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Das Blöde an diesen Feiertagen war wirklich, dass man die Familien abklappern musste. Gut, Yannick war nicht so arg wie Werners Verwandtschaft, eigentlich war er wirklich ein netter Kerl, aber ich hatte gar keine Lust, schon wieder irgendwohin zu fahren. Viel lieber hätte ich mir einen netten Film angeguckt, wäre mit Werner lange spazieren gegangen (das liebten wir beide sehr) und hätte später vielleicht diesen Roman angefangen, den ich mir letzte Woche aus der Bücherei geholt hatte.

Stattdessen gurkten wir, mit zwei pädagogisch wertvollen Osternestern in der Tasche, nach Selling, wo Yannick und Véro ein winziges, unordentliches Reihenhaus bewohnten.

Stéphanie und Jacques freuten sich über ihre Osternester und rannten mit ihrer Beute kreischend davon, Véro umarmte mich und Yannick klopfte Werner freundlich auf die Schulter. In einer Atmosphäre von Kindergekreisch und blubberndem Kaffeewasser saßen wir gemütlich um den großen Holztisch; schließlich rief ich den beiden Kindern etwas zu, und das Kreischen verstummte. „Was hast du gesagt?“, fragte Werner, der kein Französisch konnte.

„Dass der Osterhase alles wieder abholt, wenn sie sich weiter zanken“, erklärte ich und musste lachen. „Wahrscheinlich essen sie jetzt alles fieberhaft auf, damit der böse Osterhase nur noch das Papier vorfindet.“

Véro lachte auch und holte den Kaffee, Yannick brachte eine Platte Kuchen. Ich unterhielt mich kurz mit Véro über die Kinder, merkte aber, dass Werner unruhig wurde, wenn er dem Gespräch nicht richtig folgen konnte.

Yannick und Véro arbeiteten beide in einer großen Import-Export-Firma, die vor allem hier und in Frankreich aktiv war, so dass sie ihre Zweisprachigkeit sehr nutzbringend einsetzen konnten. Véro allerdings war in der Auvergne aufgewachsen und sprach ein etwas holpriges Deutsch mit starkem Akzent; Yannick und ich hatten den Vorteil einer deutschen Mutter und eines französischen Vaters gehabt und sprachen wirklich beide Sprachen gleich gut. Mit Yannick benutzte ich in Werners Gegenwart Deutsch, mit Véro aber lieber Französisch, dann tat sie sich leichter. Die Kinder sprachen hauptsächlich deutsch, verstanden Französisch aber gut, wie man ja an meiner Osterhasenwarnung gemerkt hatte. Manchmal sprachen sie miteinander französisch, im Kindergarten, um die anderen Kinder zu ärgern. Dafür war Véro schon von der Kindergärtnerin getadelt worden – die beiden grenzten sich manchmal von der Gruppe ab... Das hatte Véro nicht weiter tragisch gefunden und war unter hohem Einsatz von Psychovokabular noch heftiger getadelt worden, bis sie gehen musste, weil sie sich das Lachen nicht mehr länger verbeißen konnte.

Ich beobachtete das Gespräch zwischen Yannick und Werner und hatte das unbestimmte Gefühl, dass die beiden sich nicht mochten. Schon daran, wie sie mich nannten, wurde deutlich, wie unterschiedlich sie waren: Hélène oder Leni? Sie respektierten die Unterschiede auch nicht, Yannick hielt Werner für einen fürchterlichen Spießer und Sesselfurzer (aber das lag an seiner allgemeinen Beamtenphobie), und Werner fand Yannick leichtfertig und unreif. Gut, Yannick war erst achtundzwanzig, aber ein braver Ehemann und Familienvater und ein ausgezeichneter Kaufmann, immerhin war er stellvertretender Geschäftsführer bei FranceImex. Dass er mir mehrfach von Werner abgeraten hatte, wusste dieser schließlich nicht.

Als ich Yannick fragte, ob er Trauzeuge sein wollte, lachte er. „Ihr macht tatsächlich Ernst? Gerne natürlich. Wann?“ Er notierte sich das Datum und lachte noch mehr, als er hörte, dass wir auch den himmlischen Segen ins Auge gefasst hatten. „Wann warst du das letzte Mal in der Kirche? Firmung?“

„So ungefähr“, gab ich mit schiefem Lächeln zu.

„Das kannst du dem Pater Rupert aber nicht erzählen“, warnte Werner.

„Das weiß ich auch“, brummte ich. „ich heirate doch nicht kirchlich, weil ich so scharf drauf bin, sondern wegen deines Onkels Josef. Und dass du so fromm wärst, ist mir auch ganz neu. In den sechs Jahren, die wir jetzt zusammen sind, warst du kein einziges Mal in der Kirche!“

„Doch, vor zwei Jahren an Weihnachten. Und bei Benedikts Taufe, du warst doch dabei.“

„Ja, gut, aber nicht aus religiösem Bedürfnis heraus, oder?“

Werner nahm sich lieber noch ein Stück Kuchen. Stéphanie bestand darauf, auf meinem Schoß zu sitzen und mir alle ihre Ostereier zu zeigen. Ich bewunderte die aufgeweichte Sammlung und half ihr beim Zählen, bis sie schließlich wieder von meinen Knien rutschte, um Jacques damit zu ärgern, dass sie die exakte Zahl ihrer Ostereier kannte. Ich grinste hinterher. Irgendwie waren die beiden netter als Wilmas Brut, vielleicht, weil Véro ziemlich streng werden konnte, wenn ihr das Geschrei und Gezanke zu viel wurde. Sollten wir jemals Kinder haben, nahm ich mir vor, würde ich sie streng, aber gerecht erziehen, damit sie nicht solche Nervensägen wurden wie Wilmas Kinder.

Werner unterhielt sich mit Yannick über die Wirtschaftslage (reines Männerthema, auch wenn die anwesenden Frauen das Gleiche studiert hatten), Véro und ich diskutierten über die Frage, warum Männer immer kniffen, wenn es darum ging, dass sie mal über Teilzeit nachdenken sollten. Yannick hatte in dieser Hinsicht auch versagt, aber mittlerweile war Véro bei FranceImex schon wieder fast mit Vollzeit eingestiegen, Stéph war im vorletzten Jahr des Kindergartens, Jacques im letzten.

„Pass bloß auf“, unkte ich, „in der Grundschule haben sie viel früher aus. Hast du eine Tagesmutter für die beiden?“

„Ja, gleich drei Häuser weiter. Da sind sie jetzt schon manchmal.“

Ich war neidisch. Ob ich auch so leicht eine anständige Kinderbetreuung finden würde? Na, vorläufig würde ich die Pille einfach weiter nehmen, vielleicht vergaß Werner diese Nachwuchsidee ja wieder.

Wir unterhielten uns noch eine Zeitlang etwas gezwungen zu viert, gelegentlich von den Kindern unterbrochen, dann wollte Werner aufbrechen. Vielleicht waren ihm die Kindheitserinnerungen von Yannick und mir zu viel geworden? Das hatte er noch nie leiden können, wenn wir auf die Weißt-du-noch-Schiene gerieten. Wir hatten aber eine zauberhafte Kindheit gehabt und uns meistens auch gut vertragen, also wärmten wir das eben gelegentlich gerne auf.

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