Читать книгу Nachbarschaft mit kleinen Fehlern - Elisa Scheer - Страница 8
6 Samstag
ОглавлениеBei IKEA ging es natürlich zu, als gäbe es was gratis, aber wer am Samstag dorthin fuhr, war ja wohl auch selbst schuld!
Immerhin ergatterte sie noch einen Parkplatz und fand auch ziemlich schnell das ideale dunkelgraue Sofa, lang und leicht wirkend, stabiler Bezugsstoff, schöne hohe Seitenlehnen, an die man sich richtig hinkuscheln, konnte… Sie lümmelte ausgiebig auf dem Sofa herum und nahm sich dann einen der Merkzettel mit. Die Sitzbank hatte schon in der Möbelausstellung freundlicherweise die passenden Rattankörbe in den Fächern, aber so richtig gefielen sie ihr doch nicht: Die abstehenden Rattanenden zogen bestimmt Fäden aus Schals und Handschuhen! Sie maß die Höhe, Breite und Tiefe aus… da mussten doch auch diese Stoffkörbe…? Ein Regal daneben war mit solchen Körben ausgestattet, sie zog sie heraus und schob sie in die Sitzbank – perfekt! Sie brachte sie brav zurück und kam sich sehr vorbildhaft vor, nahm auch hier einen Merkzettel mit, griff sich einen Wagen und streunte mit Genuss durch den Marktplatz – zwei Kissen, die Sitzbank, einen passenden Couchtisch in Kiefer, wie bei den Regalen, drei Stoffkörbe… ach ja, einen Satz Gläser… jetzt aber schnell zur Kasse, bevor es noch teurer wurde!
Natürlich brauchte sie noch zwei Tüten schwedische Kartoffelchips, nachdem sie einen Liefertermin für das Sofa vereinbart hatte, Dienstag am frühen Abend. Immerhin war sie schon ganz stolz darauf, dass sie den Hotdogs widerstanden und auch keinen Sack Teelichter mitgenommen hatte.
Ein schöner Samstagvormittag, stellte sie zu Hause fest – aber anstrengend. Hätte sie jetzt schon das Sofa, könnte sie sich irgendwelchen Unsinn im Fernsehen anschauen und dabei gemütlich wegdösen, in die zahlreichen Kissen gelümmelt. Aber so? Der Klappsessel war keine Alternative.
Dann baute sie eben die Sitzbank zusammen! Ganz ordentlich, mit extra noch einmal nachgezogenen Schrauben. Wackelte kein bisschen! Und sie sah im Flur neben dem Garderobenständer wirklich gut aus. Die Stoffkörbe in Gelb passten genau zum Garderobenständer und nahmen Schuhe, Handschuhe und allen übrigen Flurkram auf, so dass es hier sehr ordentlich aussah. Fast wie im Katalog! Nein, besser – im Katalog waren die Zimmer immer recht überladen und voller Schnickschnack. Das gefiel ihr gar nicht.
Sie faltete einen Teil der Verpackung zusammen und trug das Zeug nach unten, um es in der Papiertonne zu versenken.
Im Hof traf sie auf eins der schwarzgekleideten Mädchen, aber nicht die, die die Ohrfeige bekommen hatte. Das glaubte sie wenigstens. Sie lächelte freundlich und das Mädchen erwiderte das Lächeln etwas gezwungen und sagte: „Du siehst gestresst aus, möchtest du dich nicht entspannen?“ Der Tonfall wirkte unecht, als spulte sie einen auswendig gelernten Spruch ab. Amelie lehnte freundlich ab.
„Du musst deine Mitte finden“, wurde im gleichen lustlosen Ton beharrt.
„Sie sehen mir nicht so aus, als hätten Sie Ihre Mitte schon gefunden. Und heißt es nicht eigentlich innere Mitte?“
Das Mädchen fuhr zusammen und sah sich ängstlich um. „Bekommen Sie Ärger, wenn Sie keine neuen Kunden anwerben können?“
„Kunden sagen wir nicht. Wir wollen den Menschen helfen, ihr Potenzial zu erkennen und entspannter zu leben.“
„Das sollten Sie nicht so sagen, als hätten Sie das auswendig gelernt - so klingt es, als glaubten Sie selbst nicht daran. Und ganz ehrlich, ich habe mein Leben gut im Griff und lebe vollkommen entspannt. Also habe ich kein Interesse an irgendwelchen Psychoangeboten, vielen Dank.“
„Wieso denn Psycho? Wir bieten spirituelle Hilfe!“
„Danke schön, ich braucht keine Hilfe. Und ganz ehrlich, ihr macht es ja wohl kaum gratis, oder?“
„Äh – nein. Aber solche Kurse kosten doch überall Geld? Und sie sind es doch auch wert?“
„Das erinnert mich zu sehr an Scientology, die machen auch einen auf spirituelle Religion und wollen in Wahrheit nur Geld scheffeln. Also noch mal, nein danke! Überlegen Sie lieber, ob Sie gerne in dieser Sekte leben.“
Damit eilte Amelie ins Haus zurück und hinauf in ihre Wohnung. Das arme Mädchen – die wurde doch dazu gezwungen, andere Leute mit diesem Quatsch zu belästigen!
Sie hatte einmal eine Dokumentation über Scientology gesehen und sich notdürftig gemerkt, mit welchen Tricks da gearbeitet wurde. Wetten, hier lief das auch nicht anders ab?
Und wer sackte dann das Geld ein? Diese Hellgrauen, da war sie sich sicher. Vielleicht sollte man da mal den Sektenbeauftragten anspitzen?
Gleich mal passende Adressen googeln!
Sie fand auch gleich eine geeignete Stelle und schrieb denen eine lange Mail, wobei sie auch die Ohrfeige – in aller Öffentlichkeit, diesen Kerlen war ja wohl nichts peinlich! – nicht verschwieg. Zufrieden klickte sie auf Senden: gut gepetzt!
Die verdienten es ja wohl auch nicht besser… und nachher würde sie noch die restlichen Pappen wegbringen