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Zehn Minuten später war sie wieder zurück. Sie hatte nicht nur die Klarsichthülle geholt, in der sich neben der Nachricht und dem Umschlag auch die ursprüngliche Klarsichthülle befand, sondern die Gelegenheit auch gleich genutzt, um kurz ins Bad zu gehen und anschließend ein Glas Wasser zu trinken. Danach hatte sie nach Yin gerufen und das Haus nach ihm abgesucht. Da das Schicksal von Carina Arendts schwarzer Katze noch immer ungeklärt war, machte sie sich Sorgen um ihren Kater. Doch der war unauffindbar gewesen. Offensichtlich war er draußen und durchstreifte nun, nachdem es endlich zu regnen gehört hatte, die Nachbarschaft, um sein Revier gegen aufdringliche Rivalen zu verteidigen oder einsame Katzendamen zu umgarnen.

Da vor dem Haus niemand war, ging sie nach hinten. Aber auch dort fand sie niemanden. Wie es aussah, hatten die Kriminaltechniker grünes Licht gegeben und die beiden KDD-Beamten ins Haus gelassen.

Die kaputte Terrassentür, die ins immer noch hell erleuchtete, aber menschenleere Wohnzimmer führte, stand einen Spaltbreit offen. Doch Anja wagte es nicht, das Haus ohne Erlaubnis der zuständigen Kollegen zu betreten. Also ging sie wieder nach vorn und wartete dort.

Mittlerweile hatten die Anwohner auf der rechten Seite mitbekommen, dass auf dem Nachbargrundstück etwas Ungewöhnliches vor sich ging. Ein älteres Ehepaar stand am Fenster und beobachtete Anja argwöhnisch. Sie setzte ihr freundlichstes Lächeln auf und winkte den beiden alten Leuten zu. Diese zogen sich daraufhin geradezu fluchtartig zurück, als wären sie bei etwas Verbotenem ertappt worden. Sie schlossen die Vorhänge und löschten das Licht.

Während sie wartete, vertrieb sich Anja die Zeit, indem sie im Licht der Lampe über der Eingangstür das Foto von Carina Arendt mit ihrer Katze noch einmal genauer unter die Lupe nahm. Alle paar Minuten ging das Licht aus, sodass Anja eine Bewegung machen musste, damit es wieder anging. Doch obwohl sie die ausgedruckte Fotografie Millimeter für Millimeter unter die Lupe nahm, fiel ihr nichts Ungewöhnliches daran auf.

Auf diese Weise waren weitere zehn Minuten vergangen, bis Anja hinter sich plötzlich ein Räuspern vernahm. Sie zuckte erschrocken zusammen und fuhr herum.

»Tut mir leid«, sagte Andreas Plattner, der in der offenen Haustür stand. Allerdings konnte er sich ein schadenfrohes Grinsen über ihre Reaktion nicht verkneifen. »Ich wollte Sie nicht erschrecken.«

»Lügner!«, meinte Anja, lächelte dabei aber, um zu zeigen, dass sie es nicht böse meinte.

»Ertappt.« Plattner zuckte entschuldigend mit dem Achseln. »Haben Sie die Nachricht geholt?«

Anja nickte und reichte ihm die Klarsichthülle.

Er warf nur einen kurzen Blick darauf, bevor er sich wieder ihr zuwandte. »Und haben Sie auch Ihre Überschuhe noch dabei?«

»Habe ich.« Sie klopfte auf die Tasche, in der sie steckten. »Wieso fragen Sie?«

Doch anstatt ihre Frage zu beantworten, meinte er nur: »Ziehen Sie sie bitte an und kommen Sie dann rein.«

Anja zuckte mit den Schultern und tat, was er gesagt hatte.

»Sind die Kriminaltechniker bereits fertig?«, fragte sie, als sie schließlich im Hausflur neben ihm stand.

Plattner schüttelte den Kopf. »Noch nicht überall. Aber wir haben grünes Licht bekommen, uns in bestimmten Bereichen des Hauses frei bewegen zu können.«

»Und?«

Er zog fragend die Augenbrauen hoch. »Was meinen Sie?«

»Wurde die Leiche der Frau bereits gefunden?«

»Ach so.« Er lachte, was Anja in dieser Hinsicht für unangebracht hielt, und schüttelte den Kopf. »Nein. Keine Frauenleiche im ganzen Haus.«

Anja war beruhigt und fühlte sich daraufhin nicht mehr so unwohl hier drin. »Und was ist mit der Katze?«

»Die haben wir. Einer der Kriminaltechniker hat sie gefunden.«

»Wo war sie denn?«

»Im Keller.«

»Sie muss sich dort versteckt haben, als der Eindringling während des Regens ins Haus kam.«

»Das glaube ich kaum«, meinte Plattner mit einem schiefen Grinsen.

»Warum?«

»Sie wurde im Gefrierschrank gefunden«, antwortete er. »Von der Nase bis zur Schwanzspitze völlig steif gefroren.«

»Oh!«

»Wenn sie sich tatsächlich dort versteckt hätte, dann wäre das ein denkbar ungünstiges Versteck gewesen. Allerdings ist es so gut wie ausgeschlossen, dass sie es ohne fremde Hilfe geschafft hat, die Tür des Gefrierschranks zu öffnen und in eins der Fächer zu klettern. Außerdem sieht es so aus, als hätte ihr jemand vorher das Genick gebrochen.«

Als ausgesprochene Katzenfreundin verzog Anja mitfühlend das Gesicht. Sie musste dabei natürlich an Yin denken, der momentan draußen herumstromerte. Hoffentlich ging es ihm gut.

»Immerhin haben wir jetzt eine Leiche«, sagte Plattner grinsend. »Auch wenn es nur die einer Katze ist.«

»Ich kenne Carina Arendt zwar nicht«, meinte Anja, »aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie es war, die ihrer Katze das angetan hat. Also haben wir hier neben den Fuß- und Wasserspuren und dem blutigen und durchlöcherten Bademantel ein weiteres Indiz, dass jemand ins Haus eingedrungen ist. Fragt sich, was er mit der verletzten Carina Arendt oder ihrer Leiche gemacht hat, nachdem er sie angegriffen hatte.«

»Womöglich erfahren wir ja bald, was sich im Badezimmer abgespielt hat.«

»Wie das?«

»Kommen Sie!«, forderte er sie mit einer Kopfbewegung auf und marschierte voraus in Richtung Treppe. Dabei achtete er sorgsam darauf, nicht auf die Fußspuren auf dem Boden zu treten, die inzwischen teilweise mit nummerierten Beweistäfelchen versehen worden waren.

Anja folgte ihm. »Wohin gehen wir?«

»Nach oben«, sagte er nur, als hätte sie das nicht schon selbst erraten. »Beeilen Sie sich, sonst verpassen wir noch die Show.«

Die Show?

Doch Anja fragte nicht nach, denn allem Anschein nach wollte Plattner so lange wie möglich ein Geheimnis daraus machen. Auf halber Höhe der Treppe sah er sich nach ihr um und grinste wie ein kleiner Junge, der sich auf die Bescherung an Weihnachten freut. Dann konzentrierte er sich wieder darauf, nicht auf die Spuren zu treten, die der Eindringling hinterlassen hatte. Anja zuckte mit den Schultern. Sollte er ruhig seinen Spaß haben. Früher oder später würde sie schon erfahren, was es mit der von ihm erwähnten Show auf sich hatte.

Sie gingen denselben Weg, den Anja zuvor allein zurückgelegt hatte, indem sie sich stets neben den Spuren hielten, und erreichten schließlich das Badezimmer.

Melissa Schubert stand mit verschränkten Armen breitbeinig vor der Tür und sah hinein. Als sie Plattner und Anja kommen hörte, warf sie über die Schulter einen Blick nach hinten. »Da sind Sie ja endlich«, sagte sie zu Anja. Dann, an Plattner gewandt: »Hast du die Nachricht, die auf ihrer Türschwelle lag?«

Plattner nickte und zeigte ihr die Klarsichthülle.

»Gut«, sagte seine Kollegin. Dann ging sie ein Stück zur Seite, sodass Anja und Plattner, die neben ihr stehen blieben, ebenfalls ins Badezimmer schauen konnten.

Als Anja die beiden Kriminaltechniker sah, die sämtliche Oberflächen mit einer Flüssigkeit besprühten, fiel bei ihr endlich der Groschen. Jetzt wusste sie, was Plattner mit der Show gemeint hatte.

Bei der Sprühflüssigkeit handelte es sich um ein Gemisch aus Luminol in Natronlauge und verdünnter Wasserstoffperoxid-Lösung. Damit konnten latente Blutspuren, die für das bloße Auge unsichtbar waren, weil sie nur in geringen Mengen vorhanden oder durch Reinigungsmaßnahmen nahezu vollständig beseitigt worden waren, sichtbar gemacht werden. Das Luminol erzeugte bei Kontakt mit dem Blutfarbstoff Hämoglobin eine chemische Reaktion, worauf es kurzzeitig zu einer Chemolumineszenz, einem bläulichen Leuchten kam.

Schließlich waren die beiden Kriminaltechniker, einer von ihnen war der Teamleiter, mit dem Einsprühen aller Flächen fertig und positionierten sich in der Nähe der Tür. »Licht aus!«, sagte der Leiter, worauf sein Kollege das Licht im Badezimmer löschte. Und auch Melissa Schubert griff mit ihrer behandschuhten Hand nach dem Lichtschalter des Flurlichts und schaltete es aus.

»Wow«, sagte Plattner, als es dunkel und wie bei einer Lightshow ein blaues Leuchten sichtbar wurde.

Als Anja bei ihrem ersten Besuch in diesem Haus im Badezimmer gewesen war, hatte sie angenommen, es wäre gründlich gereinigt worden. Doch nun sah sie, dass diese Reinigung in Wahrheit nur oberflächlich erfolgt war. Allerdings war es nahezu unmöglich, Blutspuren komplett zu beseitigen. Das menschliche Auge ließ sich zwar täuschen, denn die sichtbaren Blutspuren waren nahezu vollständig entfernt worden. Doch mithilfe des Luminols erkannte sie nun, dass noch genügend latente Spuren vorhanden waren, die eine chemische Reaktion ausgelöst hatten.

An den Wänden und sogar an der Decke gab es unzählige verwischte, blau leuchtende Blutspritzer. Auf den Bodenfliesen in der Mitte des Badezimmers, an den Innenwänden der Dusche und in der Duschwanne selbst war die Chemolumineszenz besonders intensiv, weil dort großflächig Blut vergossen und anschließend aufgewischt worden sein musste. Ein dunkles Rechteck ohne Lumineszenz am Boden zeigte die Stelle, an der eine Badematte gelegen hatte, die der Täter vermutlich zusammen mit dem Opfer beseitigt hatte.

Der blutbefleckte Bademantel hatte Anja bereits erahnen lassen, dass an diesem Ort eine Menge Blut vergossen worden war. Die Intensität und großflächige Verteilung des bläulichen Leuchtens ließ diese Ahnung nun zur Gewissheit werden.

In diesem Moment kam wieder Leben in die beiden Kriminaltechniker. Sie holten Fotoapparate aus einem Einsatzkoffer und begannen damit, alle leuchtenden Oberflächen zu fotografieren, um die Spuren später auswerten zu können. Angesichts der Menge an Blutspuren, die das Luminol zum Vorschein gebracht hatte, würde das mit Sicherheit eine Weile dauern.

Anja drehte sich um. Das Licht der Lampe, die über der Treppe an der Wand hing, genügte ihr, um ihren Weg zu finden, ohne auf die Fußspuren des Täters zu treten. Die beiden KDD-Beamten folgten ihr. Erst als sie im erleuchteten Erdgeschossflur angekommen war, blieb sie stehen. Sie wandte sich um und wartete auf Schubert und Plattner.

Sie sah, dass die Tür zum Wohnzimmer offen stand und die anderen beiden Kriminaltechniker darin zugange waren. Die Frau fotografierte die Fußspuren, während der Mann bestimmte Bereiche der Terrassentür mit Rußpulver einstäubte, um Fingerabdrücke zu sichern. Anja bezweifelte, dass er dort auch die des Täters finden würde, und war froh, dass sie selbst in diesem Haus nichts mit bloßen Händen angefasst hatte.

»Nun?«, fragte Melissa Schubert, sobald sie und ihr Kollege Anja erreicht hatten. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah Anja an, als erwartete sie endlich das längst überfällige Geständnis von ihr.

Anja zuckte mit den Schultern. »Was wollen Sie von mir wissen?«

»Was halten Sie von dem, was wir gesehen haben?«

Anja hob überrascht die Augenbrauen; sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Kollegin sie nach ihrer Meinung fragen würde. Sie sortierte rasch ihre Gedanken, bevor sie antwortete: »Der Zustand des Bademantels ließ bereits darauf schließen, dass dort oben eine Menge Blut vergossen wurde. Der Einsatz des Luminols hat das meiner Meinung nach bestätigt. Aufgrund der momentanen Sachlage, die sich aus alldem ergibt, gehe ich daher davon aus, dass dort oben jemand nach dem Duschen mit einem Messer angegriffen und mindestens schwer verletzt, wenn nicht sogar getötet wurde. Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei dem Opfer um Carina Arendt. Und der Täter ist die Person, die auch die Fußabdrücke und Tropfspuren im Haus hinterlassen hat.«

Schubert nickte nachdenklich, als wäre sie mit Anja einer Meinung, während Plattner wie immer grinste.

»Womit haben wir es hier Ihrer Meinung nach also zu tun?«, fragte Schubert.

Anja seufzte. »Mit letztendlicher Sicherheit lässt sich das natürlich momentan noch nicht sagen. Auf jeden Fall scheint zumindest eine gefährliche Körperverletzung vorzuliegen. So viel steht aufgrund der Blutspuren und der Löcher im Bademantel meiner Meinung nach schon einmal fest. Ob Carina Arendt, falls sie tatsächlich das Opfer war, den Angriff überlebt hat oder nicht, lässt sich hingegen nicht verlässlich feststellen. Im Augenblick können wir daher noch nicht zwangsläufig von einem Tötungsdelikt ausgehen. Unter Umständen können Ihnen in dieser Hinsicht ja die Blutspurenanalysten weiterhelfen, falls sie anhand der durch das Luminol sichtbar gewordenen Spuren feststellen können, wie viel Blut das Opfer in etwa verloren hat und ob dieser Blutverlust letztendlich tödlich war.«

Anja verstummte einen Moment, während sie rekapitulierte, was sie darüber wusste. Eine durchschnittliche Frau besitzt ungefähr vier bis fünf Liter Blut. Verliert sie sehr schnell eine große Menge Blut, ist bereits ein Verlust von 20 Prozent, also etwa ein Liter kritisch.

»Da das Opfer spurlos verschwunden ist«, fuhr Anja fort, »egal, ob es noch lebt oder nicht, liegt zumindest eindeutig ein Vermisstenfall vor.«

»Also schlagen Sie uns vor, den Fall morgen früh zur weiteren Bearbeitung an die Vermisstenstelle weiterzuleiten?«, wollte Schubert wissen.

Erneut zuckte Anja mit den Schultern. »Ohne das Opfer ist nicht einmal die Körperverletzung erwiesen. Aber da es definitiv verschwunden ist, liegt auf jeden Fall ein Vermisstenfall vor. Von daher ist es momentan naheliegend, den Fall an die Vermisstenstelle zu übergeben. Sie beide wissen natürlich selbst, was in so einem Fall zu tun ist. Zunächst einmal muss anhand einer DNA-Analyse des Blutes am Bademantel überprüft werden, ob es sich bei dem mutmaßlichen Opfer tatsächlich um die Bewohnerin des Hauses handelt. Außerdem müssen Nachforschungen in den Krankenhäusern der Umgebung vorgenommen und sämtliche Angehörige und Bekannte der Frau befragt werden. Vielleicht ist es ihr ja gelungen, schwer verletzt aus dem Haus zu fliehen, und sie wurde dann irgendwo aufgelesen und ins Krankenhaus gebracht. Oder sie konnte sich zu Freunden flüchten.«

Schubert schüttelte den Kopf. »Das halte ich für unwahrscheinlich. Dann hätte sie sich ja vorher den Bademantel ausziehen und nackt weglaufen müssen.«

»In ihrer Todesangst wäre ihr das vermutlich egal gewesen«, meinte Anja.

»Allerdings hätte sie in dem Fall auf ihrem Weg durchs Haus Blutspuren hinterlassen müssen«, entgegnete die andere Frau. »Es wurden aber keine gefunden.«

Anja nickte, denn das war ein schlagkräftiges Argument, an das sie nicht gedacht hatte. Trotzdem widersprach sie: »Vielleicht hat der Täter diese Spuren ebenfalls weggewischt.«

»Und wieso hat er dann seine eigenen Fußspuren nicht beseitigt?«

Anja hob ratlos die Schultern und ließ sie wieder sinken. Das war eine der Schlüsselfragen, die den Fall so mysteriös machten. »Ich weiß nicht, warum er die Blutspuren im Bad, aber nicht seine eigenen Fußspuren im Haus beseitigt hat. Und ich habe auch keine Ahnung, warum er die blutige Badematte mitgenommen, dafür aber den blutbefleckten Bademantel hiergelassen hat. Das alles ergibt für mich ebenfalls keinen Sinn. Aber unter Umständen hat es für den Täter durchaus eine Bedeutung.«

Schubert seufzte und fuhr sich mit beiden Händen durch ihr Haar. Sie wirkte müde. »Danke für Ihre Einschätzung, Frau Kollegin«, sagte sie dann und schenkte Anja zum ersten Mal, seit sie sich kannten, wenigstens die vage Andeutung eines Lächelns. »So wie ich das sehe, werden wir diesen Fall heute Nacht ohnehin nicht aufklären können und am Ende unserer Schicht an die Kollegen von der Vermisstenabteilung übergeben. Da Sie allerdings den Tatort entdeckt haben und damit unmittelbar in den Fall involviert sind, würde ich sagen, dass Sie befangen sind.«

»Frau Spangenberg hat momentan ohnehin Urlaub«, warf Plattner ein.

Seine Kollegin nahm das mit einem Nicken zur Kenntnis. »Kennen Sie Carina Arendt eigentlich persönlich? Immerhin wohnen Sie in der Nähe.«

Anja schüttelte den Kopf. »Ich bin der Frau meines Wissens nach nie begegnet. Allerdings haben wir, außer dass wir beide in unmittelbarer Nachbarschaft zum Waldfriedhof wohnen, noch mindestens eine weitere Gemeinsamkeit.«

»Und welche ist das?«, fragte die KDD-Ermittlerin interessiert.

»Wir besitzen beide eine schwarze Katze«, sagte Anja. »Es fiel mir bereits auf, sobald ich das Blatt mit dem Fotoausdruck aus dem Umschlag genommen hatte, denn auf den ersten Blick hätte es auch ein Foto von mir und Yin sein können.«

»Yin?«, fragte Plattner.

»So heißt mein Kater.«

Melissa Schubert sah Anja erneut mit durchdringendem Blick an, als verdächtigte sie die andere Frau, ihr diese Information bislang bewusst vorenthalten zu haben.

»Das ist mir eben erst wieder eingefallen«, rechtfertigte sich Anja, die sich eigentlich nicht rechtfertigen wollte und über sich selbst ärgerte, dass sie es dennoch tat.

»Vielleicht haben Sie ja auch deshalb die Nachricht bekommen«, meinte Plattner. »Gewissermaßen als Warnung oder Drohung, dass Ihnen dasselbe blühen könnte.«

Anja schüttelte den Kopf. Das wollte und konnte sie nicht glauben. Außerdem widersprach es ihrer begründeten Vermutung, dass ein alter Bekannter ihr die Nachricht geschickt hatte, um erneut eine mörderische Schnitzeljagd mit ihr zu veranstalten.

Auch Melissa Schubert schien von diesem Gedanken nicht angetan zu sein. »Das hieße ja, dass wir es hier mit jemandem zu tun haben, der es auf Frauen mit schwarzen Katzen abgesehen hat.« Sie tat die Idee mit einer wegwerfenden Handbewegung ab. »Konzentrieren wir uns stattdessen auf die Tatsachen. Und die besagen, dass wir ein schwer verletztes, möglicherweise totes Opfer haben, das spurlos verschwunden ist.« Sie richtete ihren Blick wieder auf Anja. »Können Sie uns sonst noch etwas sagen, das uns bei unseren Ermittlungen weiterhilft, Frau Spangenberg?«

»Tut mir leid, aber ich habe Ihnen alles gesagt, was ich darüber weiß.«

»Falls Ihnen doch noch etwas einfällt, rufen Sie bitte meinen Kollegen an. Er wird Ihnen seine Karte geben.«

Plattner griff gehorsam in die Innentasche seines Sakkos und brachte eine Visitenkarte zum Vorschein. Er reichte sie Anja mit dem obligatorischen Grinsen, das sie nun schon allzu gut kannte und das ihr allmählich ein wenig auf die Nerven ging.

»Danke.« Anja steckte die Karte ein, ohne einen Blick darauf zu werfen.

»Nochmals vielen Dank, dass Sie uns Ihre Einschätzung des Falls mitgeteilt haben«, sagte die KDD-Beamtin zum Abschluss. »Wir werden Ihren Hinweisen natürlich nachgehen und in den Krankenhäusern nachfragen, ob heute Nacht eine Frau mit Stichwunden eingeliefert wurde. Und wir werden sämtliche Angehörigen, Freunde und die Nachbarn befragen. Allerdings habe ich, ehrlich gesagt, nicht allzu viel Hoffnung, dass wir den Fall bis zum Ende unserer Schicht lösen werden, sodass Ihre Kollegen von der Vermisstenstelle sich morgen früh nach Dienstbeginn damit herumschlagen dürfen.«

»Die werden sich sicherlich freuen«, sagte Anja.

Zum ersten Mal, seit Anja sie kannte, zeigte ihr Melissa Schubert ein echtes Lächeln. »Das glaube ich auch.«

DER REGENMANN

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