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Horst Winter, Wirt und Inhaber des Hotels „Brockenblick“, saß in seinem kleinen Büro hinter der Rezeption seines Hotels und blätterte seinen Terminkalender durch, als Benno die Schwingtür des Hoteleingangs aufstieß und zu ihm rannte.

„Sie haben mich freigelassen, Herr Winter!“ Er sah auf Winters von Gichtknoten geschwollene Finger, die die Seiten des Terminkalenders weiterblätterten. Winter hob nicht den Blick. Bennos Freude verflüchtigte sich. „Hat sich an der Mittagskarte etwas geändert? Ich sollte in der Küche sein. Es ist schon halb zwölf“, schloß er mit belegter Stimme, als keine Antwort kam. Winter klappte den Terminkalender zu und sah Benno an. „Herr Wolf, wir müssen miteinander sprechen.“ Benno setzte sich. Winter klopfte auf das vor ihm liegende Terminbuch. „Die Gäste haben abgesagt.“

„Nein“, sagte Benno und fühlte, daß er anfing zu schwitzen. „Weil Sie hier kochen, darum haben sie abgesagt. Alles, was passiert ist, hat sich rumgesprochen. Die Leute gruseln sich und wollen nicht da essen, wo der Koch womöglich ein Mörder ist.“

Benno erhob sich schwerfällig. Der Chef würde ihn rauswerfen, damit sich keiner mehr gruseln mußte und die Gäste wiederkämen. Und diesen Argwohn der Leute sollte er auf seinen Buckel nehmen und fortschleppen. Möglichst weit weg, damit sie sagen könnten, „er hat sich dünne gemacht und gibt demnach zu, schuldig zu sein.“ Benno legte seine Fingerspitzen auf Winters Tisch, um das sachte Schwanken zu verbergen, das ihn überkam. Kreislauf, dachte er. Bin nicht fit. Keine Zeit für Sport. Aber so würde er sich nicht vom Hof jagen lassen!

„Tatsächlich, Herr Winter, bei so einem Koch wollte ich auch nicht essen.“ Auf einmal war ihm ganz leicht zumute, geradezu frech.

„Ich verstehe Ihre Gefühle gut, Herr Wolf! Ich halte Sie nicht für schuldig.“

„Dann erfüllen Sie mir eine Bitte.“ Benno sah auf seinen Chef, der wieder den Terminkalender öffnete und nervös darin blätterte. Sicher am Überlegen, wie er die nächsten Gesellschaften hindern könnte, abzusagen.

„Gerne erfülle ich Ihre Bitte. Ihr Gehalt für den November werden Sie auch bekommen.“ Benno fühlte sich immer noch leicht, geradezu übermütig gestimmt. Er ging zur Wand, wo ein Kalender hing und zeigte auf den Monat Oktober.

„Heute ist der einunddreißigste Oktober. Geben Sie mir Zeit bis zum zehnten November, um die Sache aufzuklären. Ich finde den, der es getan hat!“ Er war so im Überschwang, daß er die Brust herausstreckte und selbst an seine Worte glaubte.

„Sie sind toll, Benno!“

„Bin ganz klar“, sagte Wolf und stand stramm da, obgleich es in seinen Ohren bedrohlich rauschte.

„Benno, das ist was für die Polizei. Sie haben keine Ahnung von so einer Sache.“

„Das ist eine Ehrensache“, erklärte Benno und streckte die Knie durch. Winter sah ihn lange forschend an und nickte schließlich.

„Wolf, Sie sind bis zum zehnten November beurlaubt. Was Sie in Ihrem Urlaub machen, geht mich nichts an. Aber hier lassen Sie sich nicht blicken, auch nicht in der Umgebung. Am besten, setzte er bitter grinsend hinzu, Sie würden eine Tarnkappe tragen. Wenn Sie bis zum zehnten entlastet sind, haben Sie hier Ihre Stelle. Wenn nicht, dann sind Sie draußen.“

„Danke!“ Benno schlug die Hände zusammen und strahlte den Chef an.

„Ich gehe meine Werkzeuge holen.“ Er hob grüßend die Hand und wollte loslaufen.

„Wenn Sie meine Frau sehen, dann reden Sie nicht viel mit ihr. Es geht ihr schlecht. Seien Sie also diskret: ihr Bruder, Jan Gunolka, ist seit heute früh verschwunden“, rief ihm Winter hinterher. Benno stutzte und blieb stehen.

„Na und, vielleicht will er ein bißchen herumfahren und hat nichts davon gesagt.“

„Nein, als er in der Frühe vom Mord erfuhr, hat er seine Sachen ins Auto geworfen und ist davon gebraust. Sein Nachbar sagt, Jan habe Angst gehabt. Tatterig sei er gewesen.“ Winter hob die Hände, um es zu zeigen. Benno schluckte und stand einen Moment am Fleck, bis er begriff, was das heißen konnte.

„Machen Sie sich keine Sorgen, ich mach einen großen Bogen um Ihre Frau.“ Er spürte eine immer stärker werdende Spannung in sich, während er zur Küche lief, um sich Victoria vorzunehmen.

Der Koch und seine Toten

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