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Obwohl sie sich innerlich darauf eingestellt hatte und vor Anspannung die Luft anhielt, sprang dieses Mal nichts auf sie zu, um ihr einen Schrecken einzujagen.

Vor der Tür und innerhalb ihres gesamten Blickfeldes, das von den Türpfosten rechts und links begrenzt wurde, war noch immer niemand zu sehen. Und außen an der Tür hing auch keine Nachricht ihrer Cousine, worauf sie insgeheim gehofft hatte.

Anja stieß die angehaltene Luft aus, blieb aber weiterhin wachsam. Sie war noch immer bereit, den Regenschirm jederzeit wie einen Stockdegen zu benutzen und zuzustoßen, sollte es erforderlich sein, während sie sich nach vorn beugte und zunächst einen raschen Blick nach rechts und dann einen Blick nach links warf.

Niemand da!

Das Rätsel, wer aus welchem Grund an ihre Tür geklopft hatte, blieb weiterhin ein Geheimnis.

Anja suchte dennoch nach logischen Erklärungsmöglichkeiten.

Kinder, die sich einen Scherz erlaubt haben und dann sofort weggerannt sind?

So etwas war schon mehrere Male vorgekommen. Aber nie so spät am Abend und schon gar nicht bei so einem Sauwetter. Um diese Uhrzeit und bei Regen waren keine Kinder mehr unterwegs, die nervige, aber letztendlich harmlose Streiche spielten. Außerdem klopften sie nicht an die Tür, sondern klingelten in der Regel vorn am Gartentürchen.

Was dann?

Halbwüchsige, denen es zu langweilig war und die zu übermütig waren? Vielleicht. Ausgelassene Betrunkene auf dem Weg von einer Kneipe zur nächsten? Ihrer Meinung nach vermutlich die einzigen Erwachsenen, die aufgrund ihres Zustands derartig infantile Streiche halbwegs lustig fanden.

Anja schüttelte den Kopf. Vermutlich würde sie nie erfahren, wer vor wenigen Minuten an ihre Tür geklopft hatte und aus welchem Grund die Person es getan hatte. Aber höchstwahrscheinlich war es nur ein harmloser Streich oder ein Versehen gewesen und damit das Tamtam nicht wert, das sie darum veranstaltete.

Sie zog sich wieder ins Haus zurück, um sich abzuwenden und die Tür zu schließen. Doch da fiel ihr zum ersten Mal der großformatige braune Umschlag auf, den jemand zum Schutz vor dem Regen in eine Klarsichthülle gesteckt und auf die Fußmatte gelegt hatte.

Anja erstarrte mitten in der Bewegung, während in ihrem Inneren plötzlich Chaos ausbrach und ihre Gedanken rasten.

Natürlich musste sie sofort an die Nachrichten denken, die ihr im Fall des Apokalypse-Killers von dessen Hintermann oder Komplizen geschickt worden waren. Auch nach dem Tod des Serienmörders hatte sie noch einen derartigen Umschlag am Grab ihres Vaters gefunden. Darin hatte sich ein Foto befunden, das ihren Vater unmittelbar vor seinem Tod zeigte und das nur der Mörder aufgenommen haben konnte. Erst durch dieses Foto war ihr bewusst geworden, dass ihr Vater keinen Selbstmord begangen hatte, wie jeder jahrzehntelang geglaubt hatte, sondern ermordet worden war.

Anja starrte noch immer auf den Umschlag zu ihren Füßen, der exakt so aussah wie die Kuverts, die sie regelmäßig nach den Morden des Apokalypse-Killers erhalten hatte. Allerdings hatte das natürlich nicht zwangsläufig zu bedeuten, dass sie vom selben Absender stammten, denn solche Umschläge waren weit verbreitet und es gab sie wie Sand am Meer. Außerdem stand im Gegensatz zu damals diesmal nicht ihr Name darauf. Allerdings gab es auch so keinen Zweifel, für wen der Umschlag bestimmt war, schließlich lag er vor ihrer Tür auf der Fußmatte. Außerdem hatte die Person, die ihn hier abgelegt hatte, an ihre Haustür geklopft, bevor sie wieder spurlos verschwunden war, um Anja dazu zu bringen, die Tür zu öffnen und nachzusehen.

Während sie über all das nachdachte, war sie blind und taub für ihre Umwelt. Jeder, der ihr etwas hätte antun wollen, hätte diesen Moment ausnutzen können, um sich ihr unbemerkt zu nähern.

Doch erst als sie die Berührung spürte, wurde sich Anja dieser Gefahr jäh bewusst. Sie sog die Luft ein und zuckte erschrocken zusammen. Doch da war es bereits zu spät, um zu reagieren und sich zu verteidigen.

DER REGENMANN

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