Читать книгу Der Koch und seine Toten - Edward Mosch - Страница 8

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Nach ein paar Minuten Fahrt bimmelte sein Handy. Benno hielt auf der Jet-Tankstelle an der Stadtgrenze und hörte auf Milanas empörtes Schnaufen. Jetzt ist es passiert dachte er, sie hat es erfahren.

„Nein, ich habe ihn nicht umgebracht, -nicht jeden Scheiß glauben, den sie im Fernsehen bringen.“ Er merkte wie lahm er klang und wie resigniert. Sie glaubte eher dem Fernsehen, er ließ seine Hand schlaff über den Lenker baumeln.

„Sieh zu, daß du das vom Hals kriegst, heute noch!“

„Gewiß, natürlich, Milana.“

Da fiel ihm der Alte ein, dieser Gunolka, und daß er wußte, wo er ihn kriegen würde. Das war, als würde er mit Mut und Zuversicht aufgepumpt. Er redete in ihr Gejammer hinein, sie sei gerade zur Sou Chefin ernannt und könne auf keinen Fall mit sowas in Verbindung gebracht werden. „Ich bringe die Sache heute zu ende.“ Benno reckte sich, bis sein Kopf gegen das Autodach stieß. „Ich weiß wer der Täter ist.“ Sie schwieg.

„Schaff es! Du mußt das sehr schnell schaffen. Ihre Stimme klang hysterisch.“

Benno drückte den Mund auf das Handy, schmierte es auf den Lippen herum und flüsterte Koseworte bis er merkte, daß sie aufgelegt hatte. Er duckte sich tief über das Lenkrad, gab Gas und flog auf das Gebirge zu. In Gedanken war er schon mitten darin, sah sich, auf dem Bauch kriechend, der Hütte nähern, angreifen, den Gegner notfalls durch den Schornstein herausziehend und ihn zusammen schnüren. Er mußte es schaffen, ganz schnell schaffen. Dann würde es sein, als sei diese Geschichte nie geschehen. Milana würde sie rasch vergessen. Jetzt ging es ihm elend langsam voran, bis das flache Harzvorland durchquert und er endlich auf engen, kurvenreichen Straßen in die Wälder eintauchte.

Er wußte sofort, daß er einen Fehler machte, als auf einmal die Hütte vor ihm stand, nachdem er unterhalb des Waldes durch einen Hohlweg nach oben gerumpelt war und er ihr ganz plötzlich im baumlosen, hellen Gelände gegenüber stand, welches sich unter einer hohen, steinigen Böschung ausbreitete, die den Platz halbkreisförmig umschloß. Er ließ den Motor laufen, sah auf die Bretterhütte mit dem niedrigen Giebeldach und wußte, daß der Mann vermutlich da drin war und daß er nicht bis hierher hätte fahren sollen, weil er jetzt auf dem Präsentierteller stand, frei zum Abschuß.

Wahrscheinlich freute sich der Kerl da drüben gerade über seine Dummheit.

Er ließ den Wagen langsam anrollen, blickte auf diese Bretterwand und gab Gas. Einen Moment lang war aus Wut alles rot vor seinen Augen. Das Auto schoß voran. Auf diesen Dreckskerl zu, wegen dem er all den Ärger hatte, der entweder selbst der Mörder war, oder aber den Täter kannte. Dann drückte er voll die Bremse durch, schlitterte noch ein paar Meter weiter und stand.

Nichts rührte sich bei der Hütte. Benno stieg aus und lief auf die Tür zu, sah auf die Klinke, die sich nicht bewegte. Hinter dem kleinen Fenster, rechts vom Eingang, kein Schatten. Benno roch beizenden Zigarettenqualm. Dann kam die Ecke, hinter der die Seitenwand begann. Er sah auf den nach außen aufgestoßenen Fensterflügel, Spinnweben, trübes, verschmiertes Glas. Er duckte sich tief und glitt unter dem offenen Fenster vorbei zur Rückwand hin. Da lag Geröll vom Hang, der sich hinter der Hütte erhob. Er sah hin. Einen Moment zu lang. Ein Schlag auf seinem Rücken, als habe ihn eine Lokomotive gerammt. Er lag auf dem Geröll. Die Finger um die Steine gekrallt. Ein Schmerz, wie von einem Stromschlag. Er drückte das Gesicht auf den Boden und stieß sich mit den Händen ab, auf die Füße hoch. Der Knüppel fuhr zwischen die Steine, er bekam den Kerl bei den Handgelenken zu fassen, dürre, von weißen Haaren bedeckte Greisenarme, über denen sich der Knüppel erhob zum nächsten Schlag. Benno bog sie zurück, sah den faltigen, alten Hals dicht vor sich, biß zu, bog den dünnen Alten weiter nach hinten. Der Knüppel fiel. Benno holte aus und schlug dem Alten mit der geballten Faust ins Gesicht. Er ließ ihn mit dem Rücken gegen die Bretterwand der Hütte krachen, es gab einen Schlag, als würde die Hütte einstürzen. Der Alte blutete heftig am Hals.

„Sie werden sich eine Weile nicht rasieren können“, sagte Benno, „aber wenn Sie jetzt nicht das Maul aufmachen, können Sie es nie mehr.“

Benno schüttelte den Alten heftig an den Schultern und ließ ihn zu Boden gleiten. Seine Wut war weg.

„Sind Sie Jan Gunolka?“ Der Alte nickte und sah ihn durchdringend an.

„Hat er Sie geschickt?“

„Wer ist „er“? fragte Benno, ließ sich gespannt zu Gunolka herunter, sah ihm ins Gesicht und wartete. Aber der rührte sich nicht mehr. Er hat zugemacht, dachte Benno und spürte, wie die Wut zurückkam.

Er zeigte auf den Knüppel.

„Sie dachten, ich wollte Ihnen was tun?“ Gunolka nickte. Benno stand mit einem Ruck auf, zog den Alten hoch und schubste ihn vor sich her zur Tür der Hütte.

„Jetzt werden Sie mir sagen, wer „er“ ist und warum Sie sich hier verstecken! Wenn nicht…“

Sie stolperten auf einen Bretterboden, hinein in Zigarettenqualm. Der Alte mußte pausenlos gepafft haben. Benno sah die Qualmschwaden aus dem hellen Raum zum offenen Fenster hin abziehen. Er stand in einem großen Zimmer, es schien nur dieses eine im Haus zu geben. Zum Hängeboden, der den Raum zur Hälfte überdachte, führte eine Leiter hinauf. Benno zog seinen Gürtel aus der Hose, machte eine Schlaufe, knotete damit Gunolka die Hände zusammen und befestigte ihn mit Schnalle und Gürtelende am dicken Dänenofen. Dann stieg er zum Hängeboden hinauf, um sich umzusehen. Im Dämmerlicht unter dem Schrägdach stand eine Liege, auf der ein paar Decken herumlagen. Von unten kamen scharrende und quietschende Geräusche. Der Alte zerrte am Ofen und war dabei, das Rohr aus der Wand zu reißen.

„Wollen Sie mit dem Ding auf Wanderschaft gehen?“ Benno sprang die Leiter hinab. Er war sich sicher, der störrische Alte wußte über den Mord Bescheid. Wenn er wollte, könnte er ihn sofort von allem Verdacht befreien und sein normales Leben wieder herstellen.

Daß er es nicht wollte, erbitterte Benno. Er drückte das Ofenrohr wieder in die Wand, fand ein Feuerzeug auf dem Tisch bei der Wand und sah sich nach Holz um. Neben dem Ofen lagen derbe Holzscheite, feingespaltene Späne und einen Stapel Zeitungen. Benno begann den Ofen mit Papier und Holz zu beladen. Der Alte sah ihm mit bebendem Kinn zu und schwieg.

„Wollen Sie jetzt sagen, vor wem Sie Angst haben? Wer will Ihnen ans Leder?“ Benno faßte ihn beim zitternden Kinn und sah ihm in die Augen.

„Sie kennen doch den Kerl, der Marconi umgebracht hat, oder haben Sie ihm selbst den Kopf abgeschnitten?“ Der Alte zog sich wie eine Schnecke zusammen und versuchte hinter den Ofen zu kriechen.

„Passen Sie auf, es wird jetzt ein kühler Abend, da lasse ich Sie nicht frieren. Ich mache es ordentlich warm und binde Ihnen die Arme auf den Ofen. Dann werden Sie reden.“ Benno machte die untere Ofenklappe auf, langte nach dem Feuerzeug und tat so, als wollte er das Papier anzuzünden. Jan Gunolka hob das Gesicht und sah ihn mit einem Blick an, als betrachte er einen Haufen Kotze. Benno merkte, daß er keine Angst zeigte, aber Ekel. Er wandte sich verlegen ab.

„Haben Sie ihn umgebracht?“ Gunolka schüttelte den Kopf und sah blinzelnd zu ihm.

„Aber Sie wissen, wer es getan hat?“ Der Alte drehte den Kopf weg, soweit es ging, und schwieg. Benno warf das Feuerzeug weg.

„Jetzt bringe ich Sie zurück nach Halberstadt“, sagte er, „zur Polizei!“ Gunolkas Hände am Ofen fingen an zu zitterten, seine Finger flogen hoch, als wollte er Klavier spielen. Er zog den Kopf zwischen die bebenden Schultern und wimmerte leise. Benno holte sein Handy raus.

„Sie behandeln mich mies“, sagte er laut zu Gunolka, „das kotzt mich an. Sie halten das Maul, sagen nichts, was mir helfen könnte, und alle Probleme bleiben an mir hängen. Mein Job ist so gut wie weg. Und meine Freundin verläßt mich, wenn ich nicht ganz schnell aus dieser Sache herauskomme. Das soll ich fressen, ich hatte einfach Pech, oder was?“ Er blieb vor dem Alten stehen, der auf seine Hände herunter sah.

Er wählte Winters Nummer. Victoria nahm an.

„Ich habe Ihren Bruder“, sagte Benno, „er hat mich angegriffen, weil er glaubte, ich hätte den Auftrag, ihn zu töten. Er kennt den Kerl, der Marconi umgebracht hat. Vor dem ist er davongelaufen. Aber er will nicht sagen, wer der Mann ist. Ich bringe ihn zur Polizei nach Halberstadt.“

Benno hörte entfernt aufgeregtes Getuschel, dann war Victoria wieder dran.

„Bleiben Sie, wo Sie sind. Ich habe Sie gebeten, auf ihn aufzupassen, sonst sollen Sie nichts tun.“

„Zuviel verlangt, Victoria. Ich bin bei der Geschichte der Dumme, wenn ich in der Hütte sitzen bleibe.“ Wieder Getuschel. Dann war Herr Winter am Telefon.

„Also Benno, Sie bleiben auf Ihrem Posten und warten, bis wir uns melden!“

„Gunolka kann meine Unschuld sofort bestätigen, wenn er spricht. Warum sollte ich darauf verzichten? Ich bringe ihn zur Vernehmung nach Halberstadt.“

„Ich warne Sie. Lassen Sie es sein!“

Benno legte auf. Gunolka sah ihn lauernd an.

„Jetzt denken Sie, ich mach mir in die Hosen aus Respekt vor Ihrer Verwandtschaft. Jetzt fahren wir erst recht zur Polizei. Und dieser Kommissar Riemschneider wird Ihnen das Maul öffnen. Zum letzten Mal: Wer ist der Kerl, vor dem Sie Angst haben?“

Gunolka krümmte sich und schwieg.

Er schien wie aus Holz geschnitzt, als ihn Benno zur Tür zerrte, die er mit einem Fußtritt öffnete. Er spreizte sich, stemmte die Fersen in den Boden, hielt sich fest, wo es möglich war, und Benno mußte ihn stückweise, Bein und Arm und Buckel durch die Tür zwängen und im Auto verstauen.

Es war schon ziemlich dunkel, als Benno den Wagen startete. Gunolka saß zusammengesackt neben ihm. Er versuchte, sich so klein zu machen, daß er von außen vermutlich kaum zu sehen war. Benno merkte, daß ihm Kinn und Hände bebten. Plötzlich richtete er sich auf:

„Sie machen einen Fehler, Sie werden ihn bedauern.“

Der Koch und seine Toten

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