Читать книгу Der Koch und seine Toten - Edward Mosch - Страница 7

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Er rannte die letzten Meter so rasch, daß er nicht mehr die Fersen aufsetzte beim Gehen, sondern auf halber Spitze in die Küche schwebte und gleich die Worte herausstieß: „Was ist mit Ihrem Bruder?“

Er sah ihre verheulten Augen, ihre aufeinander gepreßten Lippen und bei seinen Worten zog sie sich zusammen. So würde er keine Antwort bekommen. Benno blickte auf den Boden neben ihr. Da lagen, in einer Plastikwanne, große, dicke Rinderknochen, die gehackt werden mußten. Mit ihren zarten, dünnen Greisenfingern griff sie sich gerade das Beil vom Hackstock. Benno sah auf ihre schmalen Handgelenke und auf das schwere Beil, trat neben sie, krempelte seine Hemdärmel auf, nahm ihr das Beil aus der Hand, und fing an, die mächtigen Knochen klein zu hacken und vom Hackstock runter in den breiten, einen Meter hohen Topf für die Bouillon zu werfen.

„In zehn Tagen bin ich wieder hier“, sagte er tröstend und beobachtete, wie sich ihr Gesicht aufhellte.

„Dann mache ich die Arbeit und Ihr Bruder ist längst zurück.“

Er sah, wie sie die Worte aufnahm, aber irgendwie gingen sie durch sie hindurch und blieben nicht haften. Sie stand reglos da, den Mund leicht geöffnet und blickte an ihm vorbei in die Ferne. Plötzlich schlug sie die Hände vors Gesicht, und fing an zu heulen.

Benno hackte auf die Knochen ein, fegte sie in den Topf, behielt Victoria im Blick und fragte:

„Haben Sie eine Ahnung, wo er hingegangen ist?“ Sie preßte die Lippen zusammen. Er schoß seinen letzten Pfeil auf sie:

„Womöglich hat er mit dem Mord zu tun, dann werden Sie ihn sobald nicht wiedersehen.“ Er hob den Arm um den letzten Knochen kleinzumachen. Sie war mit einem Schritt bei ihm, packte ihn am Hemd und zerrte daran.

„Jan ist kein Mörder! Jan ist ein anständiger Mann. Aber er hat…“

„Angst?“, fragte Benno, schob vorsichtig ihre Hand beiseite, hievte den großen Topf mit den Knochen auf den Herd, schwenkte den Wasserhahn darüber, der über dem Herd montiert war, ließ Wasser zulaufen und behielt Victoria im Blick.

„Lassen Sie sich doch helfen. Wenn Sie sprechen, fällt mir vielleicht was Schlaues ein. Vor was hat Ihr Bruder Angst?“

Er sah zu, wie sie einige Schritte auf und ab ging und ihre Hände knetete. Jetzt war er sich sicher: Victoria wußte, warum sich ihr Bruder abgesetzt hatte und wahrscheinlich auch, wo er steckte. Er beobachtete sie, griff dabei in eine Tonne und warf vier Hände voll Salz über die vom Wasser bedeckten Knochen.

„Vor was hat er Angst?“ Sie schwieg, strich sich fahrig durchs Haar und schlurfte ruhelos auf und ab. Wütend schlitzte er einige Stangen Lauch längs auf, schnitt die Wurzeln ab, wusch das Lauch, nahm Karotten und Petersilie dazu, gab Sellerie bei, band alles mit einem Stück Dressierfaden zusammen und warf das Bouquet garni mit Schwung in den Topf.

„Ich geh dann mal. Sie wollen ja nicht sprechen und kommen alleine klar“, er griff nach seiner Messertasche und wandte sich zur Tür. Sie blieb stehen und sah ihn an. Jetzt hat sie es sich überlegt, dachte Benno.

„Ich möchte, daß Sie auf ihn aufpassen. Würden Sie das tun?“ Benno hätte jeden Schwur geleistet. Er war ganz dicht dran am Fall und spürte, daß er ihn lösen konnte. Er schwitzte vor Aufregung und hielt die Luft an um nichts Falsches zu sagen, nickte nur und schwieg.

„Werden Sie auf ihn aufpassen?“

„Sagen Sie, wo er ist!“

Victoria ließ sich auf dem Stuhl beim schwarzen Brett nieder.

„Ich weiß nicht wo, ich vermute nur. Mein Mann hat eine Jagdhütte im Harz. Kann sein, daß Jan da ist. Die kennt er und für die hat er einen Schlüssel.“ Benno lehnte sich gegen den Herd und hörte ihr zu. Sie beschrieb ihm den Weg zur Hütte.

„Zwischen Wernigerode und Ilsenburg.“

Benno stieß sich vom Herd ab und griff nach seinem Messerfutteral, spürte den Stahl, und dachte zum ersten Mal daran, daß er ihn vielleicht nicht nur in der Küche gebrauchen könnte.

„Lassen Sie ihn nicht aus den Augen, wenn Sie ihn finden“, rief ihm Victoria nach. „Es geht um sein Leben. Jemand will verhindern, daß er aussagt.“

Der Koch und seine Toten

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