damit verdient, Menschen zu töten. Einen größeren Gegensatz zu dem, woran sie glaubte, ist wohl kaum denkbar.“

„Dass Doreen trotzdem zu ihnen gehalten hat, spricht für sie“, sagte ich. „Ich habe sie zwar nie kennen gelernt, aber ich denke, es braucht sehr viel innere Größe dazu.“

„Innere Größe – das ist genau das richtige Wort, Agent Trevellian. Ich sehe, Sie verstehen mich.“ Er sah mich eine ganze Weile einfach nur an und nickte schließlich. Dann fuhr er fort: „Meine Schwester hat mich in ihrem Abschiedsbrief darum gebeten, reinen Tisch zu machen. Mit allem.“

„Es hat ihr nicht gefallen, auf welche Weise ihre Behandlungskosten finanziert wurden, nicht wahr?“, vermutete ich. „Sie wusste es doch?“

„Sie wusste nicht alles. Nur, dass ich einen Mord auf mich nahm, den ich nicht begangen hatte. Aber ich konnte sie damals davon überzeugen, dass es für mich keine Rolle spielt, für welchen Mord ich hier sitze – für die, die ich begangen habe oder für diesen einen, den ich nicht begangen hatte.“

„Aus den Akten geht hervor, das Sie einiges an Detailwissen besaßen, dass Jury und Gericht schließlich überzeugte. Detailwissen vom Tatort und dem Tathergang.“

„Das habe ich von dem wahren Täter.“

„Wer war es?“

„Jack Gabrielli.“

Eine Pause entstand.

„Erzählen Sie mir mehr dazu“, forderte ich ihn schließlich auf. „Tun Sie das, was Doreen Ihnen aufgetragen hat, machen Sie reinen Tisch.“

Er nickte. „Darum bin ich hier. Ich weiß nur nicht, womit ich anfangen soll.“

„Reden Sie einfach. Es spielt keine Rolle.“

„Gut. Jack Gabrielli hat Lee Kim ermordet – und zwar höchstpersönlich.“

„Woher wissen Sie das?“

„Weil er es mir gesagt hat. Die Sache war nämlich so: Damals herrschte Krieg zwischen Big Tonys Organisation und den Koreanern. Aber Jack Gabrielli wollte sich mit der anderen Seite einigen, weil er das Geschäft insgesamt in Gefahr sah. Leider hat das nicht geklappt. Die andere Seite war genauso verbissen. Der Versuch scheiterte und Lee Kim hat daraufhin versucht, Jack Gabrielli zu erpressen. Gabrielli sollte Informationen aus dem Syndikat weitergeben. Der wäre bei seinen Leuten – und vor allem bei Big Tony – unten durch gewesen, wenn das raus gekommen wäre. Ich habe keine Ahnung, was genau der Auslöser war, aber bei einem geheimen Treffen zwischen Lee Kim und Jack Gabrielli hat es dann geknallt. Ich vermute, dass Lee Kim Gabrielli so unter Druck gesetzt hat, dass dieser die Nerven verlor. Er rief mich mitten in der Nacht an. Ich hatte bis dahin direkt für ihn noch nie gearbeitet, aber er wusste, dass ich diskret bin. Ich glaube Ben Camerone hat mich mal empfohlen.“

„Was hatten Sie für den gemacht?“

„Das gehört nicht hier her, Agent Trevellian.“

„Schon gut, fahren Sie fort!“

„Die Sache war auf einem Parkplatz am Highway Richtung Albany passiert. Ich versprach ihm, dafür zu sorgen, dass die Leiche an einem Ort aufgefunden werden würde, der weit genug entfernt war. Außerdem sollte ich die Tatwaffe entsorgen. Gabrielli sollte sich irgendwo öffentlich zeigen, sodass er ein Alibi hatte. Lee Kim hatte ein Ferienhaus in Montauk, ganz am anderen Ende von Long Island. Es war niemand da. Ich drapierte die Leiche so, dass die Polizei später den Eindruck gewann, er sei dort ermordet worden. Ich fingierte vom Haus aus einen Anruf zum County Sheriff. Es war keine Stimme zu hören – nur ein Schuss. Zur selben Zeit besuchte Jack Gabrielli einen Nachtclub, betrank sich und benahm sich so daneben, dass sich hundert Leute an ihn erinnerten.“

„Ein fast perfektes Verbrechen.“

„Ich wurde gut für meinen Anteil daran entlohnt. Aber wenig später hatte ich Pech und wurde wegen einer ganz anderen Sache festgenommen und verurteilt. Jack Gabrielli sah seine Chance gekommen, Big Tony zu beerben. Die Steuerfahndung hatte dem großen Boss übel zugesetzt. Und da sah Jack Gabrielli die Chance, den Alten abzuservieren, ohne dabei die Unterstützung von dessen getreuen Paladinen zu verlieren. Und so haben wir uns geeinigt.“

„Wo ist die Tatwaffe geblieben?“, mischte sich Milo ein.

„In einem Bankschließfach, das ich für solche Dinge unter falschem Namen angemietet hatte. Ich hatte das Gefühl, mich absichern zu müssen. Und ich glaube kaum, dass Jack Gabrielli bereit gewesen wäre, Doreens Behandlung so lange zu bezahlen, wie er es schließlich getan hat.“

„Sie verraten uns, wo sich dieses Schließfach befindet?“, hakte ich nach.

„Grand National Bank, Filiale in der Mott Street, Schließfach 3422. Den Schlüssel besitze ich nicht mehr, aber die Miete ist für 15 Jahre im Voraus bezahlt gewesen.“

Er seufzte. Fast so, als würde ihm ein zentnerschwerer Stein vom Herzen fallen. „Doreen schrieb in ihrem Brief, dass es mir gut tun würde. Sie hatte Recht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal mit dem FBI zusammenarbeiten würde. Aber nicht einmal ein so frommer Mensch wie Doreen konnte sich an die Ideale ihres Glaubens halten...“

Ich hob die Augenbrauen.

„Was meinen Sie damit?“

„Ihren Selbstmord. Soweit ich weiß, hätte sie das nicht tun sollen. Aber wahrscheinlich war es besser so. Zumindest für sie.“

Der 12 Romane Krimi Koffer Juni 2021

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